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Mähdrescher auf einem Feld in Mecklenburg-Vorpommern.

© dpa/Bernd Wüstneck

Update

Hitzewellen, Dürren, extreme Regenfälle: Weltklimarat hält sichere Versorgung mit Lebensmitteln für gefährdet

Laut IPCC bedrohen Extremwetter-Ereignisse die Lebensmittelproduktion. Daher müsse die gesamte Kette der Erzeugung von Nahrungsmitteln überdacht werden.

Der Weltklimarat IPCC fordert ein radikales Umsteuern bei der Landnutzung. Um die wachsende Erdbevölkerung dauerhaft zu ernähren und zugleich das Klima zu schützen, müsse die internationale Gemeinschaft sofort handeln, fordern die Wissenschaftler in einem am Donnerstag veröffentlichten Sonderbericht. Sie plädieren dafür, die Ausbeutung von Land, die Lebensmittelverschwendung und die CO2- Belastung durch die Landwirtschaft drastisch zu reduzieren.

Aufforstung und der Schutz der Regenwälder seien entscheidend, um den globalen Temperaturanstieg aufzuhalten, betonen die Forscher. Allerdings stehe die Welt vor einem Dilemma: Denn ohne ein weiteres umfassendes Maßnahmenpaket könnte die Abholzung die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen bedrohen.

Der weltweite Temperaturanstieg hat über den Landflächen bereits 1,53 Grad erreicht. Unter Berücksichtigung der sich langsamer erwärmenden Meeresflächen liege das globale Temperaturplus gegenüber der vorindustriellen Zeit bei knapp 0,87 Grad. Verglichen wurden die Zeiträume 1850 bis 1900 und 2006 bis 2015. Der Weltklimarat hatte 2018 vor den Auswirkungen gewarnt, falls die globale Temperatur insgesamt über 1,5 Grad steigen sollte.

In den kommenden Jahrzehnten werde die Zahl, Dauer und Intensität von Hitzewellen sowie Dürren nicht zuletzt rund ums Mittelmeer zunehmen, warnen die 107 Forscher aus 53 Ländern. In vielen Regionen werden zudem häufiger extreme Regenfälle vorkommen.

Der Weltklimarat empfiehlt in seinem Bericht dringend, im Kampf gegen eine weitere Erwärmung der Erde die Wälder und nicht zuletzt die Moore besser zu schützen. Zugleich sieht der IPCC Gefahren für die sichere Versorgung mit Lebensmitteln. „Die Stabilität des Nahrungsmittel-Angebots wird voraussichtlich sinken, da das Ausmaß und die Häufigkeit von Extremwetter-Ereignissen, die die Lebensmittelproduktion beeinträchtigen, steigen wird.“ Es gehe auch darum, die gesamte Kette der Erzeugung und des Konsums von Nahrungsmitteln zu überdenken. Eine ausgewogene Ernährung, die verstärkt auf Gemüse und Getreide setze, könne dazu beitragen, die Kohlendioxid-Emissionen wesentlich zu senken.

23 Prozent der Treibhausgase aus Land- und Forstwirtschaft

Die Land- und Forstwirtschaft steuert laut IPCC rund 23 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgase bei. „Hier liegt sehr viel Potenzial“, sagte die deutsche Co-Autorin des Berichts, Almut Arneth aus Karlsruhe. Generell mache der Bericht deutlich, dass die Ressource Land begrenzt sei. „Wir können nicht weitermachen wie bisher.“ Sehr skeptisch sei sie, dass die im Bericht auch thematisierten Aufforstungen bis hin zu Bionenergie-Plantagen ein guter Weg seien. Laut IPCC leben rund 500 Millionen Menschen in Gebieten, die von Versteppung bedroht sind. Diese Regionen seien umso anfälliger für Wetterextreme wie Dürren, Hitzewellen und Staubstürme.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) drängt nun auf ein Umsteuern auch der Bundesregierung. „Wir müssen jetzt die Priorität auf Klimaschutz setze, sagte Schulze am Donnerstag in einer Videoschalte nach Berlin. Dabei müsse es auch Umschichtungen im Bundeshaushalt geben.

Schulze will 20 Prozent Öko-Landbau

Mit Blick auf den vom Weltklimarat vorgelegten Sonderbericht zum Thema Landnutzung drängte Schulze darauf, den Anteil des Öko-Landbaus in Deutschland auf die schon länger anvisierten 20 Prozent zu erhöhen. 2018 waren es nur etwa neun Prozent. Weiter forderte sie "eine Wiedervernässung von Mooren", statt diese zugunsten von mehr landwirtschaftlicher Nutzfläche trockenzulegen. Durch konsequenten Waldumbau müssten die Wälder besser gegen die Folgen der Erderwärmung gewappnet und ihre CO2-Aufnahmefähigkeit gestärkt werden.

Indirekt kritisierte Schulze das bestehende System der Massentierhaltung und Intensivlandwirtschaft. Sie wandte sich dagegen, „dass wir Soja importieren, um Tiere zu füttern, Tiere in einer Menge, dass wir mit der Gülle nicht mehr klarkommen“. Dies sei „keine Landwirtschaft, die wirklich nachhaltig ist“. Allerdings könne Landwirtschaft beim Klimaschutz auch "Teil der Lösung" sein, je nachdem, wie mit dem Land umgegangen werde. Die anstehende Reform der EU-Agrarförderung sei ein guter Zeitpunkt, „in Europa die richtigen Anreize zu setzen“.

Große Flächen für Wälder nutzen

Der IPCC-Bericht steht im Zeichen des Pariser Klimaabkommens. Darin wurde 2015 das Ziel festgelegt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dazu müssten die Staaten den Netto-Ausstoß ihrer Treibhausgase stark reduzieren. Um das zu schaffen, wollen einige Experten große Flächen für Wälder nutzen, die die Treibhausgase aus der Atmosphäre ziehen können. In Verbindung mit dem Ziel der Lebensmittelsicherheit für die gesamte Bevölkerung drohen so Landkonflikte - zusätzlich zu den Entwicklungen, die der Klimawandel bereits jetzt ausgelöst hat.

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„Der Bericht bestätigt, dass die vom Menschen verursachte Überhitzung der Atmosphäre schon jetzt zu mehr Hitzewellen und Dürren, heftigeren Starkregen und Überschwemmungen führt“, so die Hilfsorganisation Oxfam. Besonders besorgniserregend sei die Warnung vor einer Beeinträchtigung der weltweiten Nahrungsmittelversorgung, falls sich die Erde weiter deutlich erwärme.

Die Bundesregierung will am 20. September ihre Klima-Strategie vorstellen. Am 23. September beraten die Staaten bei einem Klimagipfel der Vereinten Nationen über die Folgen des Temperaturanstiegs.

Die Forscher hatten zunächst eine große wissenschaftliche Analyse erarbeitet, deren Zusammenfassung in Genf seit vergangenem Freitag intensiv beraten wurde. Die vor allem politischen Delegierten einigten sich dabei auf den nun veröffentlichten Bericht, der somit auch von den IPCC-Mitgliedsländern anerkannt ist. Die Dringlichkeit des Thema verdeutlichte zu Wochenbeginn nicht zuletzt die Mitteilung des Klimawandelsdienstes Copernicus, dass der Juli 2019 global gesehen der heißeste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1880 war. (AFP, dpa)

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