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Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, möchte für die Polizei-Pressearbeit einen neuen Erlass durchsetzen.

© dpa

Herkunft von Verdächtigen: Die Reul-Regel ist gedankenlos

Die Polizei in NRW soll künftig die Herkunft von Tatverdächtigen melden. Fakten sind Fakten, heißt es. Aber das ist zu einfach. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), lässt die Richtlinien für die Polizei-Pressearbeit neu fassen. Den aus seiner Sicht wichtigsten Punkt hat er schon in die Debatte gebracht: Die amtlichen Mitteilungen über Straftaten und Tatverdächtige sollen künftig regelmäßig auch deren Nationalität enthalten.

Nach der bisherigen Fassung gilt dies nur, wenn es dafür ein öffentliches Interesse gibt. Reul spricht von Fakten und Transparenz. Die Polizei im bevölkerungsreichsten Bundesland soll damit eine Lehre aus der Silvesternacht 2015 ziehen.

Damals gab es zahlreiche sexuelle Übergriffe auf Frauen. Verdächtig waren junge Männer aus nordafrikanischen und arabischen Staaten. Die Polizei kommunizierte das schleppend. Es wirkte, als sollte etwas verschwiegen werden. Dies wiederum erschien vielen als Skandal, so dass die Ereignisse in Köln einen Wendepunkt markierten, wie Flüchtlinge wahrgenommen wurden. Die Politik schaltete von Willkommenskultur auf Gefahrenabwehr. Dabei ist es geblieben.

Fakten sind wichtig. Verantwortung ist auch wichtig.

Sicher ist, dass Reuls Plan diesen Zustand verfestigen würde. Fakten sind wichtig. Genau so wichtig aber ist Verantwortung. Berichte über Kriminalität sind ebenfalls wichtig. Wichtig ist jedoch auch die Einsicht, dass damit Ressentiments geschürt, Klischees bestärkt werden können. Fakten und Transparenz sind das eine; eine Stimmung, in der Fakten einseitig präsentiert oder einseitig wahrgenommen werden, ist das andere.

Mit allem muss man rechnen. Alles muss man abwägen. Polizeibehörden ergeht es da nicht anders als Medienleuten. Fakten berichten, nur weil Fakten Fakten sind, klingt plausibel, ist es aber nicht. Man kann nicht alles und ständig berichten. Entscheidend sind Auswahl und Präsentation. Entscheidend ist die Relevanz.

Fakten sind auch, ob ein Tatverdächtiger verheiratet ist oder welcher Religion er angehört. Fakten sind auch seine Wohnanschrift, seine Schuhgröße und seine Handynummer. Sollte die Polizei auch dies alles angeben? Man würde Bedenken haben, schon weil es um Datenschutz geht. Aber gehört die Nationalität nicht auch zu den personenbezogenen Daten? Und wo bleibt hier der Datenschutz?

Die Frage ist: Was ist die Regel? Was die Ausnahme?

Ein kluger Rechtsstaat organisiert vieles mit der Regel-Ausnahme-Technik. Die Frage ist bloß, welches die Regel und welche die Ausnahme sein soll. Die Reul-Regel besagt, dass die Herkunft von Tatverdächtigen stets wichtig ist. In vielen anderen Bundesländern geht die Regel anders; auch Berlin hält die Herkunft nur ausnahmsweise für wichtig.

Nach der Reul-Regel gehören Kriminalität und Nationalität zwingend zusammen. Nach anderen Regeln gibt es diesen Zusammenhang nur ausnahmsweise. Dann wird er genannt. Vielleicht sind das die besseren Regeln. Sie zwingen die Polizei zum Nachdenken. Die Reul-Regel tut dies nicht. Sie ist gedankenlos.

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