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Hass im Netz: Facebook soll handeln

In Facebook-Kommentaren erscheinen immer mehr Hasstiraden gegen Flüchtlinge und Politiker. Dagegen will der Justizminister vorgehen. Hat das Anliegen eine Chance? Fragen und Antworten.

An einer Stelle bricht Katrin Göring-Eckardt den Satz lieber ab. Zu heftig ist das, was ihr ein Facebook-Nutzer geschrieben hat: „Sag mal, fette, dämliche Ratte, fehlt dir eigentlich…“, beginnt der Satz. Auch Kommentare wie „Amischlampe“, „Dumm wie die Sau, die Alte“, oder: „Ich schlage keine Frauen, aber bei dir würde ich eine Ausnahme machen“ und „Ihr gehört alle am nächsten Baum aufgehängt“ hat die Fraktionschefin der Grünen erhalten. Und damit reicht es ihr jetzt. In einem Video, das sie am Freitag auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht hat, fordert sie das soziale Netzwerk auf, gegen fremdenfeindliche Einträge vorzugehen: „Sorgt endlich dafür, dass solcher Hass, dass solcher Dreck nicht mehr auf den Seiten von Facebook steht.“ Den Schreibern der Hass-Postings macht sie klar, dass sie sich davon nicht einschüchtern lässt: „Euer Dreck spornt mich an.“

Wie macht die Politik jetzt Druck auf Facebook?

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Facebook dazu ermahnt, rassistische Kommentare nicht zu dulden. „Wenn Menschen unter ihrem Namen in den sozialen Netzwerken Volksverhetzung betreiben, muss nicht nur der Staat agieren, sondern auch das Unternehmen Facebook sollte gegen diese Parolen vorgehen“, sagte Merkel der „Rheinischen Post“. „Die Regeln dazu hat Facebook, sie müssen angewandt werden.“

Die Kanzlerin macht damit am Freitag deutlich, dass sie hinter den Forderungen von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) steht. In einem offenen Brief hatte auch er von dem sozialen Netzwerk verlangt, Maßnahmen gegen die Verbreitung rassistischer und volksverhetzender Inhalte zu ergreifen. Es sei kaum nachvollziehbar, dass Fotos bestimmter Körperteile wegen moralischer Bedenken automatisch gelöscht würden, während rassistische Äußerungen selbst nach Hinweisen darauf nicht entfernt würden, schrieb er. Auf Mass’ Einladung hin kommt es am Montag zu einem Treffen zwischen Facebook und dem Bundesjustizminister.

Worum geht es bei dem Treffen?

Maas will, dass Facebook konkrete Maßnahmen gegen die Hasskommentare ergreift. Zwar hat es auf den Seiten des 2004 gegründeten und mit 1,4 Milliarden Nutzern weltweit größten sozialen Netzwerks schon immer hetzerische Kommentare gegeben, doch im Rahmen der Flüchtlingsdebatte werden diese zahlreicher, auch der Ton hat sich verschärft.

Facebook setzt jedoch auf das Prinzip der Selbstregulierung, nur von anderen Nutzern gemeldete Posts werden geprüft und vor allem nur dann gelöscht, wenn sie nach Ansicht von Facebook gegen die Gemeinschaftsstandards des Netzwerks verstoßen. Dazu würden Inhalte „wie Hassrede, Aufruf zur Gewalt oder Gewaltverherrlichung“ zählen. Allerdings zeigen nicht nur die Beispiele von Göring-Eckardt, dass dieses Prinzip nicht greift. Das wird Maas am Montag zum Thema machen. Das Gespräch ist auf ein bis zwei Stunden anberaumt. Von Facebook-Seite werden Policy-Director Richard Allan, Managerin Eva-Maria Kirschsieper sowie Sprecherin Tina Kulow erwartet.

Maas fordert Facebook dazu auf, in Deutschland ein Team mit deutschsprachigen Mitarbeitern einzustellen. Sie sollen gezielt gegen Hassbotschaften über Ausländer und Flüchtlinge auf der Plattform vorgehen, berichtet der „Spiegel“. Dieses Anliegen unterstützt auch die Opposition. Nach Ansicht der netzpolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Halina Wawzyniak, wäre es „ein erster Schritt“, wenn Facebook Juristen einstelle, die schnell Hinweise auf Verstöße gegen die eigenen Regeln oder gegen Gesetze prüfen könne.

In einer internen Forderungsliste des Ministeriums heißt es weiter, das soziale Netzwerk müsse auch enger mit Strafverfolgern und zivilen Vereinen kooperieren. Um „verlorenes Vertrauen“ zurückzugewinnen, müsse das Unternehmen offenlegen, wie viele Beschwerden über Hassbotschaften es erhält, wie viele Mitarbeiter sich nach welchen Kriterien darum kümmern, wie lange die Prüfungen dauern und wie oft problematische Inhalte tatsächlich gelöscht werden.

Wird Facebook diesen Forderungen nachkommen?

Facebook betont, die in dem Brief geäußerten Bedenken des Bundesministers „sehr ernst“ zu nehmen, man „begrüße“ das gemeinsame Treffen. Doch dass das soziale Netzwerk tatsächlich auf die Forderungen nach einer deutschen Kontrolltruppe eingeht, ist unwahrscheinlich, zumal es dann zu ähnlichen Begehren in anderen Ländern kommen könnte. Deshalb dürften die warnenden Worte der Politik wohl eher ohne Wirkung bleiben. Außerdem gibt es bereits deutschsprachige Mitarbeiter, die gemeldete Kommentare prüfen. Sie arbeiten im sogenannten Community Operations Team, das seinen Sitz in Dublin hat, der europäischen Zentrale von Facebook. Wie groß dieses Team ist und ob angesichts der Vielzahl von Hasskommentaren mehr Mitarbeiter eingestellt werden sollen, dazu macht Facebook keine Angaben. Ebenso wenig wie zu der Zahl der gemeldeten Kommentare.

Plant die Regierung gesetzgeberische Maßnahmen gegen Facebook?

Nein, solche Maßnahmen würden derzeit nicht debattiert, heißt es aus dem Ministerium. Vermutlich auch deshalb, weil es dafür keine rechtliche Grundlage gibt. Maas’ Forderungen, stärker gegen Hasskommentare vorzugehen, sind allerdings nicht auf Facebook beschränkt, sondern richten sich an alle soziale Netzwerke. Das Ministerium schließt nicht aus, dass es auch zu einem Dialog mit Vertretern von Twitter oder Google-Tochter Youtube kommt.

Die Forderungen des innenpolitischen Sprechers der Grünen-Fraktion, Volker Beck, gehen noch weiter. Er hat in den letzten Jahren etliche Strafanzeigen gestellt. Auch Staatsanwälte müssten konsequenter vorgehen gegen Hetze, Gewaltaufrufe und massive Beleidigungen von Gruppen und Einzelpersonen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. „Oftmals unternimmt man fast keine Anstrengungen zur Ermittlung der Täter. Und dies bestärkt die Täter“, kritisierte er.

Macht sich Facebook strafbar, wenn rassistische oder fremdenfeindliche Äußerungen veröffentlicht werden?

Nein. Das liegt schon daran, dass „Rassismus“ für sich genommen keine Straftat darstellt. Zudem ist Facebook kein Täter im strafrechtlichen Sinn. Strafrechtliche Verantwortlichkeit kann nur Einzelpersonen zugerechnet werden, die vorsätzlich oder fahrlässig Delikte begangen haben. Ein Unternehmen als solches kann nicht strafrechtlich verurteilt werden. Anders liegt der Fall bei den Usern, die für ihre Kommentare verurteilt werden können.

Welche Delikte kommen in Betracht?

Alle, die durch bloße Äußerungen begangen werden können. Es ist ein verbreiteter Irrglaube, dass sich dies auf Tatbestände wie Beleidigung, Verleumdung oder Volksverhetzung beschränkt. Auch Delikte wie Nötigung, Bedrohung oder Nachstellung sind typische Netz-Straftaten. Im Fall abfälliger Posts zum Foto des ertrunkenen Flüchtlingskinds Ailan ermittelt die Staatsanwaltschaft auch wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Ein 34-jähriger Berliner war erst kürzlich wegen fremdenfeindlicher Hetze auf Facebook zu einer Strafe von 4800 Euro verurteilt worden. Er hatte auf Facebook zu Hass und zur Gewalt gegen ethnische Minderheiten aufgerufen. Die Sensibilität für Hasskommentare scheint unter Facebook- Nutzern zu steigen. Wegen ausländerfeindlichen Kommentaren sei es zu einer Flut von Anzeigen gekommen, teilte die Berliner Polizei am Freitag mit. Besonders private Hass-Postings, die von dem Internet-Blog „Perlen aus Freital“ öffentlich gemacht werden, würden häufig den Sicherheitsbehörden gemeldet.

Welche Delikte sind in der Flüchtlingsdebatte am häufigsten?

Statistiken gibt es keine. Beleidigungen dürften häufig sein. Um sie strafrechtlich zu verfolgen, ist jedoch ein Antrag des Betroffenen nötig. Der wird selten gestellt. Die öffentliche Diskussion kreist oft um den Vorwurf der Volksverhetzung. Gemeint sind damit unter anderem Hass- und Gewaltaufrufe „gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe“. Auch Holocaust-Leugnung fällt darunter.

Sind Verurteilungen häufig?

Gemessen an der Vielzahl solcher Postings wohl nicht. Das liegt daran, dass die meisten den Behörden gar nicht bekannt werden. Aber auch dann sind die Hürden hoch. Der Volksverhetzung-Paragraf soll den „öffentlichen Frieden“ schützen. Entsprechend müssen volksverhetzende Reden „geeignet“ sein, den Frieden zu stören. Das sind sie, wenn betroffene Bevölkerungsgruppen davon Kenntnis nehmen können oder die Äußerung in Kreisen die Runde macht, die ohnehin gewaltbereit sind. Bloßes Zugänglichmachen im Internet genügt nicht, entschied der Bundesgerichtshof. Auch spielt die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit eine Rolle.

Muss Facebook Hass-Postings löschen?

Ja. Zwar gilt, dass Anbieter von „Telemediendiensten“ nach dem einschlägigen Gesetz für fremde Informationen, die sie für ihre Nutzer übermitteln oder speichern, nicht verantwortlich sind. Sie sind auch nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen anlasslos zu überwachen oder nach Anhaltspunkten für rechtswidrige Tätigkeiten zu durchsuchen. Hostprovider müssen aber unverzüglich tätig werden, wenn sie Kenntnis von rechtswidrigen und strafbaren Inhalten erlangen.

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