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Hartz IV-Empfänger müssen scharf rechnen. Wäre ein solidarisches Grundeinkommen eine Alternative? Und könnte das finanziert werden?

© Lino Mirgeler/dpa

Hartz IV: Dem solidarischen Grundeinkommen eine Chance geben

Hartz IV hatte 13 Jahre lang Zeit sich zu bewähren. Das solidarische Grundeinkommen ruft nach einem Modellversuch in Deutschland. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Hartz IV wird gerade umzingelt. Es steht da eingekreist von Kritik und Vorschlägen, es einfach zu ersetzen. Durch etwas Anderes und vor allem etwas Besseres. Es mag schwer vorstellbar sein, dass das sanft wankende Konstrukt Hartz IV in dieser Legislatur wirklich kippt. Aber so lange gibt es Hartz IV nun auch noch nicht, als dass es tiefe Wurzeln hätte schlagen können. Warum sollte nicht jetzt ein langer Anlauf zum Umsturz beginnen?

Die Agenda 2010 war die zentrale Maßnahme der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder. Viele sagen, eine notwendige. Aber erfüllt Hartz IV die Zwecke, für die es gedacht war? Wer wie Jens Spahn das deutsche Sozialsystem preist und Hartz IV als dessen Sättigungsbeilage verkauft, den umgibt gleich soziale Kälte. Weil nicht zu hungern in einem der reichsten Länder der Welt nicht der Maßstab sein kann. Sondern am sozialen Leben teilzuhaben und sich ein bisschen von dem gönnen zu können, was für die meisten selbstverständlich ist.

Mit den Fördersätzen auszukommen, verlangt gute Planung von Menschen, die mit ihrem Leben manchmal ohnehin überfordert sind. Wer wenig Geld hat, denkt kurzfristiger, leistet sich nicht die günstigeren Großpackungen, kauft keine Geräte, die aufgrund ihrer Qualität länger halten als die billigeren Ausgaben, investiert weniger in die eigene Gesundheit.

Auf Hartz IV sind unzählige Menschen angewiesen, die gerne arbeiten möchten, aber nicht können, weil es mit dem Job nicht klappt. Sie treffen auf den Ämtern auf eine Gruppe, die jegliche Lust zum Arbeiten verloren hat, falls sie jemals vorhanden war. Sie alle durchlaufen jeder für sich den Dschungel aus Einzelleistungen, treffen in Jobcentern mal auf empathische Sachbearbeiter und mal auf unmotivierte.

Hartz IV ist nichts anderes als ein Grundeinkommen voller Bedingungen und Schikanen. [...] Dieses Mobbinginstrument, das Menschen bindet und ihnen jede Motivation nimmt, wird ganz sicher nicht abgeschafft werden. Es hat zu viele Vorteile für Unternehmen und ist eine gigantische Jobmaschine für Berater, Coaches, Vermittler, Teamleiter usw.

schreibt NutzerIn ExpatLeser

Hartz IV will zuviel erreichen

Hartz IV bringt dem einzelnen und der Gesellschaft zu wenig, weil es zu viel auf einmal erreichen soll. Nach unten abzusichern, aber gleichzeitig zur Arbeit zu motivieren. Zu fördern, aber immer auch mit Sanktionen zu drohen. Kräfte freizusetzen bei gleichzeitiger Kontrolle. Wie soll das alles zusammen gehen?

Vor allem, wenn sich Arbeit oft gar nicht lohnt, weil die Löhne nicht viel höher sind. Wenn die Hartz-IV-Sätze erhöht werden, müsste also der Mindestlohn gleich mit nach oben steigen, und zwar deutlich. Diese spiralförmige Sozialpolitik hat kaum Aussicht auf Erfolg.

Was also tun? Als leuchtender Ausweg wird das bedingungslose Grundeinkommen gefeiert. Als visionäres Modell, das gleich noch ein gigantisches Zukunftsproblem löst: den millionenfachen Wegfall von Arbeitsplätzen durch Künstliche Intelligenz.

Doch das Modell hat einen entscheidenden Nachteil. Viele, vielleicht die meisten Menschen, wollen arbeiten. Sie empfinden Arbeit als erfüllend, und am Internationalen Tag des Glücks darf auch daran erinnert werden, dass eine dauerhafte Beschäftigung tatsächlich glücklich machen kann, ebenso das Leben in Gemeinschaft, das können auch die Kollegen sein. Es ist die Frage, ob die Zufriedenheit und der Zusammenhalt der Gesellschaft wirklich steigen, wenn aus der Arbeits- eine Privatgesellschaft wird.

Mit Arbeit zwangsbeglücken darf der Staat seine Bürgerinnen und Bürger andererseits auch nicht. Warum also nicht nach der Synthese suchen? Aus dem Bestehenden etwas zu Wünschendes machen? Das solidarische Grundeinkommen liegt als Vorschlag von Berlins Regierendem Bürgermeister und Bundesratspräsident Michael Müller auf dem Tisch. Es geht Müller nicht um die Pflicht, sondern das Recht auf Arbeit, das durch bezahlte gemeinnützige Tätigkeiten erfüllt werden könnte. Die Gemeinschaft könnte davon etwa mit einem gepflegteren öffentlichen Raum und sozialen Dienstleistungen profitieren. Das solidarische Grundeinkommen ruft nach einer Prüfung, nach einem Modellversuch in Deutschland.

Das 'solidarische Grundeinkommen' hat überhaupt gar nichts mit der Grundeinkommensbewegung zu tun. [...] Hier will jemand den positiv besetzten Begriff 'Grundeinkommen' kapern um mit billigen Arbeitskräften reguläre Beschäftigung im öffentlichen Sektor zu verdrängen.

schreibt NutzerIn paulino

Hartz IV hatte 13 Jahre lang die Chance, sich zu bewähren. Mit einem neuen System könnte vieles besser werden.

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