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Das von Saudi-Arabien angeführte Militärbündnis will die von Huthi-Rebellen besetzte Hauptstadt Sanaa zurückerobern und fliegt massive Luftangriffe.

© Hani al Ansi/dpa

Heftige Kämpfe im Jemen: Gewalt statt Diplomatie

Die Kämpfe im Jemen werden immer brutaler. Dabei dringt US-Präsident Biden auf eine politische Lösung des Konflikts. Doch das wird immer schwieriger.

Eine „humanitäre und strategische Katastrophe“ – mit diesen Worten hat US-Präsident Joe Biden den Krieg im Jemen verdammt. Seine Regierung hat deshalb die militärische Unterstützung für die Offensive des Partners Saudi-Arabien im ärmsten Land der arabischen Halbinsel eingestellt. Zugleich lancierte Washington Gespräche mit den aufständischen Huthis, die gegen die Saudis kämpfen.

Doch zwei Monate nach Bidens Amtsantritt ist von einem Ende des Krieges, der seit sechs Jahren das Land verheert, nichts zu sehen, im Gegenteil. Die Gefechte im Jemen eskalieren, die Huthis greifen zudem Ölanlagen in Saudi-Arabien an. Ohne rasche Lösung steht Biden vor der ersten schweren außenpolitischen Schlappe seiner Amtszeit.

Das liegt daran, dass beide Kriegsparteien militärische Vorteile wittern. Obwohl Saudi-Arabien und Huthis wissen, dass sie den 2015 begonnenen Konflikt nicht gewinnen können, weiten sie die Kämpfe aus, um sich vor möglichen Verhandlungen eine gute Ausgangsbasis zu sichern.

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Auch der Streit um Irans Atomprogramm spielt eine Rolle: Der Jemen-Konflikt ist ein Stellvertreterkrieg zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran. Die schiitischen Huthis kontrollieren die Hauptstadt Sanaa und weite Teile von Nordwest-Jemen, während die vom saudischen Königshaus unterstützte jemenitische Regierung im Osten und in der Hafenstadt Aden im Süden herrscht.

Millionen Jemeniten leben in Not und Armut

Beide Seiten nehmen keine Rücksicht auf Zivilisten. Dabei leiden die Menschen im Armenhaus der arabischen Welt schon seit Langem unter dem Krieg und seinen Folgen. Not, Armut, Hunger und Gewalt – fast jede Familie ist auf humanitäre Hilfe angewiesen.

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Die meisten Menschen können sich weder Lebensmittel noch Medikamente leisten. Millionen Kinder sind mangelernährt, Hunderttausende hungern so sehr, dass ihr Leben akut in Gefahr ist. Der Ausbreitung des Coronavirus kann kaum etwas entgegengesetzt werden. Denn das Gesundheitssystem ist dem Krieg zum Opfer gefallen.

Biden versucht es auch deshalb mit Deeskalation. Dazu gehört der Lieferstopp amerikanischer Angriffswaffen für Saudi-Arabien und die Rücknahme einer Entscheidung der Regierung von Donald Trump, mit der die Huthis zur Terrorgruppe erklärt worden waren.

Bidens Jemen-Beauftragter Timothy Lenderking traf sich der Nachrichtenagentur Reuters zufolge außerdem Ende Februar im Oman mit Huthi-Unterhändler Mohammed Abdusalam. Gebracht hat es nichts.

Die aufständischen Huthi-Milizen kontrollieren weite Teile des Jemen.
Die aufständischen Huthi-Milizen kontrollieren weite Teile des Jemen.

© Mohammed Huwais/AFP

Die Huthis wittern vor allem eine Chance, die ölreiche Provinz Marib östlich von Sanaa zu erobern. Ihr Sieg dort könnte kriegsentscheidend sein. Eine neue Fluchtwelle von Hunderttausenden aus Marib würde „unvorstellbare humanitäre Folgen“ haben, warnt die UN.

Als Reaktion auf die neue Huthi-Offensive bombardierte die saudische Luftwaffe in den vergangenen Tagen die von den Rebellen gehaltene Hauptstadt Sanaa. Mindestens 120 Kämpfer der Huthis sollen allein innerhalb von 24 Stunden ums Leben gekommen sein.

Angriffe auf die größte Ölverladestation der Welt

Wie schon oft in den vergangenen Jahren greifen die Huthis als Reaktion saudische Ölanlagen an, um das die Golfmonarchie zur Einstellung der Bombardements zu zwingen. Am Sonntag feuerten die Rebellen Raketen und Drohnen auf Ras Tanura, die größte Ölverladestation der Welt – der Preis für den Rohstoff stieg auf den höchsten Stand seit einem Jahr.

Allerdings ist diese Taktik innerhalb der Huthi-Führung umstritten, sagt Jemen-Experte Raiman al Hamdani von der Denkfabrik ECFR. In Marib haben die Huthis kaum Aussichten auf Erfolg, denn die Gegend wird nicht nur von der Regierung verteidigt, sondern auch von bewaffneten sunnitischen Stämmen.

Abertausende Kinder im Jemen sind lebensgefährlich unterernährt.
Abertausende Kinder im Jemen sind lebensgefährlich unterernährt.

© Mohammed Huwais/AFP

Den Aufständischen stehen verlustreiche und am Ende womöglich vergebliche Kämpfe bevor. Hamdani sieht daher Möglichkeiten für die USA, die EU und Staaten wie Deutschland, die Huthis zu einem Stopp der Offensive zu bewegen. Auch Fortschritte im Konflikt um Irans Atomprogramm könnten die Aussichten auf einen Waffenstillstand im Jemen verbessern, analysiert Hamdani.

Der Kronprinz darf nicht als Verlierer dastehen

Gesichtswahrende Lösungen gelten als der Schlüssel für ein Ende der Kämpfe. Angebote an die Huthis wie die Aufhebung der saudischen Seeblockade vor der jemenitischen Westküste könnten etwas bewirken, glaubt Hamdani. Saudi-Arabien signalisiert bereits seit Längerem seine Bereitschaft, den Krieg zu beenden.

Doch Riad braucht eine Lösung, die Kronprinz Mohammed bin Salman, der den Krieg vor sechs Jahren begann, nicht als Verlierer dastehen lässt. Bisher hat Biden eine solche Formel noch nicht gefunden.

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