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Wegen des Corona-Ausbruchs beim Fleischproduzenten Tönnies ist das Infektionsgeschehen im Landkreis immer noch hoch.

© David Inderlied/dpa

Immer mehr Landkreise melden Neuinfektionen: Eine Grafik zeigt, wie flächendeckend sich das Coronavirus ausbreitet

Bis Juni stieg die Zahl der Landkreise ohne 7-Tage-Neuinfektionen bis auf 143. Jetzt sind es nur noch 37. Das RKI nennt die Entwicklung „beunruhigend“.

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Immer mehr Landkreise in Deutschland melden wieder Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Aktuell haben lediglich 37 der insgesamt 401 Stadt- und Landkreise keine Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen registriert. Das Robert-Koch-Institut (RKI) nennt die Entwicklung in seinem täglichen Lagebericht „beunruhigend“. Eine weitere Verschärfung der Situation müsse unbedingt vermieden werden, heißt es.

Zwischen dem 26. März und dem 10. April gab es in allen Stadt- und Landkreisen Neuinfektionen, die Pandemie war in der Hochphase. Danach wurden die ersten Kreise „neuinfektionsfrei“.

Zwischen dem 10. April und dem 16. Juni stieg die Zahl der Landkreise ohne Neuinfektionen nahezu stetig an. Am 16. Juni waren ganze 143 Kreise ohne Neuinfektionen innerhalb von sieben Tagen, ein Rekordwert. An diesem Tag steckten sich 339 Menschen neu mit dem Coronavirus an.

Doch nach dem besten Wert am 16. Juni sackte die Zahl der „neuinfektionsfreien Kreise" wieder ab, innerhalb von zwei Tagen waren es statt 143 nur noch 122 Land- und Stadtkreise. Am folgenden Tag steckten sich Deutschlandweit 1069 Menschen neu an.

Die Entwicklung Mitte Juni hing mit dem Corona-Ausbruch beim Fleischbetrieb Tönnies im Kreis Gütersloh zusammen. Am 16. Juni wurden dort die ersten Tests durchgeführt, die Kurve der Neuinfektionen vor Ort schnellte rapide nach oben.

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In Folge des Ausbruchs in Gütersloh breitete sich das Virus auch in benachbarten Landkreisen aus. So lässt sich nachvollziehen, dass ein Hotspot, der nicht unter Kontrolle gebracht wird, ein Motor für das Infektionsgeschehen in einer ganzen Region sein kann.

Nach dem Knick Mitte Juni blieb die Zahl der Kreise ohne Neuinfektionen dann bei rund 127 stabil. Seit Anfang Juli werden es aber nahezu kontinuierlich weniger. Das bedeutet: Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus gehen wieder flächendeckend hoch.

Hier lohnt ein genauerer Blick auf die Deutschlandkarte: Stadt- und Landkreise ohne Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen finden sich aktuell meist in Bundesländern und Regionen, in denen das Infektionsgeschehen insgesamt weitgehend unter Kontrolle ist.

So etwa in Brandenburg – hier liegen sechs der aktuell 37 Landkreise ohne Neuinfektionen: Märkisch-Oderland, die Prignitz, Havelland, Brandenburg an der Havel, Oberspreewald-Lausitz und Cottbus. Die Zahl der Neuinfizierten in den vergangenen sieben Tagen liegt in Brandenburg insgesamt bei 58.

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In Niedersachsen liegen ebenfalls sechs „neuinfektionsfreie“ Landkreise: Wittmund, Ammerland, Nienburg/Weser, Goslar, Uelzen und Lüchow-Dannenberg. In den vergangenen sieben Tagen infizierten sich in Niedersachsen 461 Menschen neu.

Sechs weitere Landkreise ohne Neuinfektionen liegen in Thüringen. Insgesamt wurden dort in den letzten sieben Tagen 60 neue Fälle gemeldet.

Weniger Kreise ohne Neuinfektionen: NRW als Hotspot

In Nordrhein-Westfalen und Hessen gibt es dagegen keinen einzigen Landkreis ohne Neuinfektionen. Und auch in Hamburg, wo es einen Ausbruch in der Werft „Blohm und Voss“ gab, und in Berlin, wo am Montag die Schule wieder begonnen hat und Ausbrüche in Gaststätten bekannt wurden, breitet sich das Virus wieder stärker aus.

In NRW ist der besonders bevölkerungsstarke und vernetzte Ruhrpott ein Corona-Hotspot, im gesamten Bundesland haben sich in den vergangenen sieben Tagen 2508 Menschen neu infiziert. „In den vergangenen vier Wochen erfolgte ein Anstieg der Neuinfektionen auf ein mit Niveau, das in etwa mit Ende April vergleichbar ist“, wie eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums dem „Tagesspiegel“ sagte.

In Hessen stecken sich besonders in Frankfurt am Main – mit mehr als 750.000 Einwohnern die größte Stadt Hessens – und Umgebung die meisten Leute an. Die Zahl der Neuinfizierten der vergangenen sieben Tage liegt mit 642 aber deutlich unter der in NRW.

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Im Saarland, in Rheinland-Pfalz, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gibt auch es keinen einzigen Kreis, der keine Neuinfektionen in der vergangenen Woche registriert hätte. Jedoch gibt es in diesen Bundesländern keine Regionen mit besonders hohem Infektionsgeschehen wie in NRW. Stattdessen melden viele Landkreise einstellige Zahlen bei den Neuinfektionen, Kreise mit zweistelligen Neuinfektionszahlen gibt es in diesen Bundesländern aktuell wenige.

Das RKI führt solche kleineren Ausbrüche in seinem Lagebericht auf Familienfeiern und Freizeitaktivitäten zurück. Auch Ausbrüche an Arbeitsplätzen oder in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen können Ursprung einer Verbreitung des Coronavirus sein.

Ambivalente Entwicklung in Bayern

Interessant ist die Entwicklung in Bayern: Dort registrieren aktuell acht Landkreise keine Neuinfektionen – Bayern ist aber auch das Bundesland mit den meisten Kreisen in Deutschland (71 Landkreise und 25 kreisfreie Städte). Die Neuinfektionen in den einzelnen Kreisen bewegen sich meist im einstelligen Bereich – bis auf wenige Ausnahmen.

Die bayerischen Kreise Dingolfing-Landau mit 90 Neuinfizierten in den letzten sieben Tagen und der Ballungsraum München (Stadt) mit 134 Neuinfektionen fallen mit vergleichsweise hohen Zahlen auf. Der Grund: In Mamming in Dingolfing-Landau hatte es einen Corona-Ausbruch in einer Konservenfabrik und einem Gemüsehof mit insgesamt mehr als 400 infizierten Mitarbeitern gegeben.

Die Zahl der Corona-Infizierten in Mamming steigt weiter an.
Die Zahl der Corona-Infizierten in Mamming steigt weiter an.

© Sven Hoppe/dpa

Die umliegenden Landkreise weisen jedoch niedrige Zahlen auf, wie etwa Deggendorf mit vier neuen Fällen in der vergangenen Woche oder Straubing-Bogen mit einer Neuinfektion. In anderen Bundesländern wie NRW scheinen lokale Hotspots verstärkt auf benachbarte Kreise beziehungsweise kreisfreie Städte überzuschwappen. Woran liegt das?

Bei der Ausbreitung über die Landkreise hinweg spielten unter anderem die Bevölkerungszahl und die -dichte eine Rolle, sagte eine Sprecherin des Robert-Koch-Instituts dem „Tagesspiegel“. Dies erklärt die hohen Infektionszahlen in NRW und dem dicht besiedelten Ruhrgebiet. Und doch seien die Ursachen von mehreren Faktoren abhängig, so die RKI-Sprecherin.

So teilte das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium in Düsseldorf am Mittwoch mit, dass jeder vierte Neuinfizierte in NRW ein Reiserückkehrer ist. Allein am größten NRW-Airport Düsseldorf waren nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein am vergangenen Samstag 71 von gut 1850 Abstrichen im Testzentrum positiv.

Mehr Tests leuchten „Dunkelfeld“ zuvor unerkannter Infektionen aus

Ein weiterer Grund für die flächendeckende Ausbreitung des Coronavirus: „Seit etwa Mitte April zeigt sich eine Verlagerung des Infektionsgeschehens auf die jüngeren Teile der Bevölkerung“, wie eine Sprecherin des nordrhein-westfälische Gesundheitsministeriums sagte. Junge Menschen zeigen häufig keine oder leichte Symptome. Das Gesundheitsamt vermutet, dass durch die Ausweitung der Testungen „das Dunkelfeld früher unerkannter Infektionen inzwischen mehr ausgeleuchtet wird als zu Beginn der Pandemie.“

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens hatte am Dienstag sämtliche Corona-Verordnungen bis Ende August verlängert und zum Teil verschärft. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat sich in den vergangenen Tagen besorgt über die Entwicklung geäußert und die Bürger ermahnt, weiter die Abstands- und Hygienemaßnahmen einzuhalten.

Generell ist dem RKI zufolge eine Verschlimmerung der bundesweiten Lage weiterhin nur abzuwenden, wenn sich alle selbstverantwortlich an die bekannten Regeln halten: Abstand halten, Maske tragen, Innenräume lüften.

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