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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan provoziert Israel mit seinen Äußerungen.

© Murat Cetinmuhurdar/Reuters

Hetztiraden nahe des Antisemitismus: Erdogan macht aus der Türkei einen der antiisraelischsten Staaten der Welt

Erdogan hetzt seine Landsleute auf. Im Vergleich zur Rhetorik der Türkei gegen Israel ist dessen Erzfeind Iran in seiner Reaktion sogar gedämpft. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Recep Tayyip Erdogan fordert den Westen immer wieder heraus. Jetzt durch seine Hetztiraden gegen Israel. Es ist, als wolle es der türkische Präsident wirklich wissen. Und zwar, wie viel er sich in seinem Verhältnis zu Europa und den USA noch so alles leisten kann.

Die Rechtsstaatlichkeit wird Schritt für Schritt ausgehebelt, die Menschenrechte werden immer wieder geradezu demonstrativ missachtet – und nun seine Ausfälligkeiten gegen den Staat der Juden wegen des Konflikts mit den Palästinensern.

Im Vergleich zur Rhetorik der Türkei gegen Israel ist ja dessen Erzfeind Iran in seiner Reaktion sogar gedämpft, während er sonst nach Auslöschung der „zionistischen Entität“ trachtet.

Festzuhalten ist: War das Verhältnis vorher schon schwierig, wird die Türkei inzwischen zu einem der antiisraelischsten Staaten der Welt. Und der augenfällige Antiisraelismus der Regierenden wird zusätzlich gespeist durch staatlich kontrollierte Medien.

Die verbreiten die seltsamsten Artikel über Israel und die Juden allgemein. Das schürt Antisemitismus, sowohl in der Türkei als auch im Ausland. So sind türkische Flaggen bei vielen antisemitischen Kundgebungen in ganz Europa zu sehen.

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Das ist eine Entwicklung, die es zu beobachten gilt. Ankara, an der Spitze Erdogan, der sich wie ein Sultan aufführt und auch betont nationalistisch wird, befördert Träume von einem neuen osmanischen Reich. Gerade in Zeiten der wirtschaftlichen Krise soll das den unter Druck stehenden Regierenden Zuspruch und Zustimmung sichern.

Dazu gehört, dass der Staatschef sich zum Schutzpatron der Muslime aufschwingt, die Palästinenser eingeschlossen. Erdogan in seinem Palast baut ein Bild von der Türkei als regionale Supermacht auf.

Türkei ermutigt Landsleute, aggressiver aufzutreten

Alles in allem ermutigt die Türkei Landsleute in der europäischen Diaspora auf diese Weise, aggressiver aufzutreten. Zum Beispiel bei Kundgebungen wie jüngst in Wien. Da werden Erinnerungen an den Holocaust von weit verbreitetem Jubel anwesender Männer und Frauen begleitet, darunter mit türkischer Flagge.

Die USA unter Präsident Joe Biden haben sich bereits gegen den „Antisemitismus“ Erdogans verwahrt. Das klingt, als hätten sie ihn verwarnt. Was insofern nicht unerheblich ist, als die Türkei vom Westen als Nato-Partner an der wichtigen Schnittstelle zwischen Orient und Okzident hochgerüstet wurde.

Inzwischen hat aber die Hinwendung der Türken unter Erdogan zu eurasischen Sicherheitskooperationen, insbesondere zur 2001 gegründeten und von China und Russland gemeinsam geführten Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, Skepsis wachsen lassen. Iran zählt übrigens dort zu den Staaten mit Beobachterstatus. Nun verstehen sich Nato und Europäische Union ausdrücklich als Wertegemeinschaften und wehren dem Antisemitismus. Erdogan will es darum mit seinem Verhalten wirklich wissen: Stehen sie zu ihren Werten? Die Herausforderung nimmt zu.

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