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Kein Aufmarsch in Berlin: Der für den 16. Mai geplante Al-Quds-Tag wurde von den Veranstaltern abgesagt.

© Christian Mang, imago

Hisbollah in Deutschland verboten: Schlag gegen die Israel-Hasser

Bundesinnenminister Seehofer hat die schiitische Extremistenorganisation verboten. Dafür erhält er viel Anerkennung.

Von Frank Jansen

Das Verbot kam nicht unerwartet, ist aber doch ein Paukenschlag. Nachdem die Bundesinnenminister jahrzehntelang gezögert hatten, das Treiben der mit dem Iran verbündeten libanesischen Terrororganisation Hisbollah in Deutschland zu unterbinden, wagte es nun Horst Seehofer (CSU). Am Donnerstag vollzog er das im März verfügte Betätigungsverbot gegen die etwa 1000 Anhänger zählende schiitische Extremistentruppe.

Die Polizei rückte in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Bremen bei vier mutmaßlichen Teilorganisationen der Hisbollah an und durchsuchte 16 Objekte, darunter Moscheen und Wohnungen. Den Vereinen droht jetzt auch ein Verbot.

Scharfe Kritik am Betätigungsverbot kam aus dem Iran. Es zeige eine „völlige Respektlosigkeit gegenüber der Regierung und der Bevölkerung Libanons“, teilte das Außenministerium mit. Die Hisbollah ist über zwei von ihr vorgeschlagene Minister an der Regierung in Beirut beteiligt. Nach Ansicht des Iran hat Deutschland dem Druck der USA und Israels nachgegeben.

Seehofer erhielt allerdings viel Anerkennung für seinen Schlag gegen die Israelhasser. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, begrüßte das Hisbollah-Verbot „ausdrücklich“, Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, nannte es „eine gute Nachricht für unsere Demokratie“, US-Botschafter Richard Grenell lobte Seehofers Schritt als „genau das, was überall in Europa nötig ist“. Über das Lob hinaus kann der Minister offenbar schon einen ersten Erfolg verbuchen. Die Anmelder der für den 16. Mai geplanten, von der Hisbollah dominierten Demonstration in Berlin zum „Al-Quds-Tag“ sagten jetzt die Veranstaltung ab. Der Aufmarsch der Israelfeinde fällt nun erstmals seit vielen Jahren aus. Innensenator Andreas Geisel (SPD) ist erleichtert. „Eine der widerlichsten antisemitischen Veranstaltungen bleibt uns allen erspart“, sagte er. Das sei „eine gute Nachricht für Berlin“.

Aufmarsch findet nicht statt

Die Israel-Feinde wollten sich trotz Coronakrise wie jedes Jahr gegen Ende des Fastenmonats Ramadan in der City West versammeln. Der iranische Revolutionsführer Ajatollah Chomeini hatte 1979 den Al-Quds-Tag ausgerufen, an dem weltweit für die „Befreiung“ von Jerusalem, auf Arabisch „Al Quds“, demonstriert werden soll. In Berlin marschierten regelmäßig Hunderte Hisbollah-Leute und regimetreue Iraner, sie riefen Parolen wie „Kindermörder Israel“. Auch Neonazis und Linksextremisten liefen mit. Innensenator Geisel hatte überlegt, die diesjährige Veranstaltung zu verbieten, trotz des Risikos einer Niederlage beim Verwaltungsgericht. Am Donnerstag hatte unter anderem Josef Schuster angesichts des Betätigungsverbots gegen die Hisbollah gedrängt, ein Verbot des Al-QudsMarsches wäre „der nächste und notwendige und konsequente Schritt. Auch Seehofer wollte ausdrücklich mit dem Betätigungsverbot gegen die Hisbollah ein starkes Argument gegen den Aufmarsch geben. In der Verfügung des Innenministers steht, die „sofortige Vollziehung“ des Betätigungsverbotes gegen die Hisbollah sei schon wegen des bevorstehenden Al- Quds-Tages „im öffentlichen Interesse“.

In Seehofers 30-seitigem Schriftsatz werden die Gefahren, die von der Hisbollah ausgehen, deutlich benannt. Da ist vor allem die bis heute anhaltende Serie schwerer Anschläge der 1982 gegründeten „Partei Gottes“. Es begann 1983 mit den Angriffen in Beirut auf die US-Botschaft und die amerikanischen sowie französischen Friedenstruppen im Libanon, bei denen mehr als 360 Menschen starben. Über den Libanon hinaus folgten blutige Attacken in mehreren Ländern, häufig sind jüdische und israelische Einrichtungen das Ziel. 1992 wurde auch Deutschland getroffen, beim sogenannten Mykonos-Attentat. Ein Killerkommando der Hisbollah erschoss im Auftrag des Iran im Berliner Bezirk Wilmersdorf vier iranisch-kurdische Exilpolitiker, die im griechischen Restaurant Mykonos zusammensaßen. Die Hisbollah ist immer noch ein Risiko für die innere Sicherheit der Bundesrepublik.

Auch Hamas soll geprüft werden

Die Hisbollah habe Deutschland als „konkreten Aktionsraum für Beschaffungsaktivitäten und Anschlagsplanungen“ genutzt, heißt es in Seehofers Verfügung. Erwähnt werden Cyberattacken und „Ausspähungen eines möglichen Anschlagsziels in Europa“ durch eine von Deutschland aus agierende Person. Bei einer süddeutschen Speditionsfirma sollen zudem im Auftrag der Hisbollah „Cold Packs/First Aid Kits“ gelagert worden sein, die das für Sprengstoff geeignete Ammoniumnitrat enthielten.

In der Verfügung werden die Verbindungen zwischen der Hisbollah und der palästinensischen Terrororganisation Hamas erwähnt. Diese kämpft vom Gaza-Streifen aus fanatisch gegen Israel, in Deutschland werden ihr mehr als 300 Anhänger zugerechnet. Nach dem Betätigungsverbot gegen die Hisbollah sollten ähnliche Schritte auch bei der Hamas und der Muslimbruderschaft geprüft werden, sagte der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, dem Tagesspiegel. Kramer ist der einzige jüdische Chef im Verbund der Verfassungsschutzbehörden, von 2004 bis 2014 war er Generalsekretär des Zentralrats der Juden.

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