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Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel, Teammitglieder Claudia Kemfert (links), Laura Garavini

© dpa

Hessen vor der Wahl: Die Elf von TSG

Hessens SPD verteilt gut zehn Wochen vor der Landtagswahll schon mal die Posten. Sie landet dabei auch einen Coup gegen die Grünen.

Die Abgeordneten des Wiesbadener Landtags haben sich mit – selbst für hessische Verhältnisse – ungewohnt harten Attacken in die Sommerpause verabschiedet. Auf dem CDU-Landesparteitag zeichnete ihr Landesvorsitzender, Ministerpräsident Volker Bouffier, ein Schreckensszenario, sollten SPD und Grüne die Landtagswahl am 22. September gewinnen. Die SPD betreibe den Tod des Gymnasiums, Grüne und Rote wollten mehr Staat, mehr Bürokratie und die Bürger abkassieren, rief er unter dem Jubel seiner Delegierten. Die Opposition forderte indes den Ministerpräsidenten auf, seinen Innenminister Boris Rhein, ebenfalls CDU, zu entlassen. Sie macht ihn für die Einkesselung von hunderten Demonstranten der Blockupy-Bewegung in Frankfurt Anfang Juni verantwortlich, die sie als maßlosen Angriff auf die Versammlungsfreiheit wertet. SPD und Grüne verklagen die Regierungsparteien zudem vor dem Staatsgerichtshof – im Streit um die umstrittene Förderung einer privaten Universität.

Die Nerven liegen also blank 80 Tage vor der Landtagswahl, denn alles scheint möglich. Schafft die Linkspartei erneut den Einzug ins Parlament, wird es wohl weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün reichen – und beim Scheitern der Linken wird es knapp. Selbstbewusst präsentiert SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel sein Schattenkabinett. An diesem Mittwoch stellt er in Wiesbaden den haushaltspolitischen Sprecher der Landtagsfraktion, Norbert Schmitt, als Finanzminister der Zukunft vor. Als Innenministerin ist Nancy Faeser, als Verkehrsminister Günter Rudolph vorgesehen. Auch für die Ressorts Schule und Wissenschaft benannte er mit Heike Habermann und Gernot Grumbach Experten aus der Fraktion. Für die übrigen fünf Positionen gewann er externe Bewerber. Sozialministerin soll Barbara Feltrini werden, bislang Vorstand der IG-Bau. Für die Justiz soll die Rechtsprofessorin Ute Sacksofsky verantwortlich werden, für das Umweltressort Susanne Selbert, Vize-Landrätin in Gießen. Als Beauftragte für die Energiewende will „TSG“ die parteilose Claudia Kemfert in die Staatskanzlei berufen, die Jürgen Rüttgers, CDU, bereits für sein Team angeworben hatte, bevor er die Landtagswahl gegen Hannelore Kraft verlor. Die Anti-Mafia-Aktivistin Laura Garavini, die Auslandsitaliener im Abgeordnetenhaus in Rom vertritt, soll der Integrationspolitik neue Impulse geben. Mit Matthias Kollatz-Ahnen schlägt Schäfer-Gümbel einen Banker für das Amt des Wirtschaftsministers vor, der über die Parteigrenzen hinweg Ansehen genießt. Mit dieser Nominierung landete der SPD-Chef gleichzeitig einen Coup gegen den Wunschpartner: Die Grünen hatten für ihren Landeschef Tarek al Wazir im Falle einer Regierungsbildung das Amt des Wirtschaftsministers reklamiert und damit Hohn und Spott bei CDU und FDP und Gegrummel bei den Sozialdemokraten ausgelöst, die dieses Amt nicht abgeben wollen.

Laut Umfrage liegen SPD (30 Prozent) und Grüne (15) knapp vor CDU (37) und FDP (5). Im direkten Vergleich der Spitzenkandidaten rangiert Bouffier, dem man Kompetenz zuordnet, knapp vor Schäfer-Gümbel. „TSG“ ist allerdings beliebter als der Regierungschef. Die Arbeit der Landesregierung wird schlechter bewertet als die der Bundesregierung. Doch niemand kann voraussagen, welche Auswirkungen die Bundestagswahl hat, die am selben Tag stattfindet wie die Hessen-Wahl. Schafft die Linke doch überraschend den Wiedereinzug ins Landesparlament, scheint alles möglich, denn alle Parteien vermeiden Vorfestlegungen für diesen Fall.

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