zum Hauptinhalt
Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) steht im Mittelpunkt aller Debatten um Hartz IV.

© dpa

Hartz IV: Die Fünf-Euro-Schlacht

Die Opposition geißelt die Mini-Erhöhung von Hartz IV, die Regierung wehrt sich gegen verlogene Angriffe. Die Deutungshoheit über den umstrittenen Beschluss ist dabei wichtiger als die Lage der Betroffenen.

Kaum hatte die Bundesregierung am Sonntag ihren Fünf-Euro-Beschluss verkündet, begann die große Schlacht um dessen Interpretation. Ist die Erhöhung der staatlichen Unterstützung für Langzeitarbeitslose angemessen oder ungerecht, handelt die Regierung verantwortungsbewusst oder unsozial. Um die Betroffenen geht es dabei wenig.

Die meisten Reaktionen waren absehbar. So warf die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig der Bundesregierung einen „Kuhhandel zu Lasten der sozial Schwachen“ vor. Fraktionschef Joachim Poß kündigte in einem Interview mit der „Leipziger Volkszeitung“ den Widerstand seiner Partei gegen die Regierungspläne zu Hartz IV an. Zugleich kündigten mehrere SPD-Politiker an, eine mögliche Entscheidung des Bundestages im Bundesrat blockieren zu wollen. Auch ein erneuter Gang nach Karlsruhe wurde nicht ausgeschlossen.

Die jetzige Änderung der Hartz-IV-Gesetze ist erforderlich geworden, weil das Bundesverfassungsgericht Anfang des Jahres die fehlende Berechnungsgrundlage der reduzierten Hartz-IV-Regelsätze für Kinder moniert und eine Neuberechnung verlangt hatte. Darauf hin haben Union und FDP am Sonntag beschlossen, den Hartz-IV-Regelsatz von 359 auf 364 Euro zu erhöhen. Gleichzeitig hat Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) jedoch vorgeschlagen die Sätze für Kinder vorerst nicht zu ändern. Statt dessen will die schwarz-gelbe Bundesregierung jedoch mit rund 1,7 Milliarden Euro im Jahr die Bildungsförderung der Kinder von Hartz-IV-Empfängern verbessern.

Linke warnt vor sozialen Unruhen

Grundlage der Entscheidung der Bundesregierung ist eine neue Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes. Diese wurden zudem gegenüber der letzten Erhebung von 2003 entsprechend den geänderten Verbrauchsgewohnheiten von Menschen mit geringem Einkommen neu gewichtet. Hinzugekommen sind zum Beispiel Ausgaben für einen Internet-Zugang, aber auch die Praxisgebühr für den Besuch beim Arzt von zehn Euro im Quartal. Gestrichen wurden dagegen die bisherigen Pauschalen für Tabak und Alkohol von zusammen 18,30 Euro im Monat. Begründung von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU): „Hartz IV soll das Existenzminimum sichern. Der Grundbedarf ist unantastbar, aber Genussmittel wie Alkohol und Tabak gehören nicht dazu.“

Der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, warf der Koalition in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk „soziale Kälte vom Schlimmsten“ vor und natürlich vergaß dieser auch nicht, auf die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen zu verweisen, die die Hoteliers Anfang des Jahres um Milliarden Euro entlastet habe. Die zeige, so Trittin, welch Kindes diese Koalition sei.

Die stellvertretende Linken-Vorsitzende Katja Kipping sprach von einer „Schandentscheidung“, mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel „soziale Unruhen“ riskiere. Kipping rief die Betroffenen auf in der kommenden Woche, überall im Land die Büros von Union und FDP zu besuchen, um die Politiker der Regierungsparteien, mit ihrem Unmut zu konfrontieren. Die stellvertretende Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Margret Mönig-Raane, warf der Bundesregierung vor, sie habe „so lange gerechnet“, bis ihr das Ergebnis politisch genehm war.

Union nennt Kritik verlogen

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verwahrte sich am Montagmorgen gegen Kritik der SPD, nannte diese „verlogen“. Als die Sozialdemokraten noch regierten,
hätten sie die von ihnen festgelegte Höhe als ausreichend erklärt, sagte Gröhe vor der Fortsetzung der gemeinsamen Präsidiumssitzung der CDU und CSU in Berlin. „In der Opposition macht die SPD nun das Füllhorn auf.“ CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt griff vor allem Sigmar Gabriel scharf an. „Gabriel hat jetzt die Mitte unserer Gesellschaft zur Plünderung freigegeben“. Der SPD-Vorsitzende wolle die Einkommensteuer erhöhen, er wolle „Hartz IV de luxe“ und eine „Rolle rückwärts bei der Rente mit 67“. Die Menschen, die dieses Land vorwärts bringen wollen, lasse die SPD im Regen stehen. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false