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45 Millionen Menschen im südlichen Afrika sind von akuter Hungersnot bedroht.

© dpa/ Carola Frentzen

Hungerkrise im südlichen Afrika: Wie sich die Versorgungslage in Simbabwe zuspitzt

In Simbabwe ist über die Hälfte der Bevölkerung von Hunger betroffen. Misswirtschaft und Korruption lähmen das Land auch zwei Jahre nach dem Sturz Mugabes.

Die Lage ist so ernst, dass selbst das Helfen schwerfällt. In Harare, der Hauptstadt Simbabwes, fällt der Strom mittlerweile bis zu 20 Stunden am Tag aus. Nur nachts kommen ein paar Stunden Energie aus dem maroden Netz. Lange Schlangen vor Läden und Tankstellen, bis zu sieben Stunden für 20 Liter Benzin, prägen das Bild. So berichtet es Regina Feindt, Landesdirektorin für Simbabwe bei der Welthungerhilfe. „Es erschwert unsere Arbeit immens“, sagt sie. „Wir erleben die schwerste Hungerkrise Simbabwes der letzten 15 bis 20 Jahre. Die Lage hat sich zuletzt erheblich verschlimmert“, so Feindt. Die strategischen Reserven des Landes seien aufgebraucht. Sie sagt auch: „Simbabwe ist derzeit kein Einzelfall.“

Erst in der vergangenen Woche warnte das UN-Welternährungsprogramm (WFP), dass 45 Millionen Menschen im südlichen Afrika von akuter Hungersnot bedroht sind. Hunderte Millionen Euro würden derzeit benötigt. „Wenn wir die notwendigen Mittel nicht erhalten, haben wir keine Wahl, als weniger Bedürftige mit weniger zu versorgen“, warnt WFP-Regionaldirektorin Lola Castro. Eines der Länder mit den gravierendsten Problemen ist Simbabwe.

Mehr als die Hälfte der 14 Millionen Einwohner wissen nicht, wo sie ihre nächste Mahlzeit herbekommen. „Es besteht die Gefahr einer dramatischen Verschlechterung der Ernährungssituation“, sagt Bettina Lüscher, Sprecherin des WFP. Die Unterstützung durch Hilfsorganisationen müsse verstärkt und ausgeweitet werden.

Schleichende Krise

Dabei baute sich die Krise in Simbabwe lange und geradezu schleichend auf, die internationale Aufmerksamkeit blieb deswegen gering. Eine Hyperinflation lähmt die Wirtschaft des bitterarmen Landes. Der Simbabwe-Dollar, der schon vor einem Jahrzehnt in der Inflation versank, verliert auch nach seiner Wiedereinführung 2019 immens an Wert. Die Infrastruktur im Verkehrs- und im Energiesektor gilt schon lange als marode.

Regelmäßig kommt es mittlerweile zu Engpässen und Unterbrechungen der Strom- und Wasserversorgung. Selbst in Städten haben zwei Millionen Menschen keinen Zugang mehr zu sauberem Wasser. In der Rangliste des Human Development Index, einem Entwicklungsranking, liegt das Land nur noch auf Platz 156 von 189.

Dazu kommen enorme Trockenheit und Wetterextreme. Mehrere Jahre musste das Land ohne ausreichende Niederschläge auskommen. Laut WFP-Sprecherin Lüscher ist es die schwerste Trockenheit in Jahrzehnten, die Getreideproduktion von 2019 lag bei der Hälfte des Üblichen. Wetterextreme wie der Wirbelsturm Idai im März 2019 richteten enorme Schäden an. Der Hunger wird dadurch nur begünstigt.

Derzeit sind fast 5,5 Millionen Menschen im ländlichen Raum und etwa 2,2 Millionen Menschen in Städten auf Nahrungsmittel und humanitäre Hilfe angewiesen. Die Inflation macht auch bei den Preisen für Grundnahrungsmittel nicht Halt. Brot kostet 20 Mal so viel wie vor sechs Monaten. „Die Preise sind teilweise nur für Stunden gültig“, sagt Feindt. Dazu grassieren Infektionskrankheiten. Typhusfälle gebe es im ganzen Land, sagt Feindt. Auch Cholera gab es in der Vergangenheit immer wieder, ein Ausbruch konnte jedoch zuletzt nicht bestätigt werden.

Einstiger Hoffnungsträger

Simbabwe war einst Hoffnungsträger der Entwicklung im südlichen Afrika. Das Land galt als Kornkammer der Region, war gesegnet mit reichen Bodenschätzen. Dennoch schlitterte Simbabwe unter Robert Mugabe in eine wirtschaftliche Dauerkrise, gelähmt von Korruption und Misswirtschaft. Tausende Großfarmer wurden vor allem in den 1990er Jahren enteignet. Der Langzeit-Diktator selbst machte gern die Sanktionen des Auslands für die Lage im Land verantwortlich.

Nach fast vier Jahrzehnten war der Diktator 2017 von Emmerson Mnangagwa aus dem Amt geputscht worden. Doch unter seinem Nachfolger hat sich die Situation nicht verbessert. Während die Wirtschaft weiter stagniert, schlagen Sicherheitskräfte Proteste blutig nieder, schießen auf Demonstranten. Mindestens zwölf Menschen starben im Januar 2019 bei Demonstrationen gegen die rasant steigenden Preise und die Situation im Land. Mnangagwa gibt dem Ausland die Schuld an den Unruhen – ganz im Stile seines Vorgängers.

Das WFP will nun zunächst das drängendste Problem lösen: den Hunger. Gerade erst verdoppelte es die Zahl der Menschen, denen in Simbabwe geholfen werden soll, auf 4,1 Millionen Menschen. 200 000 Tonnen Lebensmittel muss es bis Mitte des Jahres nach Simbabwe bringen. Der Landweg erschwert den Transport. „Wir brauchen dringend Geld, um unsere Hilfsoperationen über Februar hinaus durchführen zu können“, sagte Lüscher. Weitere 205 Millionen US-Dollar würden bis Ende Juni 2020 benötigt.

Die FDP im Bundestag fordert nun rasche Hilfe. „Bei der aktuellen Dürre und der drohenden Hungerkrise müssen wir humanitäre Hilfe leisten“, sagt Ulrich Lechte, Mitglied des Auswärtigen Ausschuss des Bundestags und Leiter des Unterausschusses Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung. „Leider ist aber Simbabwe auch unter Präsident Mnangagwa noch immer stark vom autoritären Politikstil des verstorbenen früheren Präsidenten Robert Mugabe geprägt“, kritisiert Lechte. Langfristige Hilfe müsse deshalb an Bedingungen geknüpft sein: an die Umsetzung politischer Reformen.

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