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Über Telegram werden Mordaufrufe verbreitet.

© REUTERS/Dado Ruvic/Illustration

Hass und Hetze bei Telegram: Warum der Bote allein nicht das Problem ist

Mit nationalen Gesetzen lässt sich wenig gegen globale Dienste ausrichten. Auf Länderebene könnte man den Fokus aber auf etwas anderes richten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Miriam Schröder

Auf Telegram werden massenweise Verschwörungstheorien und Hassbotschaften verbreitet, bis hin zu öffentlichen Mordaufrufen. Natürlich stellt sich da die Frage, wie der Staat das unterbinden kann. Der Rechtsstaat müsse „handeln, bevor es Tote gibt“, forderte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am Freitag erneut.

Aber wenn, wie sollte das gehen? Die Debatte um die Rolle von Nachrichtenboten gehört zu deren Geschichte. „Don’t kill the Messenger“, heißt es von ihren Verteidigern. Nicht den Überbringer der Nachricht töten, denn er kann nichts für den Inhalt.

Auch wirkt Telegram – neben der Eskalation hierzulande – anderswo positiv. Etwa aktuell in Kasachstan. Etliche der Videos, die der Welt zeigten, wie brutal der Staat gegen Demonstranten vorging, wurden über Telegram versendet. Den Dienst konnte nicht mal der dort herrschende Autokrat kontrollieren. Am Ende wurde im ganzen Land das Internet abgestellt.

Es ist in vielen Hinsichten schwierig, Messaging-Dienste zu kontrollieren. Ihre Inhalte sind rein virtuell und teilweise verschlüsselt. Bei Telegram kommt für deutsche Behörden hinzu, dass die Unternehmensstruktur undurchsichtig ist. Die Gründer kommen aus Russland, die physische Präsenz der Firma wird in Dubai vermutet. Wer auf eine schnelle Lösung hofft, wird also enttäuscht werden.

Telegram ist beides: Messenger und Plattform

Es ist zudem nicht klar, ob sich das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken verbessern soll, auch auf einen Dienst wie Telegram anwenden lässt. Telegram ist beides: Ein Messenger wie Whatsapp oder Signal, über den Personen sich schreiben können, ohne dass jemand mitliest. Zugleich gibt es auch öffentliche Kanäle mit hunderttausenden Nutzerinnen und Nutzern, ähnlich einem sozialen Netzwerk.

[Lesen Sie hier bei T-Plus: Hass und Hetze per App: Wie der Staat jetzt auf Telegram reagieren kann.]

Doch selbst wenn das NetzDG, das soziale Netzwerke beispielsweise verpflichtet, strafbare Inhalte zu löschen und an eine staatliche Stelle zu melden, auch bei Telegram zur Anwendung käme: Es muss sich erst einmal durchsetzen lassen. Und derzeit sieht es so aus, dass das Unternehmen auf Schreiben deutscher Behörden nicht einmal antwortet.

Google und Apple verbannten die Apps

Aus den USA gibt es einen Vorgeschmack auf noch ein Problem der Messenger-Regulierung: Nachdem Donald Trump seine Anhänger über Twitter und Facebook aufgehetzt hatte, was am Ende in der Erstürmung des Kapitols mündete, sperrten die großen Plattformen seine Profile.

Während das von Angela Merkel bis Alexej Nawalny noch kritisiert wurde, verzogen sich die Trump-Fans in andere, neuere und weniger kontrollierte Netzwerke, wie Parler oder eben Telegram, wo sie dann wieder unbeobachtet, unkontrolliert und unzensiert trollen und hetzen konnten. Bei Parler wurden schließlich Google und Apple aktiv. Sie verbannten unter Verweis auf das Zulassen demokratiegefährdender Inhalte den Dienst aus ihren App-Stores. Amazon weigerte sich außerdem, Parler eine Plattform für seine Webseite zu bieten.

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Man kann die Dienste also schon jetzt beschränken – aber nicht von Staats wegen, sondern nur von Seiten der Tech- Konzerne, über deren App-Stores die Dienste verbreitet werden. Das ist wiederum ein großes Problem, denn so entscheiden letztlich private Konzerne, was von wem gesagt werden darf.

Europa muss selbst die Regeln setzen für seine digitale Infrastruktur, die zum großen Teil in anderen Teilen der Welt programmiert wird. Dafür wird vor allem der Digital Services Act verantwortlich sein, an dem gerade in Brüssel gearbeitet wird.

Auch der wird aber nicht verhindern, dass immer neue Plattformen entstehen, die sich wieder der Kontrolle entziehen. Hass, Hetze und Verschwörungstheorien wird es immer geben, es gab sie auch schon immer. Sie sind eine der möglichen Reaktionen von Menschen auf ihre Lebensumstände. Die zu beeinflussen, liegt schon eher im Rahmen einzelner Gesellschaften und ihrer Politik. Schnell geht aber auch das nicht.

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