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Der Außenminister des Dritten Reiches Joachim von Ribbentrop (l.) und der sowjetische Diktator Josef Stalin (3. v.l.).

© AFP

Hitler-Stalin-Pakt: Als der Weltkrieg erlaubt wurde

Am 23. August 1939 wurde der Hitler-Stalin-Pakt unterzeichnet. Warum die Erinnerung an dieses Ereignis umstritten und wichtig ist. Ein Kommentar.

Am 23. August 1939 unterzeichneten die Außenminister des Deutschen Reiches und der Sowjetunion, Ribbentrop und Molotow, in Moskau den alsbald so genannten Hitler-Stalin-Pakt. Es war der Auftakt zum Zweiten Weltkrieg. Polen wurde zwischen den Vertragspartnern geteilt, die baltischen Staaten zur Gänze von der Sowjetunion vereinnahmt. Knapp zwei Jahre später wurde die Sowjetunion Angriffsziel desjenigen Krieges, den sie selbst ermöglicht hatte.

Den 23. August hat das Europäische Parlament 2009 zum Gedenktag „an die Opfer von Stalinismus und Nationalsozialismus“ erklärt. Begangen wird der Gedenktag jedoch mehr oder minder nur in Ländern, die unter Stalins Expansionsdrang zu leiden hatten – das allerdings ein halbes Jahrhundert lang. Die mittel- und osteuropäische Perspektive ist eine andere als diejenige, die westlich des Eisernen Vorhangs bestand. Heutzutage gibt es, zumal in Deutschland, bis auf einen Rand der äußersten Rechten, keine Verteidiger Hitlers mehr; aber in manchen Ländern gibt es eine ungebrochene Verteidigung des Kommunismus und ergo Stalins.

Der Unwillen altkommunistisch beseelter Geister, die historische Bedeutung des Hitler-Stalin-Pakts auch nur zur Kenntnis zu nehmen, trifft sich fatalerweise mit der Sorge jüdischer Institutionen, durch den gemeinsamen Gedenktag werde der NS-Völkermord relativiert. Zorn richtete sich gegen die „Prager Erklärung zum Gewissen Europas und zum Kommunismus“ von 2008, die von Größen wie Václav Havel oder Vytautas Landsbergis, aber auch vom späteren Bundespräsidenten Joachim Gauck unterzeichnet worden war. Auf ihr fußt die Entschließung des Europaparlaments. Die Deklaration, so die harsche Kritik des Leiters des Simon Wiesenthal Centers in Jerusalem noch 2012, übersehe den „präzedenzlosen Charakter des Holocaust“ und „erhöht die kommunistischen Verbrechen in ihrer tatsächlichen historischen Bedeutung“.

Letzteres ist starker Tobak. Es darf gerade nicht darum gehen, die Opfer der beiderseitigen Gewaltherrschaft gegeneinander aufzurechnen. Es geht um die wechselseitige Anerkennung des Geschehenen und die vorbehaltlose Benennung von Opfern und Tätern. Historische Erinnerung lässt sich verbiegen, doch die Macht des Faktischen ist letztlich stärker. 78 Jahre nach dem fatalen Pakt von Moskau ist eine nicht gleichmachende, sondern gleich gewichtende Erinnerung so möglich wie nötig.

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