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Geflüchtete Menschen aus der Ukraine auf dem Hauptbahnhof in Berlin.

© Hannibal Hanschke/dpa

„Historische Aufgabe für Europa“: Innenministerin plant für Ukraine-Flüchtlinge Züge und Flüge nach Südeuropa

Luftbrücke nach Griechenland, Züge nach Italien. Nancy Faeser pocht auf eine bessere Verteilung der Kriegsflüchtlinge - und lehnt eine Pflicht-Registrierung ab.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will eine stärkere Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine gerade in Südeuropa durchsetzen. „Offen gesagt: fast alle“, sagte sie in einem Interview mit dem Tagesspiegel auf die Frage, welche Länder in Europa noch mehr Menschen aufnehmen müssen. „Wir sorgen dafür, dass wir zum Beispiel mehr Direktzüge von Polen in andere EU-Staaten bringen.“ Es gebe nun die erste Zugverbindung von Rzepin in Polen nach Lyon in Frankreich.

„Das bauen wir aus. Ich setze mich zudem für Luftbrücken ein, damit Geflüchtete nicht einen beschwerlichen Weg durch halb Europa zurücklegen müssen.“ Griechenland habe angeboten, „dass sie Menschen aufnehmen, die per Flugzeug kommen“. Am Montag beraten die EU-Innenministerinnen und Innenminister darüber.

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Faeser betonte, Deutschland habe einen Führungsanspruch in der Frage: „Wir wollen vorangehen. Das ist jetzt eine historische Aufgabe für Europa. Mein Anspruch ist, dass wir in der EU viel pragmatischer und schneller agieren.“ Deswegen habe sie eine starke Rolle eingenommen, um zu steuern. „Ich bin sehr viel mehr im Ausland, als ich das vor meinem Amtsantritt als Innenministerin gedacht hätte.“

Sie räumte ein, dass es ein zu großes Ungleichgewicht gäbe. „Wir haben eine große Belastung der Nachbarstaaten wie Polen, denen man früher vorgeworfen hat, nicht aufnahmewillig genug zu sein“, sagte Faeser im Interview mit dem Tagesspiegel.

„Nachdem wir uns in einem historischen Schritt auf ein solidarisches, schnelles, unbürokratisches Verfahren zum Schutz Geflüchteter in allen EU-Staaten geeinigt haben, muss nun der zweite Schritt folgen: dass auch tatsächlich alle aufnehmen. Auch Spanien und Italien hätten ihre Bereitschaft dazu erklärt. „Aber sie brauchen die Verkehrsverbindungen, die wir jetzt schaffen“, kündigte sie auch hierhin mehr Verbindungen an.

Zudem setze sie darauf, „dass G7-Staaten wie die USA, Kanada und Großbritannien möglichst viele Menschen per Flugzeug aufnehmen.“

Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern. Mit so einer Krise, kaum im Amt, hat sie nicht gerechnet.
Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern. Mit so einer Krise, kaum im Amt, hat sie nicht gerechnet.

© Lena Giovanazzi/Tagesspiegel

Innenministerin gegen Pflicht-Registrierung

Mit Blick auf die Verteilung und Aufnahme in Deutschland lehnt Faeser die von der Union geforderte Registrierung aller vor dem Krieg in der Ukraine geflüchteten Menschen in Deutschland ab. „Wir reden vor allem von Kindern und Frauen, tagelang auf der Flucht sind, die in der Kälte an der polnischen Grenze ausharren mussten. Wir wollen nicht, dass sie an der deutschen Grenze aufgehalten werden, weil wir hier stationäre Grenzkontrollen einführen“, sagte sie dem Tagesspiegel.

„Nur zur Klarstellung: Die Menschen haben das Recht, sich hier frei zu bewegen. Und Drittstaatsangehörige werden natürlich registriert.“ Zudem würden Ukrainer registriert, falls sie in eine Erstaufnahmeeinrichtung kommen oder sobald sie staatliche Hilfe brauchen.

Die SPD-Politikerin wies Vorwürfe von CDU-Chef Friedrich Merz zurück, dass man kaum wisse, er da eigentlich ins Land komme und wo die Menschen blieben.

„Die Bundespolizei geht in die Züge, wenn sie über die Grenze kommen, und kontrolliert alle Pässe. Wer keinen Pass hat oder aus einem Drittstaat kommt, wird erfasst und registriert.“

Beim Busverkehr sei das schwieriger, weil der oft privat organisiert ist.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser besucht die Ukraine-Notunterkunft in Tegel.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser besucht die Ukraine-Notunterkunft in Tegel.

© IMAGO/Eibner

Faeser: Nur fünf Prozent aus Drittstaaten

 „95 Prozent der Menschen, die aus der Ukraine zu uns flüchten, sind auch ukrainische Staatsangehörige.“ Bisher gebe es keine Hinweise, dass etwa Belarus gezielt Menschen auf den Weg nach Europa schicke, auch nicht auf mögliche Terroristen, die versuchen über die Fluchtbewegung nach Europa zu kommen.

Keine Polizei-Schutzzonen an Bahnhöfen

Faeser lehnt zudem die von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) geforderten Schutzzonen an deutschen Bahnhöfen für ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine ab – die GdP begründet die Forderung damit, dass Männer versuchen, Frauen an Bahnhöfen von einer Privatunterbringung zu überzeugen und sie diese dann zur Prostitution zwingen könnten.

„Bei der Frage der Schutzzonen müssen wir auch sehen: Viele Ehrenamtliche nehmen Geflüchtete in Empfang, sehr solidarisch und sehr menschlich“, betonte Faeser. „Das ist ein herzliches Willkommen für die Menschen, die aus diesem schrecklichen Krieg kommen. Wenn sich Helferinnen und Helfer um die Menschen bei der Ankunft kümmern, ist es etwas anderes, als wenn nur Polizistinnen und Polizisten da sind."

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