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Dieses Foto von sich veröffentlichte Alexej Nawalny am 23. September.

© Uncredited/navalny/Instagram/dpa

Update

„Ich habe keine Angst!“: Nawalny macht Putin für seine Vergiftung verantwortlich

Der russische Oppositionelle Nawalny erhebt schwere Vorwürfe gegen den Kremlchef. In einem Interview kündigt er zudem die Rückkehr in seine Heimat an.

Nach seiner Vergiftung hat der Kremlgegner Alexej Nawalny in einem „Spiegel“-Interview den russischen Präsidenten Wladimir Putin für die Tat verantwortlich gemacht. „Ich behaupte, dass hinter der Tat Putin steht, und andere Versionen des Tathergangs habe ich nicht“, sagte er dem Nachrichtenmagazin.

Wie der „Spiegel“ am Donnerstag mitteilte, kündigte der 44-Jährige am Vortag bei einem Redaktionsbesuch in Berlin auch an, nach Russland zurückzukehren. „Meine Aufgabe ist jetzt, der Typ zu bleiben, der keine Angst hat. Und ich habe keine Angst!“ Seine zittrigen Hände seien nicht Ausdruck seiner Furcht, sondern des Giftes. „Das Geschenk, nicht nach Russland zurückzukehren, werde ich Putin nicht machen.“

Die russische Regierung bestreitet, dass es eine Vergiftung gegeben habe und spricht von einer Provokation und Inszenierung. Der prominenteste Gegner von Kremlchef Putin soll mit dem Nervengift der Gruppe Nowitschok vergiftet worden sein. Der Kampfstoff ist nach dem internationalen Verbot von Chemiewaffen geächtet. Russische Geheimdienstler und Regierungsmitglieder betonten mehrfach, dass alle Vorräte des zu Sowjetzeiten entwickelten tödlichen Gifts vernichtet worden seien.

Zu dem Attentat am 20. August sagte Nawalny: „Du fühlst keinen Schmerz, aber Du weißt, Du stirbst.“ Man verstehe einfach: Das sei das Ende. „Organophosphate greifen dein Nervensystem an wie eine DDos-Attacke den Computer - das ist eine Überlastung, die dich kaputtmacht.“

Russlands Präsident Wladimir Putin.
Russlands Präsident Wladimir Putin.

© Alexey Druzhinin/Sputnik/AFP

Der Politiker durchläuft nach seiner Entlassung aus der Berliner Klinik Charité inzwischen eine Reha-Maßnahme, um wieder zu Kräften zu kommen. Mittlerweile gehe es ihm aber viel besser als vor drei Wochen, und es werde jeden Tag besser. Nach Auskunft der Ärzte könne er zu 90 Prozent wiederhergestellt werden, vielleicht sogar zu 100 Prozent.

„Im Grunde bin ich so etwas wie ein Versuchskaninchen - es gibt ja nicht so viele Leute, denen man zusehen kann, wie sie nach der Vergiftung mit einem Nervenkampfstoff weiterleben“, sagte der 44-Jährige. Nawalny, der nach „Spiegel“-Darstellung „rund um die Uhr“ von Personenschützern begleitet wird, hatte sich in den vergangenen Tagen auch immer wieder in den sozialen Netzwerken zu Wort gemeldet.

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Der Fall hat die Spannungen in den deutsch-russischen Beziehungen noch einmal deutlich verschärft. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Nawalny auch in der Klinik besucht hatte, forderte Russland zur Aufklärung des Verbrechens auf. Moskau aber verlangt Beweise für eine Vergiftung und lehnt bis dahin Ermittlungen in dem Kriminalfall ab.

Nawalny bedankte sich in dem Interview bei allen Deutschen: „Ich bin Deutschland nie eng verbunden gewesen. Ich kenne hier niemanden.“ Jetzt sei Deutschland für ihn aber ein besonderes Land geworden. Deutsche Politiker und Bundeskanzlerin Merkel hätten sein Leben gerettet, die Ärzte in der Charite dann ein zweites Mal. Zu Merkels Besuch sagte er: „Mich hat beeindruckt, wie genau sie Russland kennt und meinen Fall.“

Die Frage, ob Deutschland das Pipelineprojekt Nord Stream 2 stoppen sollte, wollte Nawalny nicht beantworten: „Das ist Deutschlands Angelegenheit. Entscheidet selbst!“ Jede Russland-Strategie müsse „das Stadium des Wahnsinns in den Blick nehmen, das Putin erreicht hat“.

Nawalny war am 20. August während eines Inlandsflugs in Russland zusammengebrochen und später zur Behandlung nach Deutschland gebracht worden. Wochenlang lag er dort im künstlichen Koma. Nach dem Befund eines Bundeswehr-Speziallabors wurde er mit dem Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Das sollen auch Labors in Frankreich und Schweden bestätigt haben. Mit Spannung werden aktuell die Untersuchungsergebnisse der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) erwartet. Danach drohen Russland neue Sanktionen. (dpa, Reuters, AFP)

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