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Joshua Wong, Demokratie-Aktivist aus Hongkong, traf am Montagabend in Berlin ein.

© Christoph Soeder/dpa

Hongkonger Aktivisten: „Merkel hätte mehr tun können“

Hongkonger Demokratie-Aktivisten suchen die Hilfe Deutschlands und fordern einen Stopp von Ausrüstungslieferungen für die Polizei in der Sonderverwaltungszone.

Zwei Hongkonger Demokratie-Aktivisten kamen am Montagnachmittag ins Jakob-Kaiser-Haus zu einem Pressegespräch, der prominenteste aber fehlte. Joshua Wong war am Sonntag bei der Ausreise aus Hongkong festgenommen worden, aufgrund eines Verwaltungsfehlers wie es der Aktivist auf Twitter darstellte. Am Montagmorgen durfte er dann doch ausreisen und sollte um 22 Uhr in Berlin ankommen. Möglicherweise trifft er am Dienstag Außenminister Heiko Maas, am Mittwoch soll er in der Bundespressekonferenz die Situation in Hongkong erläutern.

Die Aktivisten erhoffen sich von Deutschland und Europa Unterstützung für ihren Kampf für Menschenrechte und Demokratie. Dass Angela Merkel in der vergangenen Woche in China die Demonstrationen in Hongkong öffentlich angesprochen hatte, bezeichnet Wong Yik Mo als gutes Zeichen. „Aber sie hätte mehr tun können, sie hat eine große politische Macht“, sagt der Anführer der Menschenrechtsgruppe Civil Human Rights Front (CHRF), die in den vergangenen Monaten mehrere friedliche Massendemonstrationen in Hongkong organisiert hatte, zu denen bis zu zwei Millionen Menschen kamen. Deutschland und Europa hätten eine Verpflichtung für Menschenrechte einzustehen. Diese werde in Hongkong durch die andauernde exzessive Polizeigewalt gegen die Demonstranten verletzt. Während China die Demonstranten als „Krawallmacher“ bezeichnet, erklären die Aktivisten, dass ein Prozent der Gewalt von Demonstranten käme – und 99 Prozent von der Polizei.

Vor allem die Ereignisse vom 31. August in der U-Bahnstation Prince Edward Station empören viele Menschen in Hongkong. Dort stand ein U-Bahn-Zug längere Zeit bewegungslos, und öffnete und schloss so lange seine Türen, bis die Polizei eintraf und Passagiere verhaftete. Die Krankenhaus-Behörde berichtete von 46 Verletzten, davon fünf schwer Verletzten. Weil anschließend in Hongkong sogar Gerüchte von Toten die Runde machten, versuchten Demonstranten durch einen Sitzstreik die U-Bahnbehörden zu zwingen, ein Überwachungsvideo aus der Station von jenem verhängnisvollen Abend zu veröffentlichen.

Die Proteste in Hongkong gingen am Montag weiter

Konkret fordern die Aktivisten, dass Deutschland der Hongkonger Polizei keine Ausrüstung mehr liefern solle. Nach ihrer Darstellung stammen die „Bean-Bag-Pistolen“, mit denen die Demonstranten beschossen werden, und die bereits einer Demonstrantin die Sehkraft auf einem Auge gekostet haben dürfte, aus deutscher Produktion. Auch Wasserwerfer sollen aus Deutschland stammen. Möglicherweise versucht die Hongkonger Regierung in Europa neue Tränengaskartuschen zu bestellen. Weit über 1000 haben die Beamten inzwischen bereits auf Demonstranten und Pressevertreter verschossen. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages unterstützt die Aktivisten. „Wir wollen einen Lieferungsstopp für Dual-Use-Güter, die jetzt beauftragt werden“, sagt Gyde Jensen (FDP). Ihre Fraktion habe zuletzt einige Leitlinien im Umgang mit China beschlossen. „Wirtschaft und Menschenrechte müssen Hand in Hand gehen“, sagt Gyde Jensen.

Auch am Montag gingen die Proteste in der Sonderverwaltungszone weiter. Kinder und Jugendliche formten Menschenketten vor ihren Schulen. Zwar hat Verwaltungschefin Carrie Lam das umstrittene Auslieferungsgesetz zurückgezogen, das die Proteste Anfang Juni ausgelöst hatten. Doch inzwischen haben die Hongkonger Demonstranten aufgrund der Ereignisse im Sommer ihre Forderungen ausgeweitet. Sie fordern eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt, die Freilassung der Verhafteten und das allgemeine Wahlrecht. „Fünf Forderungen, keine weniger“, sagt die Hongkonger Aktivistin für digitale Rechte, Kwong Chung-Ching. Inzwischen seien viele Menschen auch müde geworden. „Doch wir müssen dafür kämpfen, was richtig ist.“

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