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Höcke gratuliert Kemmerich im Februar 2020 zur Wahl zum Ministerpräsidenten.

© dpa

Höcke will das Parlament erneut vorführen: Das Chaos im Thüringer Landtag will einfach nicht enden

Der Thüringer Landtag hat sich heillos verhakt, Neuwahlen sind passé. Am Freitag will Höcke erneut für Unruhe sorgen - und sich zur Wahl stellen.

Eigentlich hätte die Sache einfach sein können. Wäre alles nach Plan gelaufen, hätte der Thüringer Landtag am Montag mit einer Zweidrittel-Mehrheit seine Auflösung beschlossen. Damit wäre der Weg frei gewesen für eine Neuwahl in Thüringen zeitgleich mit der Bundestagswahl im Herbst. Die Hoffnung: endlich eindeutigere Mehrheitsverhältnisse im Landtag.

Doch stattdessen hat sich der Landtag heillos verhakt. Nicht nur ist die geplante Auflösung des Parlaments geplatzt, so dass die Neuwahl im Herbst nicht zu Stande kommt. Die FDP im Landtag wird außerdem ihren Fraktionsstatus verlieren. Die AfD hat unterdessen ein konstruktives Misstrauensvotum beantragt. Sie will am Freitag Ministerpräsident Bodo Ramelow stürzen, indem sie statt ihm AfD-Fraktionschef Björn Höcke zum Ministerpräsidenten wählen lässt.

Wie konnte es zu diesem Chaos kommen? Wer sich umhört im Thüringer Landtag, dem wird klar: Das Vertrauen der Parteien untereinander ist massiv gestört. Bekanntermaßen hatte ein Trick der AfD dazu geführt, dass im Februar 2020 der FDP-Mann Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Kemmerich nahm die Wahl zunächst an, löste damit eine Regierungskrise aus und trat nach massiver Kritik zurück. Rot-Rot-Grün unter Bodo Ramelow wurde fortan von der CDU geduldet, was unter dem Label „Stabilitätsmechanismus“ lief. Neuwahlen 2021 waren stets das Ziel.

Die AfD sollte nicht das Zünglein an der Waage sein

Auch für die Auflösung des Landtags wäre Rot-Rot-Grün auf die Stimmen der CDU angewiesen gewesen. Schon länger war allerdings absehbar, dass nicht alle CDU-Abgeordneten mitziehen würden. „Abgeordnete der CDU sind weder Befehlsempfänger noch Ersatzrad von R2G“, erklärten vier Fraktionsmitglieder im Mai.

In der Folge stellten sich zwei Linken-Abgeordnete quer: Sie wollten nur dann an der Abstimmung teilnehmen, wenn klar wäre, dass Rot-Rot-Grün und CDU die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit allein erreichen könnten. In die Hände der FDP oder AfD wolle man sich nicht begeben.

Vergangene Woche schließlich zogen Grüne und Linke ihre Unterschriften auf dem Antrag zur Landtagsauflösung zurück. Die Zwei-Drittel-Mehrheit sei nicht sicher. Dass die AfD das Zünglein an der Waage wird, wolle man nicht riskieren. Damit läuft nun der „Stabilitätsmechanismus“ zwischen Rot-Rot-Grün und CDU aus. Die Minderheitsregierung wird sich für jedes einzelne Vorhaben neu Mehrheiten mit CDU und FDP suchen müssen.

Eine weitere Abgeordnete wäre bereit gewesen

Auch die FDP spielt bei den aktuellen Chaostagen eine gewichtige Rolle. Die Partei hatte 2019 gerade so die Fünf-Prozent-Hürde erreicht und war mit fünf Abgeordneten in den Landtag eingezogen. Obwohl die Partei mittlerweile in Umfragen besser dasteht, erklärte Fraktionschef Kemmerich, die FDP werde der Landtagsauflösung nicht zustimmen. Man wollte sich enthalten. Über die Gründe wird gerätselt – zumal die Weigerung unangenehme Folgen für die FDP hat.

In der Fraktion der FDP sitzt nämlich bislang die Abgeordnete Ute Bergner. Sie hatte sich schon seit einer Weile von ihren Fraktionskollegen abgewandt, war aus der FDP ausgetreten wollte bei einer Neuwahl für die Partei „Bürger für Thüringen“ antreten. Zunächst blieb sie dennoch Mitglied in der FDP-Fraktion. Bergner war bereit, einer Auflösung des Landtags zuzustimmen. Sie hatte das auch stets erklärt.

Nach der Ankündigung Kemmerichs, der Auflösung des Landtags nicht zuzustimmen, unterschrieb Bergner einen Aufnahmeantrag bei den „Bürgern für Thüringen“. Sobald der angenommen ist, kann sie nicht mehr Mitglied der FDP-Fraktion bleiben. Nach dem Ende der Sommerpause wird die FDP deshalb ihren Fraktionsstatus verlieren.

Parlament als Bühne

Die AfD versucht nun, das Parlament weiter vorzuführen. Natürlich hat Höcke keine Chance, sich zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen. Doch wenn er nur eine Stimme mehr bekäme, als die AfD Abgeordnete hat, wäre das für ihn bereits ein Erfolg und würde massiv für Unruhe im Parlament sorgen. Immer wieder bietet er auch CDU und FDP die Zusammenarbeit an.

Die CDU hat nun angekündigt, bei der Abstimmung einfach sitzen zu bleiben. Sofort wurde Kritik laut: Die CDU schaffe es nicht, geschlossen gegen Höcke zu stimmen. Der Fraktionschef der Linken, Steffen Dittes, sagte bei einer Debatte im Thüringer Landtag am Mittwochabend: „Es ist eine Selbstverständlichkeit, seine Stimme mit Nein abzugeben und nicht das Signal abzugeben, dass man sich bei dieser Frage einfach mal heraushalten kann. Das ist politisch verantwortungslos.“

CDU-Fraktionschef Mario Voigt erklärte dagegen in einer Pressemitteilung, Höcke missbrauche das Parlament als Bühne für seine Show. Auf das Spiel wolle man sich nicht einlassen. Aus Kreisen der CDU-Fraktion ist aber auch die Befürchtung zu hören, politische Gegner könnten nach der geheimen Abstimmung versuchen, der CDU überzählige Stimmen für die AfD in die Schuhe zu schieben. Das Misstrauen sitzt eben tief im Thüringer Landtag.

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