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Der kenianische Rapper Monaja.

© Privat

Hip-Hop in Afrika: Eine Kampfansage der jungen Generation

Afrikanische Rapper treiben die Politik vor sich her. Das Potenzial, das im dortigen Hip-Hop steckt, hat man inzwischen auch in Deutschland erkannt.

Die Beats dröhnen durch den Raum. Es ist Mai 2019, die Stuhlreihen sind voll besetzt in der Dolphin Hall, einem Festsaal mit Holzdach im Westen der tansanischen Hafenstadt Dar es Salaam. Vorne, unter einem großen Deckenventilator, heizt der Rapper Monaja der Menge ein.

„Haki ni uhai“, ruft er ins Mikrofon. Im Chor wiederholen die Zuhörer den Satz, Swahili für „Gerechtigkeit ist Leben“. Hinter Monaja tanzt eine Frau mit rotem Kopftuch, daneben ein bärtiger Mann, dessen Dreadlocks unter einer gelben Mütze verborgen sind. Er beugt die Knie im Takt und wirft die Hände hoch. „Afrika moja, Afrika huru“ singen die beiden Monajas Text mit: „Afrika ist eins, Afrika ist frei.“

Für das Konzert ist der 34 Jahre alte Monaja, bürgerlich Mwongela Kamencu, aus dem Nachbarland Kenia in die tansanische Metropole Dar es Salaam gereist. Die Stadt am Indischen Ozean ist ein Zentrum des Hip-Hop, der dominanten Jugendkultur in Ostafrika. „Bongo Flava“ nennt man hier das Genre - den „Geschmack“ von „Bongo“, wie Dar es Salaam umgangssprachlich bezeichnet wird. „Bongo“ bedeutet „Gehirn“ auf Swahili. Gemeint ist: Man braucht Köpfchen, um hier zu überleben, um nicht unterzugehen im rauen Alltag der Sechs-Millionen-Stadt.

„Den Erzählungen der Eliten etwas entgegensetzen“

Hierher ist Monaja gekommen, um bei kleinen Kulturfestivals aufzutreten. Das klingt nach Unterhaltung, ist allerdings weit mehr. Hip-Hop ist nicht nur der Partysound in den zahllosen Clubs von Dar, Kampala oder Nairobi.

In Ostafrika, wo oft ethnische Konflikte die Politik bestimmen, wo meist alte, korrupte Männer den Ton angeben, bietet die Musik den jungen Menschen etwas, das ihnen die Politik verwehrt: Hip-Hop verleiht der Jugend eine Stimme, klärt auf, klagt an - und lässt Grenzen verschwinden.

Monaja sieht in der Musik eine „Kraft, die die Kluft zwischen den Generationen, den Geschlechtern, Klassen und Ethnien überwinden kann“. Er rappt über Habgier und Korruption, über die Folgen des Kolonialismus in Kenia, die Ungerechtigkeit im Land. „Ich möchte den populären Erzählungen der Eliten etwas entgegensetzen“, sagt Monaja.

Mwongela Kamencu, alias Monaja, ist studierter Historiker.
Mwongela Kamencu, alias Monaja, ist studierter Historiker.

© privat

Viel politische Kraft steckt in Afrikas Kunst und Kultur, aber auch wirtschaftliche Chancen - von der kenianischen Musikszene über Modedesign aus dem Senegal bis zu Nigerias Filmindustrie „Nollywood“. Das ist mittlerweile auch in der deutschen Politik angekommen, insbesondere bei Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). „Die afrikanische Kreativbranche schafft Jobs, gibt Impulse für Innovation und stiftet Identität“, sagt er. „Kreativität ist ein Wirtschaftsfaktor.“

An diesem Dienstag tritt Müller beim G20-Investment-Gipfel in Berlin auf, vor deutschen Unternehmern und afrikanischen Spitzenpolitikern. Schirmherrin der ranghohen Veranstaltung ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Elf afrikanische Staats- und Regierungschefs werden erwartet. Im Rahmen der Initiative „Compact with Africa“ wollen sie mehr Investitionen aus Deutschland anziehen - was bislang allerdings nur schleppend vorankommt.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wünscht sich mehr deutsche Investitionen in Afrika.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wünscht sich mehr deutsche Investitionen in Afrika.

© Carsten Koall/dpa

Geht es nach Müller, dann fließt künftig deutlich mehr Geld in den Süden, auch in die dortige Kunst und Kultur. Dazu will das deutsche Entwicklungsministerium die Kreativwirtschaft in afrikanischen Ländern unterstützen - „beim Zugang zu günstigen Krediten, der Vermittlung nachhaltiger Investitionen und der sozialen Absicherung von Kreativen“, wie Müller sagt. „Das alles schafft moderne und spannende Jobs für die schnell wachsende junge Bevölkerung in Afrika.“

60 Prozent der Afrikaner sind jünger als 30 Jahre

Ob das wirklich klappt, muss sich noch zeigen. Das Potenzial jedenfalls ist riesig - etwa in der afrikanischen Musikbranche. Zwar wirft der Markt nach Angaben der internationalen Musikmesse Midem noch wenig ab. Nur zwei Prozent des weltweiten Umsatzes der Musikindustrie werden in Afrika gemacht. Doch das könnte sich bald ändern, da nirgendwo die Zielgruppe für Popmusik größer ist. Nirgends gibt es mehr junge Menschen. Von den 1,3 Milliarden Afrikanern sind 60 Prozent jünger als 30 Jahre.

500 Millionen Menschen in Afrika werden laut Midem ab 2020 ein Smartphone besitzen. Apple, Spotify und Co. haben den afrikanischen Markt deshalb längst in den Blick genommen. Kenianische Anbieter wie Mdundo oder der Telefonriese Safaricom locken Musikfans mit günstigen Streaming-Abos. Sie wollen den ostafrikanischen Musikhandel umkrempeln. Bislang wurde Musik in Afrika meist im „informellen Sektor“ verkauft, etwa per Raubkopie an der Straßenecke.

Für Künstler wie Monaja ist es schwer, von der eigenen Musik zu leben. Zwar hat er Auftritte in allen größeren Städten Kenias, im Radio ist er aber selten zu hören. Auch sei es schwierig, für gut bezahlte Konzerte gebucht zu werden, sagt er. Deshalb bräuchten die meisten seiner Musikerkollegen zum Überleben einen „side hustle“ - einen Extrajob.

Goethe-Institut Nairobi: ein Hotspot der Hip-Hop-Szene

Grundsätzlich gebe es für den Musiksektor in Kenia zu wenig „institutionelle Unterstützung, die es für langfristiges Wachstum bräuchte“, sagt Rosaline Olang' Odhiambo. Sie arbeitet am Goethe-Institut in Nairobi, das sich in den vergangenen Jahren zu einer festen Anlaufstelle für Musiker entwickelt hat, zu einem Hotspot der Hip-Hop-Szene.

Versteckt zwischen Wolkenkratzern liegt das Institut in einer Seitenstraße in Nairobis „Central Business District“. Am Wochenende bilden sich Trauben von Menschen vor dem Eingang, wenn hier Konzerte stattfinden. „Gemeinsame Musikproduktionen zwischen kenianischen und internationalen Musikern sind ein wichtiger Fokus für uns“, sagt Institutsleiter Johannes Hossfeld.

Die Skyline der kenianischen Hauptstadt Nairobi.
Die Skyline der kenianischen Hauptstadt Nairobi.

© Reuters/Baz Ratner

Die gute Stimmung bei den Abendveranstaltungen steht im Kontrast zu dem, was zu der Uhrzeit sonst im Viertel passiert. Nachts übernehmen an vielen Ecken in Nairobis Zentrum Gangs von Kleinkriminellen die Kontrolle. Währenddessen tanzen im Goethe-Institut die jungen Menschen zu Hip-Hop-Beats.

Gerappt wird meist auf Sheng, einer Mischung aus Swahili und Englisch. Früher als Jugendslang verpönt, ist Sheng mittlerweile die Alltagssprache Nairobis, an den Bushaltestellen genau wie in den Schulen und Büros der Stadt.

In einem Land mit mehr als 60 Sprachen bietet die moderne Lingua Franca jungen Rappern einen entscheidenden Vorteil: Sheng verschafft ihnen eine größere Reichweite, als lokale Musiker je hatten. In den 70er und 80er Jahren sangen die meisten kenianischen Künstler in ihren jeweiligen Muttersprachen, in Kikuyu etwa, Luo oder Kamba. „Ich verwende vor allem Sheng und Swahili“, sagt Monaja. „Das versteht ein größerer Teil der Bevölkerung.“

Dieses verbindende Element lässt den Einfluss junger Künstler in Ostafrika wachsen. Zudem organisieren sie sich vermehrt, nicht nur im Netz, sondern auch in eigenen Kollektiven wie dem Schriftstellerverein „Kwani Trust“ oder der Gruppe „Pawa254“. Deren Mitglieder wollen nicht nur ein gutes Umfeld für die eigene Arbeit schaffen, sondern auch den „sozialen Wandel fördern“.

Dass der Zustand der Meinungsfreiheit in Kenia heute so gut ist wie nie zuvor, hilft ihnen. Musiker könnten sich heute „ohne Angst vor Verhaftung“ frei äußern, sagt George Ndiritu, der die „Nairobi Jams“ am Goethe-Institut organisiert. Früher drohte für Protestsongs Gefängnis. „Heute leben wir in liberalen Zeiten“, sagt Monaja.

Bobi Wine rappt über Frauen, Autos, Geld - und Politik

Doch das ist nicht überall in der Region so - etwa in Kenias Nachbarland Uganda, der Heimat des aktuell berühmtesten politischen Musikers aus Afrika: des Sängers und Schauspielers Robert Kyagulanyi alias Bobi Wine. Sein Beispiel zeigt, welche Macht afrikanische Popmusik entfalten kann. Millionen Fans hat der selbsternannte „Ghetto-Präsident“, vor allem unter den Armen und weit über die Grenzen Ugandas hinaus. Tritt er öffentlich auf, jubeln ihm Zehntausende zu.

Bobi Wine in New York. Das Time-Magazin hat ihn zu den "100 Next" gewählt.
Bobi Wine in New York. Das Time-Magazin hat ihn zu den "100 Next" gewählt.

© REUTERS/Eduardo Munoz

Angefangen hat der 37-Jährige klassisch, mit Rapsongs über Frauen, Autos, Geld. Seitdem er sich in seinen Liedern kritisch über Ugandas Langzeitpräsidenten Yoweri Museveni auslässt, steht er im Visier der Regierung. Das hat ihn nicht gehindert, fürs ugandische Parlament zu kandidieren, in das er im Juli 2017 einzog. Jetzt will er selbst Präsident werden und Museveni nach mehr als 30 Jahren aus dem Amt jagen. Der ließ ihn dafür unter Hausarrest stellen, seine Konzerte verbieten.

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Doch Wine lässt sich nicht einschüchtern. Ein Video aus dem Oktober zeigt, wie er auf dem Rücksitz eines Mopeds stehend durch die Straßen in Ugandas Hauptstadt Kampala rast.

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Wine ist von Hunderten Anhängern umringt. Kämpferisch hebt er seine Faust, den entschlossenem Blick hat er fest nach vorne gerichtet. Er ist auf der Flucht vor seinen Bewachern, den Handlangern des Präsidenten - und entkommt ihnen.

Das Video der Aktion ging viral, passt es doch so gut zu der Botschaft in Bobi Wines berühmtem Song „Situka!“ - übersetzt aus der Sprache Luganda: „Lehnt euch auf!“

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