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Humor ist, wenn man trotz Coronakrise lacht.

© Peter Kneffel/dpa

Humor in Krisenzeiten: Auch ein Virus hat keine Macht über das Lachen

Gerade in Krisen bedarf es auch der symbolischen Entlastung. Jeder weiß, dass schon ein Lächeln bisweilen ein Segen ist für die Seele. Eine Kommentar

Ein Kommentar von Peter von Becker

Otto Waalkes, ein Prominenter der biologischen Risikogruppe, agiert wie viele andere statt auf der Bühne mittels Podcast. Spielt „in der Quarantäne Quitarre“ und macht zu Hause „Ostfriesen-Yoga“ („Aufstehen, hinsetzen, fertig“). Beim Berliner Quatsch Comedy Club lautet die Website-Botschaft: „Je weniger es zu lachen gibt, desto mehr muss man es tun!“ und, deutlich charmanter, „All you need is laugh!“

Klar, dass der von Unheil bedrängte Mensch in schweren Zeiten zuallererst reale Erleichterungen braucht. Soziale und ökonomische Hilfen sowie die Hoffnung auf medizinische Mittel. Die Pandemie ist eine todernste Sache. Bedeutet das aber, dass wir nur todernst über die Folgen streiten dürfen? Gilt das Abstandsverbot auch für den Humor?

„Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ Der Satz stammt von dem fabelhaften, heute, 110 Jahre nach seinem Tod, fast vergessenen Schriftsteller Julius Otto Bierbaum. Dessen bedeutendster Roman handelt von einem tragikomischen Clown, der zum Ende seiner viel belachten Vorstellung am Strick hängt. Tatsächlich ein Stück Galgenhumor.

Gerade in Krisen bedarf es auch der symbolischen Entlastung. Jeder weiß, dass schon ein Lächeln bisweilen ein Segen ist für die Seele. Wer Sorgen hat, braucht eben nicht nur Likör. Und Humor ist der bessere Ausweg als das Hegen von Verschwörungsgedanken. Die mal mehr, mal weniger witzigen Corona-Memes verbreiten eine neue Netzwärme. Eine Dosis aus dem Humoroffice, täte auch den vielen sich mit den fast immer gleichen Personen um die fast immer gleichen virenpolitischen Fragen im superseriösen Themenkreis drehenden TV-Talkshows gut.

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Stattdessen ist bei allem Überangebot zum Thema Nr. 1 eine mediale Beklommenheit nicht nur aus Anstand und Abstand spürbar. Selbst in Satire-Sendungen wie der ZDF-„heute-show“, die auf ihr Studiopublikum verzichten müssen, verpufft jeder Witz in aseptischer Stille, weil man sich nicht einmal mehr traut, mit einem nostalgischen Augenzwinkern die früher üblichen, oft ansteckenden Lacher vom Band einzuspielen. Der neue Krisen-Puritanismus gründet so offenbar auf dem alten (teutonischen) Missverständnis, dass Ernsthaftigkeit und Humor einander auszuschließen haben.

Scherz und Schmerz schneiden sich wie die Klingen einer Schere

Das beste Gegenbeispiel ist hierfür die Tradition des jüdischen Witzes. Er wurde geboren als Licht im Dunkel, als Satire, als (Selbst-)Ironie und Sarkasmus in Jahrhunderten der Verfolgung und Bedrohung. Tatsächlich schneiden sich Scherz und Schmerz oft wie die Klingen einer Schere. Komödien, hieß es früher, enden mit Heirat, Tragödien mit dem Tod. Doch soll es schon umgekehrte Fälle gegeben haben.

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Der Dramatiker George Tabori, dessen Vater in Auschwitz endete, hat gesagt, ein guter Witz berge (frei nach Freud und Beckett) „immer eine Katastrophe“. Ein wahrer Witz verlacht sogar das eigene Missgeschick. Weil Humor, der mehr ist als selbstberauschter Zynismus, durchaus mit Empathie für eigene und fremde, allzu menschliche Schwächen zu tun hat. Mit der Offenheit zudem für die unerwartete, buchstäblich aberwitzige Volte. Sogar mit der Verbindung von Schaden und Freude. So wirkt die Lage hoffnungslos, aber nicht ernst.

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Vor jetzt vierzig Jahren ist Umberto Ecos berühmter Mittelalter-Krimi „Der Name der Rose“ erschienen. Der Schlüssel zu den makaberen Mordfällen ist darin die Furcht eines orthodoxen Mönchs vor dem womöglich aufrührerischen Gehalt einer geheimen Abschrift der eigentlich verschollenen Komödien-Lehre des Aristoteles. Humor nämlich ist immer ketzerisch kritisch, wer trotzdem lacht, lacht eben aus Trotz.

Deswegen haben Diktaturen zu allen Zeiten versucht, Witze auf ihre Kosten und das Verlachen ihrer Macht zu verbieten. Meist erfolglos. Auch ein Virus hat keine Macht über das Lachen. Denn Humor ist demokratisch. Und Lachen gesund.

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