zum Hauptinhalt
Ein Orteingangsschild der Statdt Heidenau in Sachsen.

© dpa

Heidenau und Fremdenhass: Kein Säxit, sondern ein gesamtdeutsches Problem

Das Wortspiel "Säxit" mag man witzig finden oder nicht - aber wer jetzt nur auf Sachsen blickt, macht es sich möglicherweise etwas einfach. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ruth Ciesinger

Freital, Meißen, Dresden als Mutterstadt von Pegida. Vergangene Woche, noch ganz ohne den randalierenden braunen Mob von Heidenau, haben rechtsextreme Auswüchse in Sachsen den Dresdner Bürochef der "Zeit" zu einer Polemik über den Freistaat veranlasst. Hingeschrieben auf den möglichen "Säxit". Sinngemäß schreibt Stefan Schirmer: Die Sachsen mögen sich doch bitte unabhängig machen, wenn sie solche Probleme mit in Deutschland grundgesetzlich gesicherten Rechten wie dem Asylrecht und dem Schutz der Menschenwürde haben. So weit, so verallgemeinernd, so zugespitzt.

Jetzt, nach einem Wochenende, in dessen Verlauf hunderte Rechtsextremisten vor einer Notunterkunft für Flüchtlinge demonstriert, randaliert und sogar Straßensperren errichtet haben, sind Entsetzen und Fassungslosigkeit darüber, was da in Sachsen passiert, noch einmal größer. Unter anderen Tim Renner, SPD-Kulturstaatssekretär in Berlin, hat auf Facebook mit dem "Säxit" geliebäugelt, der Hashtag #saexit hat wieder an Fahrt aufgenommen. So nachvollziehbar das ist: Mit dem Unverständnis ist zugleich die Notwendigkeit gestiegen, sich nicht auf Sachsen als alleinige deutsche Problemzone zu fokussieren.

Natürlich muss man fragen, was da in Sachsen schief läuft. Woher kommt es, dass in einem Bundesland, in dem gerade mal vier Millionen von insgesamt 80 Millionen Deutschen leben, in diesem Jahr jede fünfte von rund 200 bundesweiten Attacken auf Asylbewerberunterkünfte stattgefunden hat? Und woran liegt es, dass CDU-Regierungschef Stanislaw Tillich erst einmal fast zwei Tage über die Vorfälle in Heidenau grübelte, bis er sich zu einer Stellungnahme entschloss?

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Es gibt eine Menge Theorien, warum rechtsextreme Übergriffe und Gewalttaten nicht nur in Sachsen sondern in ganz Ostdeutschland überproportional höher sind als in den westdeutschen Bundesländern. Eine davon ist, dass man am meisten fürchtet, was man nicht kennt. (Familienministerin Manuela Schwesig hat am Sonntag mit einem anderen Ansatz aufgewartet und gesagt, Rechtsextreme hätten sich bewusst in dünn besiedelten Gebieten in Ostdeutschland niedergelassen, aber das hier nur am Rande.) Doch wenn man das offenbar alles schon lange wusste, fragt sich, warum die Politik, in Sachsen vor allem die seit 25 Jahren regierende CDU, hier nicht schon sehr viel früher gegengesteuert hat. Die Christdemokratische Union ist immerhin eine gesamtdeutsche Partei, die zudem die Kanzlerin aller Deutschen stellt.

Die rechtsextreme Randale in Heidenau kam außerdem, wie die "Sächsische Zeitung" berichtet, nicht unerwartet. "Wer vergangene Woche in den sozialen Netzwerken verfolgte, wie sich die Atmosphäre in Heidenau aufheizte, musste damit rechnen, dass es knallt. Tage vorher bliesen rechte Truppen zur "Blockade" und freuten sich auf den "Bürgerkrieg"", schreibt dort Heinrich Maria Löbbers. Wie kann es dann sein, dass Politik und Polizei entweder den Kopf in den Sand gesteckt haben oder es einfach mal darauf ankommen ließen, was passieren würde?

Das empört und muss geklärt werden. Trotzdem, und Daniel Kretschmar von der "taz" kommentiert das sehr gelungen: Es geht bei Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte nicht um Sachsen und den Säxit (der ohnehin nur ein Witz ist). Es geht um ein gesamtdeutsches Problem, das man nicht - auch wenn man gerne wollte - von Restdeutschland abtrennen und auf diese Art und Weise lösen könnte. Fremdenfeindlichkeit gibt es auch im tiefen Süden der Republik, wie zum Beispiel der CSU-Ortsverband Schliersee beweist.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Wenn für diesen Montag offenbar als Reaktion auf Heidenau zum Beispiel in Köln zu Demonstrationen aufgerufen wird, ist das sicher gut, ein Zeichen zu setzen. Aber daraus ein Sachsen-Bashing werden zu lassen, das zum "Wir-sind-besser" auf der einen Seite und zur Wagenburg-Mentalität auf der anderen Seite führt, das wäre das denkbar schlechteste Ergebnis.

Zur Startseite