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Kanzleramtschef Braun hat die Schuldenbremse zur Debatte gestellt. Die sollte es eher um eine nötige Rentenreform geben, findet unsere Kolumnistin.

© Kay Nietfeld/dpa

Helge Braun war nur der Anfang: Das große Aufräumen vorm Regierungswechsel

Vor den Wahlen im September wird Platz für neue Ideen geschaffen. Die Schuldenbremsen-Debatte zeugt davon. Sie ist allerdings verlogen. Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Ursula Weidenfeld

Clean Desk Policy nennt man in Unternehmen die Regel, den Schreibtisch abends leerzumachen. Man zeigt damit nicht nur, dass die Aufgaben des Tages getan sind. Man signalisiert auch, morgen ganz neu anzufangen, mit freiem Kopf und frischen Ideen.

Wenn nicht alles täuscht, beginnt in diesen Tagen im Kanzleramt gerade genau das: Wer nach der Bundestagswahl im September weiterregieren will, räumt jetzt die Positionen, die in den nächsten Koalitionsverhandlungen ins Altpapier wandern sollen. Und beginnt ganz neu. Zum Beispiel mit dem Ende der schwarzen Null als Maßstab für die Haushaltspolitik.

Kanzleramtsminister Helge Braun gehört zu denen, die weitermachen wollen. Deshalb legt er die Impfverordnung aus der Hand, prüft die Haushaltsplanung und stellt fest: Wegen Corona kann der Etat auch nach 2022 nicht ausgeglichen werden. Er empfiehlt, sich von der schwarzen Null zu trennen und den Schreibtisch für die nächste Bundesregierung leerzuräumen.

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Falsch ist nicht das Signal, in der Finanzpolitik neue Wege zu suchen. Falsch ist die Absicht. Es geht nämlich nicht, wie Braun glauben machen will, um milliardenschwere Investitionen in die Infrastruktur, die beim Festhalten an der schwarzen Null gefährdet wären. Es geht um Drückebergerei bei den Sozialausgaben.

Es steht eine Rentenreform an, so unbeliebt die ist

Die nächste Bundesregierung muss die Rentenreform wagen, die unter Bundeskanzlerin Angela Merkel immer wieder verschoben wurde. Sie muss die Lebensarbeitszeit verlängern oder das Rentenniveau senken oder die Beiträge für die Jüngeren anheben oder massiv auf Einwanderung setzen. Da einen guten und gerechten Weg zu finden, also zwischen diesen Optionen zu navigieren, wird extrem schwer. Da ist es angenehmer, den Notausgang zu nehmen: mehr Bundeszuschuss für die Rentenversicherung, mehr Kreditaufnahme, weniger Ärger bei den Rentnern. Für die Jüngeren aber ist Brauns Vorschlag alles andere als Clean Desk. Er würde zwar die Koalitionsverhandlungen erleichtern. Doch die Rentenreform abzuräumen und in der tiefsten Schublade des Schreibtischs zu verstauen, löst das Problem nicht. Wer wirklich weiterregieren will, muss sich die Sache vornehmen – und sie der Wählerin mit einem klaren Vorschlag zur Entscheidung vorlegen.  

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