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Gegner des Brexits protestieren mit Flaggen der Europäischen Union und einem Schild mit der Aufschrift «leave means leave» («Verlassen heißt verlassen») vor dem Parlament.

© Stefan Rousseau/PA Wire/dpa

Update

Harter Brexit steht wohl bevor: EU sieht keine Chance mehr für längere Brexit-Übergangsphase

Schon dreimal hat Großbritannien den Brexit verschoben. Diesmal soll die Übergangsfrist trotz Corona nicht verlängert werden. Das Nein aus England ist endgültig.

Die Verlängerung der Brexit-Übergangsphase über das Jahresende hinaus ist nach Einschätzung der EU-Kommission vom Tisch. Großbritannien habe am Freitag in der Sitzung des zuständigen Gremiums sein Nein zu einer Fristverlängerung bekräftigt, sagte Vizepräsident Maros Sefcovic. „Nach meiner Einschätzung ist das definitiv das Ende der Debatte.“

Der Druck, bis zum Jahresende ein Abkommen über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU zuwege zu bringen, wird dadurch immer größer. Großbritannien war Ende Januar aus der EU ausgetreten, bleibt aber in einer Übergangsphase noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Die EU war für eine Verlängerung der Frist, um mehr Zeit für Verhandlungen zu haben. Großbritannien wendet sich aber seit Monaten strikt dagegen. Gelingt in der Übergangsphase kein Abkommen, wird ein harter wirtschaftlicher Bruch mit Zöllen und anderen Handelshemmnissen erwartet.

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Sefcovic sagte, er selbst habe zwar betont, dass die EU für eine Verlängerung offen bleibe. Aber der britische Unterhändler Michael Gove hätte in seiner Ablehnung nicht deutlicher sein können, fügte Sefcovic hinzu. Gove habe dies damit begründet, dass den britischen Bürgern dies als Versprechen im Wahlkampf gegeben worden sei. Er habe die Haltung der britischen Regierung sehr, sehr deutlich gemacht.

Britischer Unterhändler macht Ablehnung deutlich

Gove erklärte auf Twitter, er habe im Gespräch mit Sefcovic „förmlich bestätigt“, dass Großbritannien die Übergangsphase nicht verlängern werde. „Wir werden am 1. Januar 2021 die Kontrolle zurückholen und unsere politische und ökonomische Unabhängigkeit wiedergewinnen“, schrieb Gove.

Dabei sah der Austrittsvertrag vom vergangenen Oktober, mit dem die Insel Ende Januar den Brüsseler Club verließ, eine Einigung über die künftige Zusammenarbeit bis Ende Juni vor. Von Handelsexperten schon damals für illusorisch erklärt, von EU-Unterhändler Michel Barnier mehrfach in Frage gestellt, bleibt der Termin doch unumstößlich, behauptet Londons Delegationsleiter David Frost: „Wir werden keine Verlängerung beantragen und auch einer entsprechenden Bitte der EU nicht entsprechen.“

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Die Stimmung zwischen dem Engländer und dem Franzosen scheint kühl, beinahe frostig, zu sein. Nach der jüngsten Video-Verhandlungsrunde beschuldigte Barnier London vergangene Woche, es falle hinter bereits gegebene Zugeständnisse zurück; aus Frosts Umfeld hieß es, die EU-Vorstellungen seien „für einen Freihandelsvertrag nicht angemessen“.

Offenbar hat die Corona-Pandemie die Verantwortlichen auf beiden Seiten keineswegs kompromissbereiter gemacht, vielleicht sogar im Gegenteil. Großbritannien sagt die Pariser OECD einen Konjunktureinbruch von 11,5 Prozent voraus, annähernd so schlimm wie in Italien (11,3). Dagegen fällt die Prognose für Deutschland (6,6) vergleichsweise zahm aus.

Überzeugte Brexiteers lassen sich von derartigen Aussichten nicht schrecken. Und von einer Verlängerung der Übergangsfrist wollen weder Regierung noch Opposition in London etwas wissen. Zwar genießt das Brexit-Land weiterhin alle Vorteile des Binnenmarktes, muss aber auch ohne jedes Mitspracherecht alle Vorschriften der Gemeinschaft erfüllen und wie bisher rund zehn Milliarden Euro jährlich in die Brüsseler Kasse einzahlen.

Ohne Kompromisse auf beiden Seiten gibt es nur den harten Brexit

Beide Seiten scheinen sich zunehmend damit abzufinden, dass eine Einigung frühestens im Herbst, womöglich auf einem Gipfel im Oktober, möglich sein wird. Dann hat Deutschland die Präsidentschaft inne. Dessen Botschafter in Brüssel hat kürzlich bei einer Veranstaltung des Thinktanks EPC die Briten zu einer realistischeren Vorgehensweise ermahnt. „Man kann nicht gleichzeitig die volle Souveränität bewahren und uneingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt erreichen“, sagte Michael Clauss.

Trübe Aussichten für die kommende Zeit. Die OECD sagt Großbritannien einen gewaltigen Konjunktureinbruch voraus. Foto: Tim Ireland/Xinhua/Imago
Trübe Aussichten für die kommende Zeit. Die OECD sagt Großbritannien einen gewaltigen Konjunktureinbruch voraus. Foto: Tim Ireland/Xinhua/Imago

© imago images/Xinhua

Umgekehrt argumentiert der zuständige Londoner Minister und einstige Brexit-Vormann Michael Gove, bei der Volksabstimmung 2016 sei es „um unsere Souveränität“ gegangen. Deshalb komme aus britischer Sicht eine auch nur teilweise Aufsicht des Europäischen Gerichtshofs EuGH über die zukünftigen Vereinbarungen „nicht in Frage“, beteuerte Frost.

Während sich Brüssel eine Gesamtvereinbarung wünscht, wollen die Briten jeweils eigene Abkommen für Themengebiete wie beispielsweise Fischerei, polizeiliche Zusammenarbeit oder den Status von Nordirland abschließen.

Kompromisse ließen sich gewiss finden, wenn nur beide Seiten von ihren Maximalforderungen abweichen würden. So werden die Hardliner wie Frankreich und Spanien ihren Fangflotten kaum im bisherigen Umfang Zugang zu den besonders fischreichen Gewässern rund um die Insel sichern können, wie es in Barniers Verhandlungsmandat festgeschrieben ist.

Umgekehrt wird London eine begrenzte Rolle für den EuGH in Kauf nehmen müssen, wenn es weiterhin von der bewährten Polizei- und Justizzusammenarbeit profitieren will.

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