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Im Seniorenheim «Haus am Schwanenberg» in Schwanewede erhält eine Bewohnerin eine Impfung gegen das Coronavirus.

© Marcus Braun/Landkreis Osterholz/dpa

Immunisierung gegen Corona: Impfchaos in Deutschland? So mickrig ist die Rate nicht

Die deutsche Impfrate liegt bei 0,29. Aber in Frankreich können die Geimpften fast namentlich erwähnt werden. Anderswo stöhnen Ärzte, dass es gar nicht losgeht.

Die Kritik an der Impfstrategie der Bunderegierung wird nicht gerade mit dem Florett ausgetragen – der Holzhammer ist eher das Mittel der Wahl in der rhetorischen Auseinandersetzung: Vom „Impf-Versagen“ spricht die FDP, „chaotische Zustände“ beklagt die SPD. Kanzlerin Angela Merkel höchstselbst – das fordern immer mehr – solle sich der Sache endlich annehmen.

Tatsächlich sind hierzulande nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bislang erst knapp 265.000 Menschen geimpft, es kommen etwa 22.000 jeden Tag hinzu. Die Impfrate liegt damit aktuell bei 0,29 Prozent pro 100 Einwohner. Das klingt mickrig. Und doch liegt Deutschland mit seiner Impfgeschwindigkeit so schlecht dann doch nicht, wie ein internationaler Vergleich zeigt. Es gibt viele vergleichbare Länder, die weit schlechter dastehen – aber auch Top-Staaten, von denen Deutschland etwas lernen könnte.

Israel impft schon fast zu schnell

Israel gilt international als Impf-Musterschüler:

  • Mehr als 1,22 von gut 8,8 Millionen Israelis hatten am Montag bereits die erste von zwei Dosen erhalten. Das entspricht knapp 14 Prozent.
  • Schließlich impft das Land mit rasender Geschwindigkeit – 150.000 Dosen werden pro Tag verabreicht, lediglich am Wochenende sind es „nur“ 70.000.
  • Und dabei handelt es sich nicht nur um die Hochbetagten. Etwa 45 Prozent der Menschen über 60 wurden bereits einmal gepikst.
  • Bis zum nächsten Wochenende sollen bereits mehr als zwei Millionen Israelis die erste Biontech-Dosis erhalten haben, die meisten von ihnen ältere Menschen und solche mit Vorerkrankungen.
  • Bis Ende Januar ist demnach die Zwei-Dosen-Impfung für diese Gruppe bereits abgeschlossen.

Dennoch könnte damit sogar der Impf-Musterschüler schon bald vor seinem ganz eigenen Problem stehen: Das Land impft nämlich so schnell, dass selbst die vier bis fünf Millionen Dosen an Impfstoff bis Ende des Monats schon wieder knapp werden könnten; das Gesundheitsministerium warnt bereits vor Lieferengpässen. Zwar hat die Regierung sechs Millionen Dosen des Moderna-Impfstoffes bestellt. Doch der Stoff wird nicht vor April erwartet.

Großbritannien mit Astrazeneca beim Impfen vorne

Großbritannien war das erste Land der Welt, das die Verwendung des Biontech-Pfizer Impfstoffes genehmigte. Die Impfungen laufen bereits seit dem 8. Dezember. Bis zum 1. Januar wurden so laut Gesundheitsminister Matt Hancock mehr als eine Millionen Dosen verabreicht.

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Die Impfquote liegt bei 1,39 Dosen pro 100 Leuten. Und damit steht das Königreich erst am Anfang. Jetzt, da die Impfungen mit Astrazeneca begonnen hat, dürfte die Impfgeschwindigkeit sogar zusätzlich an Fahrt aufnehmen. Denn allein nur von Astrazeneca sollen diese Woche 530.000 Dosen verabreicht werden.

Die zu erwartende Beschleunigung hängt auch damit zusammen, dass der Oxford-Impfstoff nicht so wie der von Biontech bei Minus 70 Grad Celsius gelagert werden muss, sondern ganz normal gekühlt wird. Dadurch wird die großflächige Verteilung leichter.

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USA bleiben hinter „Operation Warp Speed“ zurück

Die USA haben vor zwei Wochen die größte Impf-Kampagne der US-Geschichte gestartet – mit vollmundigen Worten. Mit der sogenannten „Operation Warp Speed“ sollten eigentlich schon bis Silvester 20 Millionen Menschen geimpft sein.

Angesicht dessen sieht die Realität eher enttäuschend aus. Es wurden für das Land mit einer Bevölkerung von knapp 330 Millionen überhaupt nur 14 Millionen Impfdosen produziert und landesweit an Kliniken und Gesundheitszentren verteilt. Im Ergebnis wurden so bisher auch nur schätzungsweise drei Millionen Menschen geimpft. Die Quote liegt bei 1,28 pro 100 Einwohnern.

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Die „New York Times“ geht in einem deftigen Kommentar davon aus, dass unzählige Impfdosen wohl das Verfallsdatum überschreiten, bevor sie injiziert werden können - während gleichzeitig die Zahl der Corona-Toten im Land steige und Krematorien durch die vielen Leichen überlastet seien.

Die Zeitung kritisiert, das Erklärungsmuster dahinter erscheine vertraut: Unzureichende Koordination auf Bundesebene, zu wenig finanzielle und logistische Unterstützung in den Bundesstaaten und vor Ort, führten zu einer Kette von vermeidbaren Fehlern und unnötigen Verzögerungen.

Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, bei seiner Neujahrsansprache
Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, bei seiner Neujahrsansprache

© Stephane De Sakutin/AFP/dpa

Nur 352 Geimpfte in Frankreich

Noch düsterer sieht es in Frankreich aus: Dort hätten die Geimpften am Jahresende noch namentlich gezählt werden können: Gerade einmal 352 Menschen hatten in dem 67 Millionen Einwohner zählendem Nachbarland bis Silvester ein Vakzin erhalten. „Eile“, betonte die Regierung vornehm, wolle man nicht mit „Geschwindigkeit“ gleichsetzen.

Erst jetzt will Präsident Emmanuel Macron doch mehr Tempo machen und gegen „ungerechtfertigte Langsamkeit“ vorgehen. Was damit gemeint sein soll, oder wer dafür verantwortlich sein soll, ließ er zwar offen. Aber immerhin hat der Impfstart für die Beschäftigten im Gesundheitswesen, die älter als 50 sind, jetzt am Samstag und somit eine Woche früher als geplant begonnen.

Bis Ende Januar sollen dann eine Million Menschen eine Impfung erhalten haben. Aber: Um dieses Ziel auch wirklich zu erreichen, müssten rechnerisch jeden Tag mehr als 32.000 Leute eine Impfung erhalten. Fraglich ist, wie das logistisch bewerkstelligt werden soll – es gibt noch nicht einmal Impfzentren.

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Kein einziger Geimpfter in den Niederlanden

Impfzentren sucht man auch in den Niederlanden vergeblich. Dort ist der Impfstart im europäischen Vergleich besonders schleppend verlaufen: Nicht ein einziger Mensch ist geimpft worden. Um zumindest etwas Geschwindgeit aufzunehmen, könnte die erste Immunisierung zumindest ein paar Tage vorverlegt werden und nicht erst am 8. Januar starten.

Auf Twitter kursiert eine Petition, die einen früheren Beginn der Impfung von Mitarbeitern im Gesundheitswesen fordert. Sie wurde innerhalb von 24 Stunden mehr als 12.000 Mal unterzeichnet. Doch Gesundheitsminister Hugo de Jonge betont, dass ein früherer Beginn „von der Umsetzung her“ nicht möglich sei.

Doch Diederik Gommers, Vorsitzender der niederländischen Vereinigung für Intensivpflege NVIC, betont, dass die Krankenhäuser durchaus in der Lage seien, den Biontech-Impfstoff bei Minus 70 Grad Celsius zu lagern. Er sei aber trotzdem bisher in keinem Krankenhaus angekommen. Gommers kommentiert die Lage in den Niederlanden inzwischen nur noch mit Zynismus. Weil die Regierung es nach seinen Wort nicht schafft, den Impfstoff aus dem Lager in die Spitäler zu bringen, hat er jetzt ein Angebot gemacht: Zur Not will er sich selbst hinter das Steuer eines LKW klemmen.

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