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Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) blieben deutlich unter ihren Erwartungen.

© imago images / dpa picture alliance

Hybris, Patzer und lachende Dritte: Schwarz und Grün scheitern an ihren Erwartungen

Wer wirklich gewonnen hat, steht noch nicht fest. Aber die Verlierer sind klar. Und der Wunsch der Deutschen auch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Deutschland hat gewählt. Und sich gegen einen harten Kurswechsel entschieden. Weder sieht es nach radikaler ökologischer Wende aus noch nach einem neuen marktwirtschaftlichen Zeitalter. Auch wenn die ersten Zahlen noch mit Vorsicht zu genießen sind, kann man zumindest festhalten, dass Union und Grüne an ihrem eigenen Anspruch gescheitert sind.

Zu Beginn des Wahlkampfes konnte man von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen beiden Parteien ausgehen. Die Grünen sahen sich schon als neue Öko-Volkspartei und die Union glaubte, nach 16 Jahren Angela Merkel, das Kanzleramt einfach vererbt zu bekommen. Beides entpuppte sich als das, was es von Beginn an war: eine Illusion.

Die Grünen haben mit einer Kanzlerkandidatur den Anspruch angemeldet, das Land zu führen. Mindestens den zweiten Platz wollten sie sich sichern. Beides, so viel lässt sich sagen, haben sie nicht geschafft. Natürlich spielten sowohl bei den Grünen als auch der Union individuelle Fehler eine Rolle. Annalena Baerbock misslang der Start durch den Umgang mit ihrem ungenauen Lebenslauf, einer verpatzten Parteitagsrede und einer ganzen Kette an Entschuldigungen. Armin Laschet wiederum wurde ein Lacher an der falschen Stelle zum Verhängnis, dazu Störmanöver aus München von der CSU und Beliebtheitswerte, die nie wirklich Beliebtheit ausdrückten.

Aber neben diesen Fehlern zeigt das Abschneiden der Parteien eben auch, dass Deutschland auf der einen Seite den ganz großen Klimawurf offenbar noch scheut und auf der anderen Seite ein Programm, das ohne Botschaft, ohne klare Linie daherkommt, auch missbilligt.

Profitieren können vor allem SPD und FDP. Die Sozialdemokraten dürften selbst am meisten überrascht sein. Zum einen über sich selbst, dass sie es geschafft haben, einen Wahlkampf zu führen, der ohne interne Querschüsse auskam, ohne Richtungsstreit oder Schuldzuweisungen für die Politik aus 16 Jahren. Zum anderen über die Stärke ihres Kandidaten. Olaf Scholz wurde früh als Kanzlerkandidat ausgerufen, was sich offenbar gelohnt hat. Zumindest konnte er stets auf die besten Persönlichkeitswerte vertrauen und darauf, dass einiges davon auch für seine Partei abfällt. Gestartet bei knapp 15 Prozent, gelandet irgendwo Mitte 20 – das ist in jedem Fall ein Erfolg.

Die FDP wiederum freute sich über die Schwäche der Union und auch die der Grünen. Denn die Überschneidungen mit der Grünen-Wählerschaft sind durchaus groß: besserverdienend, ökologisch bewusst, aber auch interessiert an einer starken Wirtschaft. Dass sich die Grünen ein Stück bürgerlich gemacht haben, war also Chance und Risiko zu gleich, da ein Teil dieses bürgerlichen Milieus im Lauf des Wahlkampfes offenbar auch an die FDP verloren gegangen ist.

Und so stehen da nun SPD, CDU, FDP und Grüne und müssen in welcher Konstellation auch immer zusammenfinden. Wie dieser Findungsprozess ausgeht, ist noch unklar. Die Situation ist aber auch Ausdruck der deutschen Sehnsucht nach einem Kompromiss – aus dem Willen zur ökologischen Wende, dem Wunsch nach wirtschaftlicher Vernunft und dem Gefühl, die gesellschaftliche Mitte, wofür SPD und CDU gleichermaßen stehen, mitzunehmen. Den Regierungsauftrag haben am Sonntagabend sowohl SPD als auch die Union für sich reklamiert. Doch da setzt sich die schwarze Hybris fort. Die Union liegt nach aktuellem Stand nicht meilenweit aber doch klar hinter der SPD, sie fährt ihr historisch schlechteste Ergebnis ein und will trotzdem eine Regierung anführen. Der Anspruch wird möglicherweise nicht lange halten – auch in der eigenen Partei nicht.

Aber die beiden größeren Parteien hängen nun am Tropf der kleineren Parteien. Und diese Machtverschiebung hat FDP-Chef Christian Lindner am Wahlabend schon deutlich gemacht, indem er erstmal den Grünen Gespräche angeboten hat, bevor mit SPD oder Union gesprochen werde. Über Koch oder Kellner einer künftigen Koalition mag das noch nichts sagen. Aber sehr wohl darüber, wer bestimmt, was überhaupt auf dem Speiseplan steht.

Und die Linken? Sie kämpfen um ihr politisches Überleben, denn der Zeitgeist ist etwas über sie hinweggefegt. In der Hartz-IV-Epoche hatten sie ihren festen Platz. In einer Welt, die vor ökologischen und digitalen Herausforderungen steht und neue soziale Fragen aufwirft, haben sie noch keinen Platz gefunden.

Hinzu kommt, dass die SPD mit Rente und Mindestlohn zwei soziale Themen besetzt hat. Aktuell ist ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken nicht mal rechnerisch möglich – kulturell haben sich vor allem auch viele Grüne davon sowieso längst entfernt. Und so ist das Ergebnis bei aller Vorsicht eines wohl auf jeden Fall – eine schwarz-grüne Niederlage.

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