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Deutsche Tornado-Kampfflugzeug sollen im Ernstfall US-Atomwaffen ins Ziel tragen.

© Thomas Frey/dpa

Heikle Frage für die Koalitionsverhandlungen: SPD-Kritik an nuklearer Abschreckung

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich geht auf Distanz zur bisherigen Abschreckungsstrategie der Nato. Damit stellt sich die Frage: Wird ihm die neue Ampelkoalition folgen?

Von Hans Monath

Kurz vor Beginn der Verhandlungen über das Programm einer künftigen Ampelkoalition ist SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich auf Distanz zur atomaren Abschreckungspolitik der Bundesregierung gegangen. Damit wirft der SPD-Politiker die Frage auf, ob eine neue Regierung den Bruch mit der Nato-Strategie vollziehen will. Die Grünen lehnen die „atomare Teilhabe“ Deutschlands ab, in der SPD gibt es ähnliche Tendenzen. Allerdings wird die entsprechende SPD-Verhandlungsgruppe von Außenminister Heiko Maas geführt, der die nukleare Abschreckung befürwortet.

Mützenich nannte Äußerungen von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zum Einsatz von Nuklearwaffen in einem Konflikt mit Russland „verantwortungslos“. Sie unterscheide sich „nicht von den ebenso haltlosen Drohungen der russischen Seite“. Die Ministerin hatte erklärt, die Nato müsse „Russland gegenüber sehr deutlich machen, dass wir am Ende (...) bereit sind, auch solche Mittel einzusetzen, damit es vorher abschreckend wirkt und niemand auf die Idee kommt, etwa die Räume über dem Baltikum oder im Schwarzmeer Nato-Partner anzugreifen.“ Dies sei „der Kerngedanke der Nato“.  Sie verwies dabei auf Verletzungen des Luftraums über den baltischen Nato-Staaten durch Russland, aber auch auf „zunehmende Übergriffigkeiten rund um das Schwarze Meer“.

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Der SPD-Politiker warf der Ministerin vor, mit an einer „Eskalationsschraube“ zu drehen. „Mir ist schleierhaft, ob die Ministerin auch an die noch in Deutschland lagernden Atomwaffen gedacht hat“, sagte er. Die deutsche Sicherheitspolitik habe sich bisher dadurch ausgezeichnet, noch verbliebene Chancen zur Entspannung auszuleuchten. Der Fraktionschef forderte die Ministerin ausdrücklich auf, „die Politik einer neuen Bundesregierung nicht zu belasten“.

Schon in seiner Doktorarbeit erteilte er dem Prinzip der atomaren Abschreckung eine Absage:  Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender der SPD.
Schon in seiner Doktorarbeit erteilte er dem Prinzip der atomaren Abschreckung eine Absage:  Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender der SPD.

© Jörg Carstensen/dpa

Für Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) beweist Mützenichs Kritik, dass dieser „das Prinzip der Abschreckung nicht verstanden hat oder verstehen will“. Es zeige „bestenfalls Naivität“, wenn der SPD-Politiker die von der Ministerin beschriebene defensive Strategie der Nato auf eine Stufe mit russischen Drohungen setze, sagte Wadephul dem Tagesspiegel. Er sei gespannt, „ob ein möglicher Kanzler Scholz sein Bekenntnis zur Nato innerhalb der eigenen Fraktion durchsetzen kann“. Es sei „im ureigenen deutschen Sicherheitsinteresse“, keinen Zweifel an der Zuverlässigkeit als Nato-Partner aufkommen zu lassen.

FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai empfahl dem SPD-Fraktionschef, in strittigen Fragen nicht vor Beginn der Verhandlungen öffentlich Vorfestlegungen zu treffen, sondern sie intern mit den potenziellen Koalitionspartnern zu besprechen. "Über die Inhalte reden wir in den jeweils zuständigen Arbeitsgruppen", sagte der außenpolitische Sprecher seiner Fraktion: "Ich würde daher dem Kollegen Mützenich auch diesen Weg empfehlen."  

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