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Im Blick: Recht macht Krieg

Ein gestürzter Minister, eine neue Ministerin und ein neues Amt für eine alte – die Regierung handelt schnell, um das politische Feuer um den Luftschlag von Kundus auszutreten. Staatsanwälte brauchen länger. Womöglich treten sie es aber auch nicht aus, sondern fachen es erst richtig an.

Die Ermittlungen zu dem verhängnisvollen Bombardement prägen die Afghanistan-Politik schon jetzt. Zugleich stellt sich mit dem späten Bekanntwerden der Feldjäger-Unterlagen dringlich eine Frage, die kürzlich noch eher gelassen diskutiert wurde: Sind klassisch-zivile Strafverfolger die richtige Adresse, wenn Soldaten im Ausland Delikte begangen haben sollen?

Die Kundus-Ermittlungen zeigen, wie eine Akte von Behörde zu Behörde geschoben wird, ohne dass bis jetzt – und seit dem Angriff sind fast drei Monate vergangen – festgestellt wurde, ob ein Anfangsverdacht auf eine Straftat besteht und ein Verfahren eingeleitet werden muss. Erst haben sich Strafverfolger in Potsdam mit dem Fall befasst, dann in Leipzig, in Dresden und jetzt in Karlsruhe, bei Generalbundesanwältin Monika Harms, weil es sich um ein Kriegsverbrechen handeln könnte. Die Dokumente der Feldjäger sind nie in die Akte gelangt. Strafvereitelung? Jedenfalls hätten auch die Staatsanwälte wissen können, dass Feldjäger, also Militärpolizisten, bei Dienstvergehen von Soldaten im Ausland zu Ermittlungen befugt sind, es folgt aus der Wehrdisziplinarordnung. Haben sie ihre Auskunftsersuchen an das Verteidigungsministerium darauf gerichtet? Die Generalbundesanwältin will nach Auskunft ihres Sprechers zu Einzelheiten schweigen. Man prüfe „alle verfügbaren Unterlagen“, heißt es nur.

Welche Bedeutung das Ergebnis der Prüfung haben wird, ist absehbar: Die Karlsruher Behörde wird entscheiden, ob der für den Bombeneinsatz verantwortliche Oberst seinen Befehl in einem „bewaffneten Konflikt“ erteilt hat. Der – wahrscheinliche – Befund „Krieg“ würde die schwammige politische Rhetorik ersetzen. Auch wenn es weniger wahrscheinlich ist: Sollte es zu einem ersten spektakulären Ermittlungsverfahren wegen eines Kriegsverbrechens gegen einen Bundeswehrsoldaten seit Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuchs kommen, bekäme die Diskussion um den Afghanistan-Einsatz eine neue Dynamik.

Wenn die zivile Justiz über Militär richtet, kann es politisch werden. Das Problem wird noch verschärft. Die Vorgesetzte von Monika Harms heißt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die Bundesjustizministerin ist hier eine erklärte Kritikerin ihrer eigenen Kompetenzen – aber sie hat sie. Sie könnte ein wichtiges Wort mitreden im Kundus-Fall. Ihre Skepsis mag mit Grund dafür sein, weshalb sie sich für eine zentrale Staatsanwaltschaft ausspricht, die künftig Straftaten von Soldaten untersuchen soll. Zugleich hätte eine spezialisierte, kenntnisreiche Behörde wohl sogleich auf die Feldjäger-Berichte zu den Bomben auf die Tanklaster gedrungen. Oder wäre zumindest stutzig geworden, wenn sie keine bekommen hätte. Es wäre denkbar, eine solche Schwerpunktbehörde in Potsdam anzusiedeln, am Sitz des Bundeswehr-Einsatzkommandos. Der Richterbund wies jedoch erst gerade darauf hin, dass ein solches Modell in Schwierigkeiten mit den Bund-Länder-Kompetenzen des Grundgesetzes kommt.

Mit dem Rücktritt Franz Josef Jungs ist der „Fall Kundus“ also nicht am Ende, er fängt erst an. Der Ex-Verteidigungs- und Ex-Arbeitsminister war übrigens der Ansicht, Soldaten im Auslandseinsatz seien besser überhaupt nicht mit Staatsanwälten zu konfrontieren. Sein Abgang wirft auch ein Licht auf diesen Irrtum.

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