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New Yorks Gouvernor Andrew Cuomo.

© AFP

Impeachment-Untersuchung gegen New Yorks Gouverneur: Der Fall des Anti-Trump

Der Demokrat Andrew Cuomo galt als Anwärter fürs Weiße Haus. Mehrere Frauen werfen ihm Mobbing und sexuelle Belästigung vor – verliert er sein Amt?

Die USA haben 50 Bundesstaaten, doch nur wenige ihrer Gouverneure – das Amt entspricht dem Ministerpräsidenten eines deutschen Bundeslandes – sind in Europa bekannt. Bei Andrew Cuomo ist das anders. Er regiert den Staat New York bereits in seiner dritten Amtszeit.

Der Demokrat galt als hartnäckiger Widersacher des republikanischen Präsidenten Donald Trump. Und er stammt aus einer prominenten Politikerfamilie. 13 Jahre war der 63-Jährige mit Kerry Kennedy verheiratet, einer Tochter des 1968 ermordeten Robert Kennedy. Sein Vater Mario war von 1983 bis 1994 Gouverneur von New York; sein jüngerer Bruder Chris ist ein bekannter CNN-Moderator.

Umso tiefer wirkt der Sturz, der ihm nun droht. Am Donnerstag hat der Landtag die Voruntersuchung für ein Impeachment eingeleitet. Mindestens 40 Prozent der Abgeordneten seiner Partei im Landtag fordern seinen sofortigen Rücktritt, nachdem mehrere Frauen ihm Mobbing und sexuelle Belästigung vorgeworfen haben.

Rücktritt sofort. Oder lange Untersuchung, damit die Opfer Gehör finden

Die Demokraten, die statt des Rücktritts erstmal eine Untersuchung der Anschuldigungen unterstützen, tun das laut „Washington Post“ weniger, weil sie ihm die Gelegenheit zur Rehabilitierung geben wollen – Cuomo bestreitet die Vorwürfe. Vielmehr möchten sie erreichen, dass die Frauen öffentlich angehört werden.

In den vergangenen vier Jahren galt Cuomo als wirkungsvoller Gegenspieler Trumps, inhaltlich und vom Charakter her. Seine Corona-Strategie basierte auf Fakten und wissenschaftlichem Rat. Er zeigte Mitgefühl und Anstand und berief sich dabei auf das Gespräch mit seinen Töchtern, die an der Trump-Welt leiden und auf ein besseres Amerika hoffen, das sich an Werten orientiert. US-Medien handelten ihn als Anwärter auf das Weiße Haus.

Manipulierte Todeszahlen, unerwünschte Berührungen

Es hat eine pikante Note, dass Cuomo sich erst Wochen, nachdem Trump die Macht verloren hat, selbst Rücktrittsforderungen und einem Impeachment stellen muss. Zunächst wurde seine Regierung Mitte Februar beschuldigt, die Statistik der Coronaopfer in Altersheimen manipuliert zu haben, um besser da zu stehen. Sie habe eine geringere Zahl angegeben, als es der Wahrheit entspricht.

40 Prozent der Demokraten im Landtag fordern Cuomos Rücktritt.
40 Prozent der Demokraten im Landtag fordern Cuomos Rücktritt.

© AFP

Ende Februar warf ihm eine ehemalige Mitarbeiterin, Lindsey Boylan in einem Essay für das Portal „Medium.com“ vor, ihr auf dem gemeinsamen Rückflug von einer Dienstreise im Oktober 2017 anzügliche Avancen gemacht zu haben. „Let’s play strip poker“, habe er ihr in Anwesenheit zweier weiterer Mitarbeiter vorgeschlagen. Sie habe sarkastisch reagiert, schreibt Boylan.

Sie hat von 2015 bis 2018 für Cuomo gearbeitet. Im Verlauf dieser Zeit habe Cuomo gesagt, dass er für sie schwärme, es mehrfach darauf angelegt, sie mit der Hand am Rücken, an den Armen und den Beinen zu berühren und sie 2018 ohne ihr Einverständnis geküsst.  Sie habe sich entschlossen, den „unangenehmen Vorfall öffentlich zu machen“, nachdem eine andere Frau ihr ebenfalls über unerwünschte Kommentare und Annäherungsversuche berichtet hatte.

Fragen nach Sex mit älteren Männern

Wenige Tage darauf meldete sich die 25-jährige Charlotte Bennett bei der „New York Times“. Cuomo habe sie im Herbst 2020 nach ihrem Sexleben gefragt, ob sie schon einmal Sex mit einem älteren Mann gehabt habe und ob der Altersunterschied eine Rolle in einer romantischen Beziehung spiele. Sie habe das als eindeutige Aufforderung verstanden, mit ihm zu schlafen, was sie nicht wollte. Sie nahm an, dass sie die Arbeit für ihn beenden müsse, und meldete das Gespräch seinem Stabschef. Sie wurde versetzt und verließ den Landesdienst im November.

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Eine dritte Frau, Anna Ruch, 33, hat nicht für Cuomo gearbeitet. Sie sagt, sie habe ihn auf einer Hochzeit im September 2019 getroffen und auf seine Rede angesprochen. Er habe seine Hand auf ihre nackte Haut im Rückenausschnitt ihres Kleides gelegt; sie habe die Hand weggestoßen, worauf er fragte, warum sie so aggressiv reagiere und ob er sie küssen dürfe. Sie sei verärgert und wortlos weggegangen. Es habe sie schockiert, dass Cuomo offenbar meine, sich straflos so verhalten zu können.

Am vergangenen Wochenende berichteten zwei weitere Frauen, die in früheren Jahren für ihn gearbeitet haben, ebenfalls über Mobbing und sexuelle Belästigung: Karen Hinton in der „Washington Post“ und Ana Liss im „Wall Street Journal“.

Die sechste Frau möchte Cuomo nicht belasten

Mit besonderer Neugier wird in New Yorks Hauptstadt Albany jetzt der Fall einer sechsten Frau diskutiert, die nicht namentlich bekannt ist. Sie hat ausdrücklich gesagt, dass sie Cuomo nicht beschuldigen wolle. Aber da sie sich einer weiteren  Person anvertraut hat und die lokale „Times Union“ berichtete, sind die Vorwürfe nun bei der Polizei gelandet. Cuomo habe ihr bei einer Besprechung zu zweit in seiner Dienstvilla unter die Bluse gefasst. Das könnte ein Offizialdelikt sein, das auch ohne Anklage durch die Betroffene verfolgt wird.

Alle diese Fälle beschäftigen auch die Untersuchungskommission, die Cuomo unter Leitung der Generalstaatsanwältin des Staats New York, Letitia James, einberufen hatte, als die ersten Vorwürfe bekannt wurden.

Cuomo sagt, er habe keine der Frauen bewusst bedrängt oder gemobbt. Berührungen, kurze Umarmungen und Begrüßungsküsschen gehörten zu einem üblichen Verhalten. Er weist die Rücktrittsforderungen zurück, erklärt die Beschuldigungen mit Manövern von Parteimitgliedern, die um politische Ämter rangeln, und möchte seine Rehabilitierung erreichen. Kommentatoren vermuten, er wolle Zeit gewinnen.

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