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Die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler möchte, dass Kinderärzte künftig auch Internet- und Computersuchtgefahren untersuchen.

© dpa

Hilfe für junge Computer-Junkies: Drogenbeauftragte: Ärzte sollen Kinder auch auf Onlinesucht untersuchen

Viele Jugendliche können nicht mehr ohne Computerspiele und Internet. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung möchte, dass Kinderärzte künftig auch solche Suchtgefahren untersuchen.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung möchte, dass die Kinder- und Jugendärzte bei ihren Früherkennungsuntersuchungen künftig stärker auf Anzeichen von Computerspielsucht und Medienabhängigkeit achten. Angesichts der massiven Nutzung digitaler Medien schon im Kindesalter sei es „wichtig, rechtzeitig und zielgerichtet Aufklärung zu betreiben“, sagte Marlene Mortler (CSU) dem Tagesspiegel. Mit der Einbeziehung der Kinder- und Jugendärzte solle die Medienkompetenz in den Familien gestärkt werden, um „präventiv späteren Abhängigkeiten vorzubeugen“.

Studie: Jedes zweite Kind schafft es keine halbe Stunde ohne Bildschirm

Mortler begründete ihren Vorstoß mit den Ergebnissen einer Fragebogen-Aktion in einer Handvoll nordrhein-westfälischer Kinderarztpraxen. Dabei kam heraus, dass es mehr als 60 Prozent der neun- bis zehnjährigen Kinder nicht mehr schaffen, sich eine halbe Stunde lang ohne Fernseher oder Computer zu beschäftigen.

Zudem gab gut die Hälfte der Eltern an, sich hinsichtlich des richtigen Umgangs mit digitalen Medien in der Kindererziehung schlecht aufgeklärt zu fühlen. Was die eigene Nutzung solcher Medien betrifft, sehen sich viele, anders als bei der Ernährung oder dem Umgang mit anderen Menschen, für ihre Kinder jedenfalls nur bedingt als Vorbild.

40 Prozent haben Konzentrationsstörungen

Auch andere Ergebnisse der kleinen Studie lassen aufhorchen. So wiesen 40 Prozent der 13-Jährigen Lern- und Konzentrationsstörungen auf. Und zahlreiche Eltern klagten darüber, dass ihre Neun- bis Zehnjährigen über Computerspielen und Fernsehen anderweitige Aktivitäten wie das Lesen von Büchern vernachlässigten.

Die Studie ist Teil eines gemeinnützigen Projekts des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, des Instituts für Medizinökonomie & Medizinische Versorgungsforschung der Rheinischen Fachhochschule Köln und der Deutschen Gesellschaft für Ambulante Allgemeine Pädiatrie unter der Schirmherrschaft der Drogenbeauftragten.

Ob Mediensucht-Kontrollen durch Kinder- und Jugendärzte künftig zur Regelversorgung gehören sollen, ließ Mortler offen. Zunächst gehe es darum, bundesweit eine flächendeckende Untersuchung auf den Weg zu bringen, hieß es in ihrem Umfeld. Am Ende könnten aber durchaus entsprechende Vorgaben für die regelhafte Früherkennung stehen.

Vier Prozent der 14- bis 16-Jährigen sind abhängig

Dem aktuellen Drogenbericht zufolge sind in Deutschland bereits mehr als eine halbe Million der 14- bis 64-Jährigen internetabhängig – das entspricht einem Prozent. Zweieinhalb Millionen Menschen aus dieser Altersgruppe gelten als akut gefährdet. Und das größte Problem damit haben Jüngere.

Unter den 14- bis 24-Jährigen zeigen 2,4 Prozent Zeichen von Abhängigkeit, bei den 14- bis 16- Jährigen sind es vier Prozent. Dabei gibt es kaum Geschlechtsunterschiede. Auffällig ist nur, dass Jungs anfälliger für Computerspiele sind und Mädchen sich exzessiver in sozialen Netzwerken tummeln.

Nicht mehr steuerbar

Von Sucht sprechen Experten, wenn die Nutzer ihre Zeit vor dem Bildschirm nicht mehr steuern können, Entzugserscheinungen wie Schlafstörungen zeigen und sich sozial in auffälliger Weise isolieren. Im Schnitt verbringen als abhängig eingestufte Jugendliche täglich mehr als sechs Stunden vor ihrem Computer. Allerdings räumen die Verfasser des Drogenberichts ein, dass es für Onlinesucht zwar Diagnosekriterien, aber noch „keine einheitlich anerkannten Methoden zur Erfassung“ gibt.

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