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Ist es ein Fahrrad, wenn es zusammengeklappt ist? Unser Kolumnist argumentiert: Nein.

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Hausordnung im Bundestag: „Falträder sind unabhängig vom Faltzustand Fahrräder im Sinne der StVZO“

Abgeordnete dürfen auch Klappräder nicht mit in den Bundestag nehmen. Eine Kolumne über das juristische Wesen des Fahrrads.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Typisch deutsch, wie der Elektroroller die Gemüter überrollt: Große Worte um den angeblichen Aufbruch ins Zeitalter der Elektro-Individualmobilität, große Diskussionen um die richtigen Regeln, dann große Enttäuschung, weil die Scooter alles andere sind als eine „echte Alternative zum Auto“ (Verkehrsminister Andreas Scheuer, CSU) und nun das große Gemecker über herumliegende Schrottmobile in den Innenstädten.

Wir fassen zusammen: Rollerfahren macht Spaß und irgendwann muss das Ding an die Steckdose. Die Regeln nerven, weshalb sie ständig gebrochen werden. Denn im Gegensatz zum Fahrrad muss der Scooter dank neuer Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung auf die Radwege, die insbesondere in Berlin stark ausbaufähig sind. Damit ist der Rollerverkehr totreguliert, bevor er überhaupt starten kann. Eine „Alternative zum Auto“, die nur auf Radwegen verkehren darf, wird nie eine sein. Der Straßenverkehr muss für alle da sein, die sich in ihm bewegen wollen, nicht nur für das Auto.

Bundestagsverwaltung lässt Klappfahrräder im Gebäude nicht zu

Verkehrspolitik sollte besser zur umfassenden Mobilitätspolitik werden. Die fängt im Kleinen an und dort sprichwörtlich bei den Kleinstfahrzeugen. Wie alt wir hier aussehen, beweist der Deutsche Bundestag bei seiner Auslegung der Zugangs- und Verhaltensregeln für die Bundestagsliegenschaften. Danach ist die Mitnahme von Fahrrädern in die Gebäude nicht gestattet. Eine sinnvolle Regelung, denn sonst würden vermutlich Flure und Gänge zugeparkt werden. Wie aus Sinn Unsinn wird, zeigt sich beim Umgang mit Kleinstfahrzeugen. Denn auch zusammengeklappte Falträder, die in eine Reisetasche passen würden, dürfen nicht hinein.

Die Bundestagsverwaltung bezieht sich dazu nüchtern auf die Straßenverkehrszulassungsverordnung, wonach „ein Fahrrad ein Fahrzeug mit mindestens zwei Rädern ist, das ausschließlich durch die Muskelkraft auf ihm befindlicher Personen mit Hilfe von Pedalen und Handkurbeln angetrieben wird“. Richtig. Wer schon einmal versucht hat, auf einem gefalteten Faltrad zu fahren, kommt allerdings unweigerlich zum Schluss: Dies ist kein Fahrrad im Sinne der Verordnung. Es kann nämlich nicht fahren.

Anders sehen es die Hausjuristen im Bundestag: „Falträder sind unabhängig vom Faltzustand ebenfalls als Fahrräder im Sinne des § 63a StVZO anzusehen“. Logisch, dass mit derartiger gedanklicher Immobilität kein Raum dafür bestehen kann, die Vorteile von Kleinstfahrzeugen auf die Straße zu bringen. Man setzt gleich, was nicht gleichzusetzen ist. Ähnlich handhabt es die Bundestagsverwaltung übrigens mit den E-Scootern. Sie zählen dort als Fahrräder, E-Bikes oder Pedelecs, die ausschließlich auf die gekennzeichneten Abstellanlagen gehören.

Wo Mobilität abgestellt werden muss, kann sie sich nicht entfalten. Höchste Zeit also, die Kleinstfahrzeuge auf eine größere Spur zu setzen. Bevor irgendein Minister dafür neue Verordnungen ersinnen lässt, könnte der Bundestag selbst ein Zeichen setzen und das hohe Haus für Kleinstfahrzeuge öffnen. Freilich nur, wenn man bereit ist, sie zu tragen.

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