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Der Star in Trumps Verteidiger-Team: Alan Dershowitz.

© Senate TV/Handout via Reuters

Impeachment-Verfahren: Für die Verteidigung kann Trump eigentlich nichts falsch machen

Die Anwälte des US-Präsidenten versuchen mit allen Mitteln, die Republikaner zusammenzuhalten. Ihr Hauptargument: Alles kein Grund zur Aufregung. Reicht das?

Als US-Senator muss man in diesen Tagen vor allem eines beweisen: Langmut. Stunde um Stunde rückt der Zeiger der goldfarbenen Uhr im Plenum voran, der Beleg dafür, wie auch dieser Tag wieder verstreicht - ob es draußen dunkel oder hell ist, kriegt man im fensterlosen Saal im zweiten Stock des Kapitols nicht mit.

Immerhin hat an diesem Mittwoch um 13 Uhr Ortszeit im Impeachment-Verfahren gegen US-Präsident Donald Trump der Frage-und-Antwort-Teil begonnen. Die 100 Senatoren haben nun an zwei Tagen je circa acht Stunden Zeit, in der Ukraine-Affäre Fragen an Anklage und Verteidigung zu stellen. Bevor die erste Runde beginnt, hat wie immer der Senats-Kaplan das Wort.

Barry Black spricht ein kurzes Gebet, alle im Saal stehen dazu auf, auch die Zuschauer und die Journalisten auf der Pressetribüne. Black muss sich nicht an Vorgaben halten und gibt den versammelten Senatoren immer etwas Bedenkenswertes mit. Vor einer Woche erinnerte er sie daran, dass Worte Konsequenzen hätten – auch die, die nicht gesagt würden.

Und an diesem Mittwoch spricht er ihnen Mut zu: "Es ist niemals falsch, das Richtige zu tun." Nur, was ist das Richtige in diesem Fall? Beziehungsweise: Was soll das alles?

Die Senatoren müssen schweigen

Für die Senatoren ist das alles keine ganz leichte Angelegenheit. Schon alleine, weil sie seit Tagen stundenlang schweigend verfolgen müssen, wie die Vertreter der Anklage, die Trump aus seinem Amt entfernen wollen, und das Verteidigerteam des Präsidenten ihre Argumente in allen möglichen Varianten vortragen.

Die eigentlich durchaus machtbewussten Männer und Frauen der zweiten Kongresskammer selbst dürfen nicht sprechen. Sie dürfen sich wenn überhaupt nur kurz von ihren schweren Holzpulten entfernen, und selbst ihre Getränkeauswahl ist begrenzt: Es gibt Wasser und im Ausnahmefall auch mal Milch. Kein Kaffee hilft beim Wachbleiben. Wer gegen die Regeln verstößt, muss mit Gefängnisstrafe rechnen, daran wird zu Beginn jeder Sitzung erinnert.

Seit acht Tagen geht das nun schon so, am Dienstag endete mit den Plädoyers der Verteidigung der erste Teil des Verfahrens. Die Disziplin im Saal, soviel lässt sich feststellen, hat bereits deutlich nachgelassen: Die Abwesenheiten werden länger, das Getuschel häufiger, und herzhaft gelacht wird an diesem Tag auch mehrfach. Wenn auch eher zu Beginn der Sitzung, die einmal mehr bis 23 Uhr dauert.

Neugierde versprüht hier kaum einer

Dieser erste Frage-Tag kommt zunächst erstaunlich wenig investigativ daher. Meist richten die demokratischen Senatoren ihre Fragen an die Anklage, während die Republikaner sich vor allem Antworten von der Verteidigung wünschen, die ihre Auffassung bekräftigen. Echte Neugierde versprüht hier kaum einer, die Fronten scheinen gefestigt. Das, was gesagt wird, haben die meisten schon oft gehört.

Aber es gibt auch ein paar republikanische Senatoren, die in diesen Tagen unter ganz besonderer Beobachtung stehen. Ihnen wird zugetraut, von der ansonsten wie zementierten Parteilinie abzuweichen, diesen Prozess so bald als möglich und im Sinne des Präsidenten zu beenden. Auf sie wird es ankommen, wenn voraussichtlich am Freitag über die Frage abgestimmt wird, ob überhaupt noch Zeugen angehört werden. Oder ob der Prozess noch in dieser Woche endet.

Da sind zum Beispiel die als moderat geltenden Senatorinnen Susann Collins aus Maine und Lisa Murkowski aus Alaska, die nebeneinander sitzend stets ganz besonders aufmerksam zuhören und sich viele Notizen machen. Ihre Frage geht direkt an den Kern des Falles: Sie wollen wissen, ob Trump jemals mit der Ukraine über Korruption und die Bidens gesprochen habe, bevor Joe Biden bekanntgab, sich um die Präsidentschaft zu bewerben. Die knappe Antwort der Verteidigung, die eigentlich fünf Minuten Zeit dafür hätte: "Dazu kann ich Ihnen nichts sagen."

Die Verteidigung weicht der Frage aus, wann Trump die Militärhilfe gestoppt hat

Ähnlich läuft es bei Mitt Romneys Frage, die der Senator aus Utah erst am Abend einreicht. Romney war immerhin 2012 der republikanische Präsidentschaftskandidat, der gegen Barack Obama verlor. Als einer der wenigen in der Grand Old Party macht er aus seiner Skepsis gegen Trump keinen Hehl. Wie immer bringt der Saaldiener den Fragen-Zettel umständlich nach vorne zu John Roberts, dem Obersten Richter, der das Verfahren leitet und in dieser Phase die Fragen vorliest. "An welchem Tag genau hat Präsident Trump die Militärhilfe an die Ukraine gestoppt, und hat er dies damals begründet?", will Romney wissen.

Auch hier antwortet die Verteidigung, in diesem Fall der Anwalt Patrick Philbin, ausweichend. Denn dieser Punkt ist trotz wochenlanger Untersuchungen des Repräsentantenhauses noch immer nicht geklärt - was vor allem daran liegt, dass das Weiße Haus jegliche Zusammenarbeit mit den Ermittlern verweigerte.

Es sind gute Fragen, und sie deuten darauf hin, dass die Fragesteller es sich tatsächlich nicht einfach machen.

Seit bekannt geworden ist, dass Trump in einem Telefonat im Juli 2019 den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden gedrängt hat, vermuten die Demokraten, dass der US-Präsident sein Amt missbraucht hat, um seinem möglichen Herausforderer bei der Wahl im November zu schaden. In einem Kuhhandel, einem "Quid pro quo", habe er die Freigabe der knapp 400 Millionen Dollar Militärhilfe von Ermittlungen gegen Biden abhängig gemacht, habe eine fremde Macht dazu aufgefordert, sich in die amerikanischen Wahlen einzumischen. Darum, und weil er die Aufklärungsarbeit des Kongresses behindert habe, gehöre er impeached, finden sie.

John Bolton hat das Verfahren aufgemischt – sagt er aus?

Trumps Verteidiger wiederum behaupten, dass es ihm lediglich darum gegangen sei, die Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Und da Joe Bidens Sohn Hunter Biden bei der als korrupt geltenden ukrainischen Gasfirma Burisma im Aufsichtsrat saß, als sein Vater Vizepräsident war, habe Trump doch allen Grund gehabt, sich dafür zu interessieren. Die Argumente werden dabei flexibel angewandt: Mal heißt es, das sei doch normale Außenpolitik - "So what?", kein Grund zur Aufregung. Dann wieder heißt es: Ein "Quid pro quo" habe es aber nicht gegeben. Alles, was die Anklage dazu vortrage, resultiere aus "Hörensagen", keinen einzigen Zeugen habe die Anklage vorweisen können, der das selbst von Trump persönlich gehört habe, argumentieren Trumps Leute.

Doch seit Auszüge eines noch unveröffentlichten Buchmanuskripts von Trumps ehemaligem Nationalen Sicherheitsberater John Bolton an die Öffentlichkeit durchgestoßen wurden, gibt es zumindest theoretisch diesen Zeugen. Bolton schreibt nach Angaben der "New York Times", dass er dies persönlich so von Trump gehört habe. Der bestreitet das.

Bolton hat das Verfahren aufgemischt. Nur: Ob er im Senat aussagen wird, ist offen. Beziehungsweise: Es liegt an der Handvoll republikanischer Abweichler. Ob vier von ihnen am Freitag mit den Demokraten für weitere Zeugen stimmen, ist die meist diskutierte Frage rund um das Kapitol. Die Republikaner stellen 53, die Demokraten 47 Senatoren.

Dass alle Republikaner auf Linie bleiben, dafür wirbt Alan Dershowitz wortgewaltig. Der 81-jährige emeritierte Juraprofessor aus Harvard, der sich in seiner langen Karriere als Strafverteidiger selten scheute, umstrittene Mandate anzunehmen - so vertrat er beispielsweise den wegen Mordes angeklagten Ex-Footballprofi O. J. Simpson und zuletzt den Millionär Jeffrey Epstein, der wegen diverser Sexualverbrechen angeklagt war -, ist im Team des Präsidenten wohl der größte Star.

Und er setzt seine Erfahrung ein: Am Montag hat er ausführlich juristisch zu begründen versucht, warum, selbst wenn Boltons Schilderung stimme, dies kein Problem sei. Machtmissbrauch sei eben kein legitimer Grund für ein Impeachment. Es ist eine Meinung, die nicht viele Verfassungsrechtler teilen werden.

Die Demokraten nennen Trumps Amtsverständnis "absolutistisch"

Am Mittwoch geht er noch einen Schritt weiter. Ted Cruz, der texanische Republikaner, selbst Harvard-Absolvent, hat ihn gefragt, ob die Frage eines "Quid pro quo" überhaupt eine Rolle spiele, denn so etwas geschehe doch regelmäßig in der Außenpolitik. Dershowitz nutzt die Gelegenheit, um das "So what" auf die Spitze zu treiben. Viele Politiker würden ihre Wahl mit dem Wohl des Landes gleichsetzen. Selbst wenn daher der Präsident an seine Wiederwahl gedacht habe, wenn er also etwas getan habe, dass ihm dabei helfe, sei das nicht verwerflich. Auf keinen Fall sei dies ein Grund für die Amtsenthebung eines Präsidenten.

Das Kuriose ist, dass die Demokraten seit Tagen Trumps Amtsverständnis als "absolutistisch" geißeln: Er glaube, als Präsident über dem Recht zu stehen. Wer Alan Dershowitzs Beschreibung der präsidentiellen Machtfülle zuhört, den könnte der Gedanke beschleichen, dass der Star-Jurist das letztlich genau so sieht.

Die große Frage ist nun, ob Dershowitz und seine Kollegen es bis Freitag schaffen, die potenziellen Abweichler unter den Republikanern zu überzeugen. Wenn nicht, und das hat die Verteidigung mehrfach drohend an die Wand gemalt, warten noch viele Stunden Schweigearbeit auf die Senatoren. Die Vorfreude darauf dürfte begrenzt sein. Denn am Ende, weil es eine Zweidrittelmehrheit für eine Verurteilung braucht, dürfte der Prozess mit einem Freispruch für Trump enden.

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