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Wer Wert auf gesundes Fleisch und Tierwohl legt, kann direkt beim Erzeuger kaufen, zum Beispiel auf Dirk Fiedelaks Hof im Saarland.

© Oliver Dietze/dpa

Höhere Steuern auf Fleisch und Eier: Schilda lässt grüßen

Die "Machbarkeitsstudie" der Landwirtschaftsministerin Klöckner ist in Wahrheit ein Ratgeber, was gar nicht oder so nicht geht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Alle sind für's Tierwohl. Um die 60 Prozent der Europäer und Zweidrittel der Deutschen behaupten, sie seien bereit, mehr für Eier, Rindersteaks, Schweine- oder Geflügelschnitzel zu bezahlen, wenn die Tiere unter besseren Umständen gehalten, transportiert und geschlachtet werden.

Doch wenn die Kundinnen und Kunden hierzulande einkaufen, greifen nicht mal zehn Prozent zu den teureren Produkten mit Gütesiegeln. Menschen sind halt widersprüchliche Wesen; um sich und anderen zu gefallen, sagen sie Dinge, die sie nicht meinen, zumal wenn Lobbygruppen Druck aufbauen.

So simpel darf die Sache im Deutschland der 2020er Jahre aber nicht enden. Wenn Menschen nicht tun, was sie sollen, soll der Staat sie dazu erziehen, durch Vorschriften und Abgaben. Tut er das nicht, liegt das angeblich am bösen Willen der Regierenden und nicht an guten Argumenten wie der Rechtsordnung, dem EU-Binnenmarkt oder internationalen Wettbewerbsregeln.

Ausnahmen, die die Absicht unterlaufen

Der Königsweg, den Tier- und Naturschützer weisen: Vorschriften für die Tierhaltung verschärfen und höhere Steuern auf Tierprodukte oder eine Tierwohlabgabe erheben, mit zwei Zielen. Die Einnahmen sollen an die Landwirte fließen, um den Umbau der Ställe zu finanzieren. Und wenn Fleisch, Eier und Milch mehr kosten, wird der Verbrauch sinken. Das dient neben dem Tierwohl auch Umwelt und Klima.

Doch halt, da wird bereits eine Ausnahme gefordert: Haushalten mit niedrigen Einkommen soll der Staat einen Ausgleich zahlen, denn es wäre ungerecht, wenn der Preis sie zur erwünschten Drosselung des Fleischkonsums zwingt. Früher galt das als Streich aus Schilda: etwas tun, was die ursprüngliche Absicht unterläuft.

Im Prinzip möglich, in der Praxis aber nicht

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat schließlich eine „Machbarkeitsstudie“ in Auftrag gegeben und vor wenigen Tagen vorgestellt. Tenor: ganz viel ist möglich. Damit hat sie die Ergebnisse jedoch vernebelt, getreu der Devise: Um sich und anderen zu gefallen, sagen Menschen allerlei.

Julia Klöckner (CDU), Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, stellt die "Machbarkeitsstudie" zu Fragen rund ums Tierwohl vor.
Julia Klöckner (CDU), Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, stellt die "Machbarkeitsstudie" zu Fragen rund ums Tierwohl vor.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Eine große Koalition von der Regierung über die Lobbygruppen bis zu vielen Medien macht bei der kollektiven Selbstbeschwindelung mit. Dabei führt die Studie auf 276 Seiten zu den meisten vorgeschlagenen Maßnahmen aus, warum es gar nicht oder jedenfalls so nicht geht.

Zweckgebundene Abgabe für Landwirte: Das verbietet EU-Recht

Bei der Behauptung, eine Tierwohlabgabe sei grundsätzlich möglich, fehlt das entscheidende Wort „zweckgebunden“. Das war doch der Vorschlag, damit die Landwirte Geld erhalten, um den Umbau zu finanzieren. Doch nach EU-Recht ist es unzulässig, Tierprodukte aus dem In- und Ausland mit einer Abgabe zu belegen, die nur deutschen Erzeugern zugutekommt, erläutern die Experten.

Ein rein deutsches Tierwohl-Siegel darf nicht dazu dienen, deutsche Produkte gegenüber anderen zu begünstigen. Für die Vermarktung sind die EU-Gütesiegel maßgeblich. Zur Alternative, die Mehrwertsteuer für Tierisches zu erhöhen, heißt es: Für gleichartige Güter muss derselbe Steuersatz gelten.

Ausgleich für ärmere Haushalte: hohe Verwaltungskosten

Gegen eine Ausgleichszahlung an ärmere Haushalte wendet die Studie ein: Die Verwaltungskosten wären zu hoch. Und wenn der Staat beabsichtige, die Verbraucherpreise für Grundnahrungsmittel durch Abgaben zu erhöhen, müsse er auch das steuerfreie Existenzminimum entsprechend angleichen.

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Die „Machbarkeitsstudie“ ist in Wahrheit ein „So nicht“-Ratgeber. Die Landwirtschaftspolitik ist in der EU vergemeinschaftet, der nationale Handlungsspielraum gering. Ein Staat darf zwar strengere nationale Vorgaben für die Tierhaltung machen, nicht aber marktverzerrende Subventionen dafür nur an die eigenen Landwirte zahlen.

Wer mehr Tierwohl will, muss in Brüssel kämpfen

Wer mehr Tierwohl möchte, muss in Brüssel ansetzen. Im Fokus sollte dabei stehen, was in der Praxis hilft und nach den Regeln der EU sowie der Welthandelsorganisation (WTO) erlaubt ist. Und weniger, was in der Theorie gut, fair und gerecht klingt. Das Schielen auf Umfragen und Steckenpferde der eigenen Parteiklientel führt selten zu einer Politik, die dem Gemeinwohl dient.

Verfolgt die Bundesregierung hingegen die Wege, die laut Experten zulässig sind, bekommt Deutschland unter dem Vorwand Tierwohl eine neue Abgabe oder höhere Mehrwertsteuer, die nicht zweckgebunden ist und deren Einnahmen nicht direkt für das vorgebliche Ziel - Umbau der Landwirtschaft - verwendet werden. Und daneben eine Ausgleichszahlung an einkommensschwache Haushalte, die hohe Verwaltungskosten verursacht und den Effekt hat, dass das Ziel eines geringeren Fleischkonsums konterkariert wird. Willkommen in Schilda.

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