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Im BLICK: Stoppschild gegen Bildungsflucht

Es gab eigentlich nur gute Nachrichten, als der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Migration und Integration kürzlich das Lebensgefühl der Einwanderungsgesellschaft abfragte: Der Alltag funktioniert meist gut bis sehr gut, man kommt nicht nur von Mensch zu Mensch miteinander aus, sondern auch mit einer stetig wachsenden Vielfalt von Lebensstilen. Ausgerechnet auf einem Feld aber ist Schluss mit dem Einvernehmen: Bildungsorientierte Eltern, Migranten sogar stärker als Nichtmigranten, machen den größtmöglichen Bogen um Schulen, in denen sich diese Vielfalt spiegelt.

Es gab eigentlich nur gute Nachrichten, als der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Migration und Integration kürzlich das Lebensgefühl der Einwanderungsgesellschaft abfragte: Der Alltag funktioniert meist gut bis sehr gut, man kommt nicht nur von Mensch zu Mensch miteinander aus, sondern auch mit einer stetig wachsenden Vielfalt von Lebensstilen. Ausgerechnet auf einem Feld aber ist Schluss mit dem Einvernehmen: Bildungsorientierte Eltern, Migranten sogar stärker als Nichtmigranten, machen den größtmöglichen Bogen um Schulen, in denen sich diese Vielfalt spiegelt. Auch die, die Multikulti bejahen: Wenn’s um den eigenen Nachwuchs geht, wird mit den Füßen abgestimmt – gegen jene „Schulen mit hohem Migrantenanteil“, die durch die Bildungsflucht der besseren Kreise erst richtig zu Restschulen werden.

Was tun gegen die Bildungsflucht der „guten“ Familien und der Musterschüler? Yasemin Karakasoglu, Professorin für interkulturelle Bildung in Bremen und Mitglied des Sachverständigenrats, hält es für falsch, dass die Schulen Förderung immer noch einseitig für Migranten und Unterschichtskinder anbieten: „Wenn eine Schule sich ein mathematisch orientiertes Profil gibt und an der Mathematikolympiade teilnimmt, dann wird sie Schülern helfen, die schwach in Mathe sind, aber sie wird auch Hochbegabte fördern.“ Das sei ein Angebot an Mittelschichtseltern, sagt Karakasoglu, und stigmatisiere die Schule nicht. Man könne auch auf Sprachen setzen und zu den im Kiez verbreitetsten Einwanderersprachen – Arabisch und Türkisch etwa – Spanisch und Chinesisch anbieten. Man könne mit Universitäten zusammenarbeiten und so die Bildungsorientierung „ganz deutlich nach oben erweitern“. Oder man gehe Richtung Musik und binde das Orchester der Stadt ein – wie die Bremer „Gesamtschule Ost“, die Instrumentalunterricht bietet und auf deren Gelände die Bremer Kammerphilharmonie ihren Probenraum hat. Wenn all dies mit innovativen pädagogischen Konzepten gekoppelt werde, hätten Deutschlands neue Schulen den Gymnasien „mit alten, guten Namen“ einiges entgegenzusetzen, meint Karakasoglu. Deren gusseisernes Renommee – „es läuft viel übers Image“ hält sie nicht immer für verdient: „Viele Curricula dort sind schrecklich alt.“

Zu teuer, unmöglich? Es wird bald unvermeidlich sein, einer vielfältigen Gesellschaft die richtige Pädagogik zu verpassen. „Heterogene Schulen sind keine Ausreißer, sie sind heute schon der Normalfall“, sagt Karakasoglu. Sie sind auch im Interesse der Mittelschicht, wie die Autorin Ulrike Hermann feststellte – auch wenn die ihr Interesse noch nicht erkennt. Das Windhunderennen um die „guten“ Schulen, die den eigenen Sprösslingen den gesellschaftlichen Aufstieg bahnen sollen, können sie sowieso nicht gewinnen. Während sie sich für teure Institute krumm legten, hätten die wirklich Reichen den Nachwuchs längst in noch exklusiveren untergebracht. „Prinzip Wanderdüne“, spottet Hermann in ihrem Buch „Hurra, wir dürfen zahlen“ über den „Selbstbetrug der Mittelschicht“: Auch was die Schulen angehe, hätten Mittelschichteltern objektiv mehr gemeinsame Interessen mit der Unter- als mit der Oberschicht.

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