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Gute Ideen aufgelistet? Robert Habeck.

© Fabian Sommer/dpa

Hier kümmert sich die Regierung noch selbst!: Habecks Heiztipps erinnern an die Hartz-IV-Speisepläne

Um Putin zu ärgern, solle man auf Gemütlichkeit verzichten, regiert Robert Habeck etwas übergriffig ins Private rein. Eine Glosse.

Eine Glosse von Ariane Bemmer

Robert Habeck hat es vorgerechnet, und das kommt in einer Bevölkerung, die sich gern ihrer Mathematikdefizite rühmt, bestimmt gut an, denn allein hätte man das nie rausgekriegt. Wenn man die Raumtemperatur um ein Grad senke, sagte der Bundeswirtschaftsminister der Funke Mediengruppe, spare das rund sechs Prozent Energie. Und wenn man abends die Gardinen zuziehe, spare das fünf Prozent.

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Die interessanten Fragen wären, ob man elf Prozent spart, wenn man beides gleichzeitig macht, oder in welchem sonstigen Verhältnis Gardinenzuzüge zu Temperaturreduzierungen stehen. Das wurde nicht erläutert, und wahrscheinlich hätte das auch nur verwirrt, siehe obige Anmerkungen zu Mathematik im Allgemeinen.

Unmissverständlich dagegen der Appell des Ministers, man solle zum „Putin-Ärgern“ und zum Zwecke des Energiesparens Einbußen an Gemütlichkeit hinnehmen. Dabei ist Gemütlichkeit anders als Mathematik hierzulande eine sehr verbreitete Sehnsucht. Unentwegt wird es gemütlich, meist im Zusammenhang mit flauschigen Kisschen und Deckchen, mit dicken Socken und kuscheligen Pullovern.

Also bitte, was geht den das denn an?

Gemütlichkeit ist also eine eher private Angelegenheit. Und man darf durchaus zusammenzucken, wenn ein Regierungsmitglied zu deren Dosierung Ansagen macht. Man darf sogar – Putin-Ärgern hin oder her – verschnupft denken: Also bitte, was geht den das denn an? Dem einen oder anderen wird womöglich auffallen, dass die Grenzziehungsunsicherheit zwischen dem, was Sache der Politik ist und was nicht, Vorläufer hat.

[Lesen Sie hier bei T-Plus: Schlunziger Schlabberlook? Wenn Politiker es sich gemütlich machen.]

Man kann getrost die oftmals überdetailliert ausgefallenen Anregungen für einen coronagerechten Alltag überspringen und sich direkt an die Menüpläne für Hartz-IV-Empfänger erinnern. Die kamen vor 14 Jahren unter anderem von Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin, der mit dem finanzsensiblen Lebensmitteleinsatz den Haushalt der völlig überschuldeten Hauptstadt retten wollte. Aber sollte wirklich quasi regierungsamtlich in Kochtöpfe und Kühlschränke reinregiert werden? Viele fanden Nein.

Gleichwohl köchelte (sic!) das Thema einige Zeit. Denn im Hartz-IV-Speiseplan wurden die große soziale Frage und das Schuldenproblem plötzlich konkret und vermeintlich beherrschbar. Ein bisschen so ist es heute auch. Fragen nach Energienutzung, dem Umgang mit dem Kriegsherrn Putin und den Folgen großer Transformationen sind kaum in den Kategorien Gemütlichkeit, Gardinen oder Ärgern zu lösen. Die lassen sie nur für einen Moment berechenbar aussehen.

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