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Abgeordnetenbüros im Paul-Löbe-Haus. Mehr als 130.000 Arbeitsplätze in der Bundesverwaltung sollen digital einheitlich ausgestattet werden.

© imago/photothek

Harald Joos soll IT-Probleme der Behörden lösen: Wie die Bundesverwaltung endlich digital fit werden will

Der frühere IT-Chef der Rentenversicherung soll nun im Finanzministerium die Digitalisierung der Bundesverwaltung vorantreiben. Noch ist es ein fernes Ziel.

Es hört sich nach einem simplen Vorhaben an. Innerhalb der Bundesverwaltung sollen alle Behörden und Ministerien die gleiche Software verwenden. Das war das Ziel der Bundesregierung vor sechs Jahren, als das Großprojekt IT-Konsolidierung Bund geboren wurde.

Doch nicht nur die Programme, die auf den Behördencomputern des Bundes laufen, sollten vereinheitlicht werden, sondern auch die Rechenzentren, in denen die Daten gespeichert werden. Statt der mehr als 1300 in der Bundesrepublik verstreuten Rechenzentren und Serverräumen soll es künftig nur noch wenige gemeinsame Rechenzentren geben.

Bis 2022 hatte man sich dafür Zeit gegeben – theoretisch bleibt also noch ein Jahr für die Umsetzung. Doch der Zeitplan ist längst verworfen.

Kosten explodiert

Was sich in der Theorie einfach anhört, wurde in der Praxis zum Fiasko. Die Kosten des Projektes explodierten von ursprünglich unter einer Milliarde Euro auf weit mehr als drei Milliarden Euro. Hunderte Millionen Euro flossen an externe Berater, konkrete Ergebnisse gab es lange nicht. Im April sollen nun die ersten Behörden vereinheitlicht werden. Im Jahr 2028 sollen die mehr als 130.000 Arbeitsplätze in der Bundesverwaltung dann endlich digital einheitlich ausgestattet sein.

Dafür sorgen soll künftig auch Harald Joos. Am Montag übernahm er die Digitalabteilung des Bundesfinanzministeriums (BMF), er wird dort zum sogenannten Chief Information Officer (CIO). In dieser Rolle soll er unter anderem die Großbaustelle IT-Konsolidierung beaufsichtigen und vorantreiben.

Das Finanzressort ist dafür gemeinsam mit dem Innenministerium (BMI) zuständig. Das BMI kümmert sich um einheitliche Software, das BMF um die einheitliche digitale Infrastruktur dahinter. Federführend agiert dabei das Informationstechnikzentrum Bund, das IT-Unternehmen des Bundes, das in den Geschäftsbereich des BMF fällt.

Harald Joos hat die Digitalabteilung des Bundesfinanzministeriums übernommen.
Harald Joos hat die Digitalabteilung des Bundesfinanzministeriums übernommen.

© Deutsche Rentenversicherung Bund

„Leider wird im öffentlichen Sektor immer noch der Fehler gemacht, dass man denkt, dass es sich bei solchen Vorhaben um IT-Projekte handelt“, sagt Joos. Er war in den vergangenen zehn Jahren für die Systeme der Deutschen Rentenversicherung Bund zuständig, kennt die Probleme der Verwaltung mit der Digitalisierung in Deutschland.

Ministerien entwickelten eigene IT-Lösungen

Der reine Fokus auf die Technik, glaubt Joos, sei ein Fehler: „Es geht stark um Changemanagement und wie man mit Leuten spricht. Es geht nicht darum, Blech zusammenzuschieben.“ Gälte es nur, Technik auszutauschen, wäre man mit so einem Vorhaben vermutlich rasch fertig, glaubt er. Das Problem sei aber ein anderes: Wer Organisationen modernisiert, verändert den Arbeitsalltag. Für Joos sind die meisten IT-Projekte daher eigentlich „Veränderungsprojekte“. Solche erzeugen oft Reibung und rufen Widerstand hervor.

Tatsächlich haben viele Ministerien und Behörden im Laufe der Jahre ihre eigenen IT-Lösungen entwickelt – so entstand ein Software-Flickenteppich in der Bundesverwaltung. Sind Programme erst einmal eingeführt, gewöhnen sich das leitende Personal und die Mitarbeitenden daran und sehen eigentlich keinen Grund, etwas zu ändern.

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Auch deshalb waren am Anfang der Corona-Pandemie in den verschiedenen Ministerien noch ganz unterschiedliche Videokonferenzsysteme im Einsatz, lediglich die Konferenzräume der Häuser mit der dafür notwendigen Technik ausgestattet. Von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz zu videofonieren, war sowieso nicht üblich, die Präsenzkultur wurde besonders in der Verwaltung hochgehalten.

Erst kurz vor dem vergangenen Sommer ging dann ein eigenes, einheitliches Videokonferenzsystem an den Start. Nun passt die Software in allen Häusern zusammen, auch die Systeme im Hintergrund laufen auf einer zentralen Infrastruktur.

Streit unter Ministerien

Der Druck für einheitliche Lösungen ist nicht in allen Bereichen so hoch. In einigen Fragen gibt es zudem strategische Konflikte zwischen den einzelnen Behörden und Ministerien. So streiten das Finanz- und das Innenressort aktuell gerade darüber, ob der Bund übergangsweise eine Cloud des US-Tech-Riesen Microsoft kaufen soll, auf der die Software der Bundesverwaltung laufen kann. Das BMI lehnt das ab, fürchtet um die digitale Souveränität der Bundesregierung und will auf Lösungen aus Deutschland und Europa setzen. Das BMF argumentiert, dass man das später immer noch machen könnte, es jetzt aber erst mal schnelle Ergebnisse bei der Konsolidierung der Bundesverwaltung brauche – und dabei könne eine am Markt erprobte Lösung für einen befristeten Zeitraum helfen.

Deutschland ist generell kein Vorreiter bei der Digitalisierung der Verwaltung, die Europäische Kommission sieht die Bundesrepublik in ihrem jährlichen Ranking der Mitgliedsländer im letzten Drittel. Nur Tschechien, Bulgarien, Ungarn, Kroatien, die Slowakei, Griechenland und Rumänien schneiden noch schlechter ab.

Es fehlt der Verwaltung nicht nur intern an moderner Technik, sondern auch an flächendeckenden Online-Services für die Bürgerinnen und Bürger – wie es in anderen Ländern wie Estland oder Dänemark bereits seit Jahren üblich ist.

Chancen verpasst

„Was schlecht läuft, muss man ganz offen diskutieren. Aber ich glaube, wir stellen uns manchmal ein bisschen zu schlecht dar. Wir haben richtig gute Leute mit richtig guten Ideen in der Verwaltung“, sagt Harald Joos. In der Vergangenheit seien allerdings Chancen verpasst worden. „Wir haben uns aus meiner Sicht zu lange um uns selbst gedreht und waren nicht mutig genug.“

Es gebe aber Fortschritte. Das ganze Thema Digitalisierung sei nun wirklich in der Chefetage angekommen, es herrsche ein ganz anders Verständnis und Wissen bei den Entscheidungsträgern, als das früher der Fall gewesen sei. Das sei entscheidend. Denn: „Wenn die Chefinnen und Chefs nicht sagen, dass sie auch selbst ohne Papier arbeiten wollen, dann kann sich das nicht durchsetzen. Es kann nur funktionieren, wenn von oben Entscheidungen getroffen und auch vorgelebt werden.“

Zusätzlich müsse es jetzt darum gehen, das Tempo bei Entscheidungen und bei der Umsetzung zu erhöhen – und für Transparenz bei Projekten zu sorgen. Dazu könnte etwa ein Digitalministerium in der nächsten Legislaturperiode beitragen, glaubt Joos. Ein solches Ressort sei jedoch auch ein Wagnis.

„Aus meiner Sicht birgt ein zentraler Ansatz neben allen Vorteilen auch immer ein gewisses Risiko, dass dort alle Probleme einfach nur abgeladen werden und sich die anderen Beteiligten, auf deren Mitarbeit es nach wie vor ankommt, etwas zu sehr zurücklehnen.“ Es komme auf den konkreten Aufgabenbereich an und wie man mit den Digitalabteilungen der anderen Bundesressorts, der Länder und Kommunen zusammenarbeite.

Denn vom Internet der Dinge über Quantencomputer bis hin zu künstlicher Intelligenz seien die Digitalthemen gigantisch groß. All diese Themen in einem Haus unterzubringen, sei schwierig. „Digitalisierung lässt sich nicht zentrieren, sie durchdringt unsere gesamte Gesellschaft.“

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