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Auf dem Weg nach Polen: Außenminister Heiko Maas (Archivbild vom 16.3.2018)

© dpa/Kay Nietfeld

Heiko Maas zu Besuch in Polen: Die kalte deutsch-polnische Partnerschaft

Kein Tauwetter in Sicht in den deutsch-polnischen Beziehungen - aber auch kein Grund, gar nichts mehr verbessern zu wollen. Ein Gastbeitrag zum Besuch von Außenminister Maas in Polen.

Die Spaltung Europas verhindern. Vor dieser Aufgabe werden Außenminister Heiko Maas und sein polnischer Amtskollege Jacek Czaputowicz am Montag stehen, bei ihrem Treffen in einem Franziskanerkloster bei Auschwitz. Denn das Gefälle zwischen Eliten der beiden Länder bedroht den europäischen Zusammenhalt. Eine Einigung ist aber nicht in Sicht. Im Gegenteil: Angesichts gravierender Konflikte wird es Zeit, die Fundamente unserer Beziehung zu beschützen.

Das Kernproblem der polnischen Regierung liegt darin, dass Vorgaben von Jarosław Kaczyński ihren Spielraum extrem begrenzen. Die Vorgaben haben sich seit der Machtübernahme nicht verändert und werden dies auch jetzt nicht tun.

Kaczyński macht drei: Erstens sei Polen innenpolitisch von altkommunistischen Netzwerken bedroht, die nur durch eine Regierung mit uneingeschränkter Macht beseitigt werden können. Zweitens hätten Vorgängerregierungen das Land durch außenpolitische Kompromisse zu einem „deutsch-russischen Kondominium“ gemacht, also de facto die Souveränität abgegeben. Drittens sei die Europäische Union eine Gefahr, weil sie gegen Polens Staatsumbau vorgeht, die Entwicklung der Wirtschaft blockiert und der Bevölkerung ein kosmopolitisches Weltbild aufzwingt.

Daraus folgt ein widersprüchliches Programm. So plädiert Kaczyński einerseits für ein „Europa der Vaterländer“ mit einer schwachen Europäischen Kommission, die von inneren Angelegenheiten der Mitgliedsländer die Finger lässt. Andererseits ist er gegen ein „Konzert der Großmächte“, in dem Deutschland und Frankreich die EU dominieren, was allerdings nur mit einer starken Kommission zu machen ist.

Polen möchte nehmen, aber ohne zu geben

Der zweite Widerspruch besteht in der Haltung zu Kompromissen. Andere Mitgliedsländer sollen tun, was sich die polnische Regierung wünscht, aktuell zum Beispiel ein für Polen günstiges EU-Budget verabschieden. Im Gegenzug müsse Warschau aber weder Gegenleistung erbringen, zum Beispiel in Migrationsfragen, noch davon abrücken, offensiv EU-Recht zu missachten. Dabei argumentiert die polnische Regierung, in diesem Fall nicht zu Unrecht, dass auch Deutschland sich gelegentlich kompromissarm verhält – wie beim Bau der Nord Stream 2-Pipeline.

Aufgrund dieser Beschränkungen ist von der polnischen Seite kein Durchbruch bei wichtigen Themen zu erwarten, weder bezüglich der polnischen Rechtsstaatlichkeit noch der Haltung zur vertieften Integration im Bereich der Währungsunion, Migration oder Verteidigung.

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Das stellt Außenminister Maas vor ein Dilemma. Im deutschen Interesse liegt es nämlich, die Beziehung mit Polen zu verbessern, um so die Ost-West-Spaltung Europas aufzuhalten. Aus diesem Grund haben sich deutsche Regierungen mit der Kritik am illiberalen Staatsumbau bislang eher zurückgehalten. Andererseits weiß man, dass übermäßige Zurückhaltung ähnliche Bewegungen in anderen EU-Ländern stärken kann. Mit dem Ergebnis, dass die Rechtsordnung, dank der die EU funktioniert, zusammenbricht.

Kurzum: Es gibt heute keine Aussicht auf ein deutsch-polnisches Tauwetter. Vielmehr erwarten uns Konfrontationen rund um Polens zunehmend feindliche Einstellung zur Europäischen Union, auf die von deutscher Seite Reaktionen folgen werden.

In dieser Lage ist es wichtig, einige Kooperationsbereiche vom politischen Konflikt zu isolieren. Das kann die EU vor der Spaltung bewahren, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schaden vermeiden und eine Basis für zukünftige Beziehungen schaffen-

Gesellschaftlicher und kultureller Austausch muss gefördert werden

Einer dieser Bereiche sind zwischenmenschliche Kontakte, ein äußerst wichtiges Fundament unserer Beziehungen. Allein das Deutsch-Polnische Jugendwerk ermöglichte Begegnungen von knapp drei Millionen jungen Deutschen und Polen. Der deutsch-polnische „Begegnungsmotor“ umfasst auch hunderte Städtepartnerschaften sowie zivilgesellschaftlichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Austausch. Solche persönlichen Erfahrungen wirken sich nachweislich auf die gegenseitige Wahrnehmung aus. Laut einer aktuellen Umfrage deklarieren 68 Prozent der Polen, die Deutschland besucht haben, und 70% der Deutschen mit Polenerfahrung Sympathie für das andere Land. In der Gesamtbevölkerung hingegen fanden lediglich 56 Prozent der Polen und nur 29 Prozent der Deutschen die Nachbarn sympathisch.

Es wäre klug, Begegnungsmöglichkeiten weiter zu stärken. Wie wäre es mit einem regelmäßigen Treffen von jungen Führungskräften aus beiden Ländern unter Schirmherrschaft der Außenminister? Oder mit der Schaffung einer „Deutsch-Polnischen Hochschule“, die – nach Vorbild der Deutsch-Französischen Hochschule in Saarbrücken – Universitäten in beiden Ländern helfen würde, deutsch-polnische Studiengänge einzurichten? Eine gute Investition wären schließlich Vorhaben, die Ideen für die Zukunft der Beziehungen hervorbringen, beispielsweise Think Tank-Projekte.

Ein Abkühlen des politischen Dialogs sollte uns auch nicht davon abhalten, ambitionierte Pläne in der Wirtschaftspolitik umzusetzen. Nur so werden wir die Chancen der nächsten industriellen Revolution nutzen können. Wie wäre es mit einem besonderen Rechtsstatus für junge innovative Unternehmen aus beiden Ländern, der Eintrittsbarrieren zum jeweiligen Markt maximal senkt? Oder mit „digitalen Botschaften“, also Büros in Berlin und Warschau in denen Unternehmen aus der Digitalbranche des jeweiligen Landes ihr Angebot vorstellen und Kontakte knüpfen könnten? Und was den für beide Volkswirtschaften überlebenswichtigen Bereich der Digitalisierung angeht: warum hat Deutschland bereits seit 2016 einen bilateralen Digitalisierungsplan mit Frankreich, aber noch nicht mit Polen?

Maßnahmen gegen einen vollständigen Zusammenbruch der Beziehungen sind wichtig

Auch im sicherheitspolitischen Bereich sollten wir unseren Dialog stärken. Und zwar gerade wegen des seltenen Umstands, dass nächstes Jahr beide Länder im UN-Sicherheitsrat vertreten sein werden. Nach der russischen Aggression gegen die Ukraine hat sich die Berliner und Warschauer Sicht auf Bedrohungen im Osten angenähert, und die durch amerikanische Politik verursachte Unsicherheit betrifft beide Länder gleichermaßen. Warum also sollten wir nicht anstreben, unsere Potentiale in Form einer deutsch-polnischen Brigade zu bündeln? Polen und Deutschland sind auch natürliche Partner für engere technologische Zusammenarbeit sowie gemeinsame Beschaffungsvorhaben. Die dringenden Bedürfnisse der beiden Armeen sind allgemein bekannt.

Deutschland und Polen erwartet also eine kalte Partnerschaft, in der schwere Konflikte die Beziehung zunehmend belasten werden. Daher erscheint es wichtig, Schritte einzuleiten, die einem vollständigen Zusammenbruch der Beziehungen vorbeugen. Von Erfolg werden wir schon dann sprechen können wenn wir es schaffen, in einem Teil unserer Beziehungen ein positives Klima aufrechtzuerhalten, auf dem wir in Zukunft bauen werden.

- Jan Jakub Chromiec ist Europaforscher am ideenForum der Batory Stiftung in Warschau. Er arbeitete für die Bertelsmann Stiftung in Deutschland und den USA und forschte am Jacques Delors Instituts Berlin.

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