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Hartz IV: Leben mit 347 Euro

Das Arbeitslosengeld II fixiert der sogenannte Regelsatz. Verbände fordern eine Anpassung an die Inflationsrate.

Berlin - 347 Euro im Monat kostet heute ein menschenwürdiges Leben in Deutschland. So jedenfalls legt es der sogenannte Regelsatz fest, der die Geldleistung des Staates an Bedürftige beziffert. Sie deckt die Bedürfnisse des täglichen Lebens ab – außer Miete und Heizung, die extra gezahlt werden. Der Regelsatz soll nicht nur das Überleben, sondern auch eine bescheidene Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gewährleisten. Früher galt er nur für Sozialhilfeempfänger, heute bestimmt er auch die Höhe des Arbeitslosengeldes II der Hartz-IV-Empfänger.

So stehen einem Bedürftigen für Freizeit, Kultur und Unterhaltung 32,89 Euro im Monat zur Verfügung; für Post, Telefon und Internet 27,67 Euro. Für den öffentlichen Nahverkehr sind es 26,07 Euro. Der Löwenanteil von rund 228,11 Euro entfällt auf Ernährung, Kleidung, Körperpflege und Hausrat.

Der Regelsatz wird jedoch nicht automatisch an die Inflationsrate angepasst, sondern alle fünf Jahre neu berechnet. Basis ist die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts, für die rund 75 000 Haushalte befragt werden – und zwar nicht alle querbeet, sondern nur Haushalte aus dem untersten Fünftel der Einkommensskala.

Wenn also der Regelsatz 127,31 Euro für Essen, Getränke und Tabak im Monat ausweist und 34,23 für Kleidung und Schuhe, entspricht dies im Prinzip den Ausgaben eines einkommensschwachen Haushalts. Allerdings nicht ganz: Denn einem Sozialhilfe- oder Hartz-IV-Empfänger wird weniger zugebilligt, als die befragten Haushalte tatsächlich ausgeben. Hinzu kommt, dass die letzte EVS im Jahr 2003 erhoben wurde – und auf dieser Basis die erstmalige Bemessung der zum 1. Januar 2005 neu eingeführten Regelsätze erfolgte. Preissteigerungen der letzten Jahre, aber auch die Mehrwertsteuererhöhung 2007 blieben unberücksichtigt. Der Ecksatz wurde in den ersten zweieinhalb Jahren seines Bestehens lediglich um zwei Euro angehoben – eine Steigerung von jährlich 0,2 Prozent.

Hier setzt die Kritik der Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, aber auch bei der SPD und dem Arbeitnehmerflügel der Union an. „Die Preissteigerungen bei den Lebensmitteln erhöhen die Summe der Belastungen für die Betroffenen und führen zu einem weiteren Anstieg der Armut“, erklärt Diakonie-Vorstandsmitglied Bernd Schlüter. Nicht nur die fünfjährigen Intervalle zwischen den Einkommens- und Verbrauchsstichproben halten die Wohlfahrtsverbände und Armutsexperten für zu lang. Auch die Bezugsgröße der statistischen Berechnung werde immer fragwürdiger, kritisiert die Wirtschaftswissenschaftlerin Irene Becker von der Universität Frankfurt am Main. Denn gerade an dem unteren Fünftel der Einkommensskala sei das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre beinahe spurlos vorbeigegangen. „Die Einkommensverteilung hat sich zulasten des untersten Segments verschoben, so dass die betroffenen Bevölkerungsgruppen ihre Konsumausgaben entsprechend anpassen – in Teilbereichen also real reduzieren – mussten“, erläutert Becker. Das sieht auch die Diakonie so: Dieses Berechnungssystem zementiere die Armut in Deutschland, kritisiert Vorstandsmitglied Schlüter. Sein Kollege, Caritas-Generalsekretär Georg Cremer, ergänzt: „Wir fordern schon seit langem ein verlässliches Berechnungsverfahren, das der Preisentwicklung bei lebenswichtigen Gütern gerecht wird.“

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