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Das Atelierhaus Mengerzeile in Berlin-Treptow im Sommer 2014.

© Thilo Rückeis

Immobilien in Berlin: Wie ein Investor ein Atelierhaus rettete

Das Atelierhaus Mengerzeile wurde 2013 an einen Investor verkauft und steht noch heute, dank der Künstler – und dem Investor selbst.

Ihr Tipp an alle vom Immobilienboom bedrohten Mieter innerstädtischer Atelierflächen: Nicht ausziehen! Und schon gar nicht aufgeben. Und die laufenden Kunstprojekte am besten nachts erledigen, weil man sich am Tag mit Anwälten, Bankleuten, Senatsbeamten, Handwerkern und Architekten herumschlagen muss. Sechs Jahre lang haben sie für ihr Atelierhaus gekämpft, Ilona Ottenbreit und Eva Noack, am Wochenende feiern sie die Wiedereröffnung.

Das Atelierhaus Mengerzeile in Alt-Treptow war mal eines dieser ungestümen Kinder der Wendezeit, die nicht erwachsen werden wollten. 38 Künstler arbeiteten in einem ehemaligen Schallplattendepot, das mal eine Pianofabrik war, und seine schadhaften Backsteinmauern, Kopfsteinpfützen und windschiefen Schornsteine trotzig der neuen Zeit entgegen stellte.

2013 schien das Ende dieses Idylls an der ehemaligen Sektorengrenze gekommen zu sein. Der Eigentümer hatte an eine Immobilienfirma verkauft. Was nun passieren würde, war allen klar. Entmietung, Grundsanierung, Eigentumswohnungen.

Christoph ist gekommen, der Mann von der Immobilienfirma, man duzt sich. An der verglasten Eingangstür hängt das Plakat zur Wiedereröffnung des Atelierhauses am 21. September, aber irgendwie passt das das hier nicht hin.

Ein farbloser Neubau, Wohn- und Geschäftshaus am Blockrand, mit glatten, geordneten Klingelschildern, niemand würde hinter dieser Fassade ein Atelierhaus vermuten. „Vielleicht kann man was drübertaggen“, sagt Christoph, spannt einen imaginären Schriftzug zwischen seinen Händen und grinst. Christoph – ausgebeulte Jeans, blauer Pulli, Hände in den Hosentaschen – macht vor jedem ernsten Satz mindestens fünf ironische Sprüche, das ist so seine Art.

Erst gegen, dann mit dem Investor

Von der wilden Kunstspielwiese zwischen alten Fabrikhallen und Trabigaragen ist kaum noch etwas übrig. Die ehemalige Kunsthalle M3 mit der Riesenameise als Fassadenschmuck musste dem Neubau weichen, die Freiflächen im Hof sind erheblich geschrumpft, man müsste das ehemalige Alternativquartier eigentlich für tot erklären, aber Eva und Ilona, die hier seit 2006 arbeiten, würden dem vehement widersprechen. Sie haben erst gegen, dann mit dem neuen Eigentümer Christoph Höhne für die Rettung des Atelierhauses gekämpft. Die morbid-antike Szenerie haben sie verloren, aber die Ateliers sind noch da.

38 Arbeitsräume für Künstler, genauso viele wie vor der Sanierung. Der Hauptgewinn ist der Mietvertrag: 23 Jahre Laufzeit, Kaltmiete 5,90 pro Quadratmeter plus Inflationsausgleich. Ein sensationelles Schnäppchen.

Wer ist der neue Eigentümer?

„Eigentlich ist das hier nur ein Psycho-Instrument, so ’ne Art Truman-Show, die Kameras übertragen alles live nach Asien.“ Christoph haut wieder einen Spruch raus. Nach vier weiteren im Atelier von Eva Noack öffnet er für kurze Zeit ein Fenster in sein Leben: Bürgerliches Elternhaus in Ravensburg, Banklehre in München, dann der Ausbruchsversuch.

Christoph geht nach Berlin, will teilhaben an der legendären Partyhauptstadt mit ihrer verrückten Subkultur Er beginnt ein Philosophiestudium. „Philosophie“, ruft Ilona ungläubig dazwischen. Davon wusste sie noch gar nichts. Dauerte auch nur bis zur Zwischenprüfung.

Die bürgerliche Prägung schlägt wieder durch. Christoph wechselt zu den Ökonomen. Das Diplom besteht er, als Berlin gerade im Bankenskandal versinkt. In Immobilien, zumal im Osten, will niemand mehr investieren. Christoph tut’s trotzdem. Ein Haus in Nauen kann er für 15 000 Euro kaufen, die Jahresmiete bringt 10 000 Euro. Das scheint ihm, trotz der schlechten Stimmung am Markt, doch ein solides Geschäft zu sein.

Eine Stiftung soll übernehmen

An das Atelierhaus kommt er auch eher zufällig. Sein Vorgänger hatte das Haus von seiner Mutter geerbt und fand die Künstlergemeinschaft, die er mitgeerbt hatte, höchst suspekt. In anonymen Mails – so erzählt es Christoph – bot er das Haus diversen Investoren zum Kauf an. Christoph antwortete und erhielt nach sechs Monaten ein konkretes Angebot.

Besichtigen konnte er das Haus nicht, die Künstler verweigerten ihm den Zutritt. Christoph kaufte trotzdem, der Preis war günstig, „die Lage okay“. Was er mit dem Haus vorhatte? „Es gab keinen Plan.“

Das war der entscheidende Punkt. Anders als Christoph hatten die Künstler ein klares Ziel: das Atelierhaus schonend sanieren und erhalten. Christoph signalisierte, dass er das Haus auch wieder verkaufen würde, weit unter Marktpreis, aber immer noch mit Gewinn. „Ich bin ja nicht hierher gezogen, um das Berlin zu beerdigen, das ich hier ausgiebig erlebt habe“, sagt er. Die Vielfalt der Lebensformen in Berlin findet er reizvoll. Er sei kein Kunstsammler, kein -mäzen, allenfalls -konsument, mit einer Jahreskarte fürs Potsdamer Palais Barberini.

Künstler im Atelierhaus Mengerzeile in Alt-Treptow, Berlin.
Künstler im Atelierhaus Mengerzeile in Alt-Treptow, Berlin.

© Mike Wolff

Profit machen und expandieren, die Credos der großen Immobilienhaie, teilt Christoph nur im Ansatz. Seine Firma Argos hat inzwischen 25 Mitarbeiter. Die Wohnungen, die er baut, verkauft er an befreundete Investoren, die sie dann vermieten. Die Homepage von Argos ziert ein Zitat des US-Telefonunternehmers Alexander Bell: „Geh nicht immer auf dem vorgezeichneten Weg, der nur dahin führt, wo andere bereits gegangen sind.“

[Das Atelierhaus Mengerzeile, Mengerzeile 1-3, lädt zur Reopening Party am Samstag, 21. September. Ab 14 Uhr Ausstellungseröffnung, ab 19 Uhr Livemusik und DJs.]

Gemeinsam suchen Ilona, Eva und Christoph nach einer Stiftung, die das Haus übernehmen könnte. Man wird fündig, einigt sich über den Preis. Die Verträge werden verhandelt, von allen abgesegnt, aber Christoph kennt die Fallstricke. Er pocht darauf, dass ein Nutzungsrecht des Künstlervereins im Grundbuch eingetragen wird. Die Stiftung lehnt das ab, die Übernahme platzt. Im zweiten Anlauf findet sich eine Bank, die den Kauf finanzieren will, aber eine Landesbürgschaft fordert.

Das Land würde auch gerne bürgen, aber die Richtlinien lassen das nicht zu. Die Künstler schnüren ein Ersatzpaket, bringen Sicherheiten bei, Christoph stundet Forderungen. Schließlich sagt die Bank zu – und dann doch wieder ab. Der Kampf scheint verloren.

Am Ende macht Christoph selber einen Vorschlag. Vier Etagen im Altbau können sie zu günstigen Bedingungen mieten, dafür wird die Kunsthalle abgerissen, auch der Club Amiga muss schließen. Der Kompromiss ist fair, finden die Künstlerinnen. Christoph habe sich an alle Abmachungen gehalten, die Mietverträge sind unterschrieben. Jetzt wird gefeiert. Nur an der Außendarstellung des Atelierhauses muss noch gearbeitet werden. Das kann so nicht bleiben.

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