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US-Präsident Donald Trump missachtet die Gewaltenteilung.

© Leah Millis/REUTERS

Impeachment gegen US-Präsidenten: Trump müsste für viel mehr Vergehen angeklagt werden

Die Anklage gegen Trump sollte sich nicht auf die Ukraine-Affäre beschränken. Denn der US-Präsident verletzt regelmäßig die Verfassung. Ein Kommentar.

Elizabeth Drew ist Journalistin in Washington und Verfasserin des neuen Buchs "Washington Journal: Reporting Watergate and Richard Nixon's Downfall" 

Auch wenn US-Präsident Donald Trump das Impeachment-Verfahren seit Monaten verspottet, wollte er es doch auf keinen Fall haben. Kein Präsident will das, da so etwas immer ein schmutziger Fleck auf seiner Weste ist. Und Trump wurde wohl noch nie in seinem Leben wirklich zur Verantwortung gezogen. Seit das von den Demokraten dominierte Repräsentantenhaus aktiv wurde, kocht er seit Wochen mehr oder weniger vor Wut.

Aber trotz all der Kommentare über die „Tragweite“ der Impeachment-Entscheidung des Hauses wirkt der Anlass irgendwie blutleer. Der Grund dafür ist meiner Ansicht nach, dass die Anklagen dem Umfang und der Schwere von Trumps Verletzungen seines Amtseids so gar nicht gerecht werden.

Diese Verletzungen sind mannigfaltig: Trump hat die Gewaltenteilung, die für das System der US-Verfassung so zentral ist, systematisch ignoriert.

Beispielsweise ärgerte er sich darüber, dass der Kongress ihm sämtliche Mittel verweigerte, die er für seine utopische Mauer entlang der Grenze zu Mexiko haben wollte. Also hat er das Geld einfach aus Mitteln abgezweigt, die der Kongress eigentlich für das Verteidigungsministerium vorgesehen hatte.

Außerdem hat Trump das verfassungsrechtlich geregelte Verbot von Nebeneinkünften missachtet – in Form von Geld oder persönlichen Vorteilen durch fremde Regierungen, die – teils in extravagantem Umfang – in seinen vielen Hotels und Golfclubs Geschäfte machen. Und er fand auch noch weitere Möglichkeiten, seine Präsidentschaft zu versilbern.

Günstlingswirtschaft in Reinform

Darüber hinaus hat er versucht, befreundete Unternehmen mit staatlichen Ausschreibungen zu versorgen – oder solche, die er nicht mag, davon auszuschließen, wie zum Beispiel Amazon, dessen Gründer Jeff Bezos auch Eigentümer der Washington Post ist. Und laut dem Bericht von Sonderermittler Robert Mueller hat Trump versucht, die Untersuchungen zu den Verbindungen seines Wahlkampfteams mit Russland zu behindern.

Aber da eine Regel des Justizministeriums aus der Zeit der Präsidentschaft von Richard Nixon die strafrechtliche Anklage eines amtierenden Präsidenten verhindert, hat Mueller den Kongress geradezu angefleht, gegen Trump aufgrund von zehn konkreten Handlungen ein Impeachment-Verfahren zu eröffnen.

Im Regen stehengelassen? US-Präsident Trump reagiert auf das Impeachment vor allem wütend. (Archivfoto)
Im Regen stehengelassen? US-Präsident Trump reagiert auf das Impeachment vor allem wütend. (Archivfoto)

© REUTERS

Verglichen mit dieser Liste – die wahrscheinlich noch unvollständig ist – wirken die zwei Impeachment-Anklagepunkte des Machtmissbrauchs und der Behinderung des Kongresses auf viele wie lauwarmes Bier.

Am 25. Juli 2019 hat Trump versucht, Wolodimir Selenski, den neu gewählten Präsidenten der Ukraine, dazu zu zwingen, eine staatliche Untersuchung über Joe Biden durchzuführen, eines demokratischen Kandidaten für die Wahl von 2020 – und gegen seinen Sohn Hunter, der sich, während sein Vater US-Vizepräsident und zuständig für die US-Politik in der Region war, ungeschickterweise in den Vorstand eines ukrainischen Gaskonzerns berufen ließ.

Im Mittelpunkt dieses Anklagepunktes stand, dass Trump dadurch, dass er vom Kongress genehmigte Militärhilfen gegen die von Russland angegriffene Ukraine zurückhielt, seine Regierungsposition ausnutzte, um sich selbst Vorteile zu verschaffen.

Diktatorisches Verhalten

Die zweite Anklage gegen Trump erfolgte wegen „Behinderung des Kongresses“ – also dafür, dass er es seinen Beratern pauschal verbot, über die Ukraine-Affäre vor dem Kongress auszusagen und den Kongressermittlern jegliche gewünschten Dokumente auszuhändigen. Kein Präsident vor ihm, noch nicht einmal Nixon, hat sich jemals so diktatorisch verhalten.

Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, hat sich lang gegen ein Impeachment gewehrt – aus Angst, es könne Trumps Unterstützer für die Präsidentschaftswahl von 2020 mobilisieren. Außerdem fürchtete sie, das Verfahren könne die Kontrolle der Demokraten über das Haus gefährden, dessen Mitglieder im nächsten Jahr ebenfalls neu gewählt werden.

Um die Mehrheit und ihre eigene Position als Sprecherin zu sichern, kann sie es sich nicht leisten, viele der 41 Demokraten zu verlieren, die bei den Zwischenwahlen von 2018 ehemals republikanische Sitze übernehmen konnten – Sitze aus Bezirken, die Trump 2016 noch gewonnen hatte.

Aber als Trumps Verhalten gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Selenski ans Licht kam, geriet Pelosi unter immer stärkeren Druck der demokratischen Fraktion im Haus, eine Impeachment-Untersuchung zu eröffnen.

Sie und ihr enger Verbündeter Adam Schiff, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, der sich ebenfalls gegen ein Impeachment eingesetzt hatte, kamen nun zu dem Schluss, Trumps Zurückhaltung der genehmigten Militärhilfe für die Ukraine habe die nationale Sicherheit gefährdet.

Die Erpressung der Ukraine trifft auf Verständnis

Außerdem glaubten sie, dies sei ein Thema, das in der Öffentlichkeit auf Verständnis stoßen könnte. Darüber hinaus sind einige der demokratischen Neueinsteiger, die von Pelosi und anderen rekrutiert wurden, Veteranen des Militärs oder der CIA.

Die demokratische Parteiführung glaubte, solche Kandidaten hätten in republikanischen Bezirken bessere Gewinnchancen, und damit lag sie, wie es sich herausstellte, richtig. Und obwohl diese Neueinsteiger sich gegen ein Impeachment ausgesprochen hatten, konnten sie sich doch mit dem Bezug zur nationalen Sicherheit identifizieren.

Aus diesen Gründen wurden Trumps ukrainische Betrügereien zur Basis für die Anklage gegen ihn. Bei den Anhörungen, die Schiff zu diesem Thema durchführte, bestätigten viele Regierungsmitarbeiter, die sich über Trumps Schweigebefehl hinwegsetzten, die offizielle Ukraine-Politik der USA sei durch einen außenpolitischen

Alleingang unter der Leitung von Trumps privatem Anwalt, dem ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani, umgangen worden. Zu den dabei verbreiteten Mythen gehörte auch eine vom Kreml veröffentlichte Falschmeldung, die Ukraine habe sich in die Wahlen von 2016 eingemischt, um Hillary Clinton zu helfen.

Die Anklage sollte sich nicht auf die Ukraine-Affäre beschränken

Viele, darunter auch ich, glauben, die Anklage gegen Trump sollte sich nicht nur auf die Ukraine-Affäre beschränken. Man könnte glauben, die Anführer der Demokraten im Repräsentantenhaus hätten es nicht geschafft, die wahre Natur von Trumps Präsidentschaft zu erkennen, und taktisch betrachtet wäre es sowieso besser, die Republikaner angesichts ihrer sektenartigen Unterstützung Trumps dazu zu zwingen, ihn zu mehr als einem Thema in Schutz zu nehmen. Aber Pelosi ist nicht zufällig Sprecherin des Hauses: Sie kennt ihre Fraktion, und die neuen Mitglieder wollten eng umrissene Gründe für die Anklage, die sie ihren Wählern leicht erklären können.

Für Pelosi, Schiff und ihre Verbündeten ist die Zeit ein wichtiger Faktor: Sie wollten nicht, dass sich das Impeachment und das nachfolgende Senatsverfahren zu weit ins Präsidentschaftswahljahr erstreckt. Öffentlich betonte Schiff, es sei wichtig, Trump davon abzuhalten, erneut einem oder mehreren fremden Staaten eine Einmischung in eine Präsidentschaftswahl zu ermöglichen.

Trump will schnell ein Verfahren - aus Sorge vor neuen Enthüllungen?

Aber fast nichts, was Trump betrifft, verläuft problemlos: Nachdem die beiden Anklagepunkte des Impeachment-Verfahrens festgelegt wurden, kündigte Pelosi an, sie werde sie zurückhalten, anstatt sie, wie traditionell üblich, an den Senat zu übermitteln – wo der Mehrheitsführer Mitch McConnell angekündigt hatte, er werde sich einem Impeachment Trumps widersetzen und bei der Inszenierung des Verfahrens mit dem Weißen Haus gemeinsame Sache machen.

[Aus dem Englischen von Harald Eckhoff. Copyright: Project Syndicate, 2019. www.project-syndicate.org]

Pelosi hatte gehofft, die Verfahrensregeln des Senats beeinflussen zu können. Angesichts dessen, dass sich McConnell und sein demokratischer Kollege Charles Schumer nicht einigen konnten, ging der Kongress auseinander, ohne einige wichtige Fragen über das Senatsverfahren geklärt zu haben – darunter auch den wichtigen Punkt, ob Zeugen aufgerufen werden dürfen.

McConnells Spielraum ist allerdings begrenzt, weil Trump dringend – und bald – ein Verfahren haben will. Da, um ihn schuldig zu sprechen und seines Amtes zu entheben, eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist, geht der Präsident davon aus, freigesprochen zu werden. Aber je mehr Zeit bis zu einem Verfahren im Senat vergeht, desto eher ist es möglich, dass neue und explosive Enthüllungen ans Licht kommen.

Elizabeth Drew

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