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Na dann guten Appetit!

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Handreichung zur Landtagswahl: Hessen-ÄBC für unbedarfte Berliner

Von Äbbelwoi über Grüne Soße bis Hans Zimmer: Was man zur Wahl in Hessen wissen sollte. Als Berliner.

Äbbelwoi: Am Anfang war der Apfel – und dann folgte auch schon gleich der Rauswurf. Seitdem sucht der Mensch den Weg zurück ins Paradies. Eine Möglichkeit: Äbbelwoi! Sagte zumindest Heinz Schenk: „Hätt’ der Adam aus dem Apfel Äbbelwoi gemacht“, schmetterte er 1967 in der Unterhaltungsshow des Hessischen Rundfunks „Zum Blauen Bock“, wir wären immer noch „im Paradies“. Theologisch fragwürdig, aber dank fünf bis sieben Prozent Alkohol erscheinen auch die wunderlichsten Ideen mitunter komplett plausibel.

Badesalz: Einer der legendärsten Sketche von Badesalz ist eigentlich gar kein Witz, sondern trauriger Alltag. Im Frankfurter Waldstadion erlebte Henni Nachtsheim, die eine Hälfte des Comedyduos, wie 1989 Fans den ghanaischen Gegenspieler Anthony Yeboah mit Affenlauten beleidigten. Zwei Monate später spielte Yeboah für und nicht gegen die Eintracht und die gleichen Fans jubelten ihn hoch. Daraus wurde der Gag „Anthony Sabini“ und Badesalz gehörten zu den ersten Künstlern, die sich klar gegen Rassismus positionierten.

Commerzbank-Tower: 1997 war die Welt noch in Ordnung bei der Commerzbank. Finanzkrise? Verstaatlichung? Wie bitte? Warum also nicht eine Firmenzentrale in Frankfurts Bankenbezirk setzen, der die Konkurrenz buchstäblich in den Schatten stellt. Mit einer Dachhöhe von knapp 260 Metern ist der Turm bis heute das höchste Gebäude Deutschlands.

Dichter lieben die Provinz: Oder warum sonst ging Goethe nach Wetzlar, schrieb Peter Kurzeck sein Leben lang über seine Kindheit bei Gießen, zogen die Brüder Grimm übers Land, um bei Bäuerinnen, Fischern und Förstern Märchen einzusammeln? In der Provinz, da tobt das Leben. „Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“ feuerte Georg Büchner die Landsleute zur Revolution an.

Elvis: Erster Rock ’n’ Roll-Weltstar, trat seinen Militärdienst 1958 in der Kaserne Friedberg an und wohnte nebenan in Bad Nauheim. 17 Monate, die sein Leben veränderten. Während dieser Zeit lernte er nicht nur deutsches Essen, sondern auch seine spätere Frau Priscilla kennen. Eine fragwürdige Beziehung: Er war damals 24, sie 14 Jahre alt.

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Fußgängerzone: In Kassel entstand 1953 die erste im ganzen Wirtschaftswunderland. Die Menschen sollten hemmungslos konsumieren können, ohne von Autos überrollt zu werden. Das Konzept ging nicht ganz auf. So richtig voll wird die Treppenstraße nur noch alle fünf Jahre, wenn zur Documenta Gäste aus der ganzen Welt über die Stadt herfallen und sich fragen: Ist das Kunst, oder kann das weg?

Grüne Soße: Dass die Tunke aus Kräutern und je nach Rezept Ei, Joghurt, Milch oder Sahne Goethes Lieblingsgericht gewesen sei, gilt inzwischen als widerlegt. Ihren Ruf als Traditionsgericht behielt sie trotzdem. Echte Fans können in Frankfurt das aus sieben Gewächshäusern bestehende „Denkmal für die Grüne Soße“ besuchen oder das „Grüne Soße Festival“, das vom 11. bis 18. Mai 2019 stattfindet.

Hassium: Im März 1984 verschmolzen Wissenschaftler der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt erstmals Blei mit Eisen. Heraus kam ein chemisches Element mit der Kernladungszahl 108, das zunächst Unniloctium getauft wurde. Seit 1997 ist es bekannt als Hassium (kurz Hs), abgeleitet vom lateinischen Namen des Bundeslandes Hessen: Hassia.

Integration: Gelingt in Frankfurts Nachbarort Offenbach – wo auch der Rapper Haftbefehl geboren wurde – angeblich vorbildlich. Die Industriestadt hat eine lange Zuwanderungstradition. 60 Prozent der Einwohner haben einen Migrationshintergrund, 160 Nationen treffen aufeinander, es werden 154 Sprachen gesprochen. Die Kommune investiert massiv in Digitalisierung der Verwaltung und Sprachförderung, besonders in den Kitas. Kürzlich kam sogar eine Delegation aus Marokko vorbei, um sich die Musterstadt anzusehen.

Jugendstil: Kann man in Darmstadt noch heute drin baden, schlafen, heiraten, Kunst gucken und Geige spielen. Moderne Architektur, zart und geschwungen. Ja, es gab ein Leben vor dem Bauhaus. Die Idee dahinter: Künstler fördern, Wirtschaft ankurbeln. Schlauer Großherzog. 1914 war Schluss. Dann wurde die Jugend im Ersten Weltkrieg verheizt.

Knotenpunkt: Der Frankfurter Flughafen ist das wichtigste Luftdrehkreuz der Bundesrepublik. 64 Millionen Passagiere pro Jahr, Nummer vier in Europa. Bedeutet leider nicht, dass er gut funktioniert. Elend lange Wege, Schlangen an Sicherheitsschleusen und besonders vorsintflutlich: das Treppensteigen drei Etagen tiefer zum Tunnel, der unter dem Rollfeld entlangführt.

Lebbe geht weider: Hessische Lebenseinstellung, geprägt durch den hessischsten Serben der Welt, Dragoslav Stepanović, einst Trainer bei Eintracht Frankfurt. Als der Verein 1992 um die deutsche Meisterschaft betrogen wurde, fühlten viele mit „Stepi“. Der sagte: „Lebbe geht weider.“ 2005 moderierte er eine Call-in-Show beim Lokalfernsehen. Titel der Sendung? Sie ahnen es.

Marburger Bund: Ist eine Fachgewerkschaft, die die Interessen von mehr als 118 000 angestellten und beamteten Ärzten vertritt und Tarifverträge abschließt. 1947 ursprünglich als Zusammenschluss junger Medizinstudenten an der hessischen Universität gegründet, hat der Bund seinen Sitz inzwischen in Berlin. 2006 kam es unter der Führung des damaligen Bund-Chefs Frank Ulrich Montgomery zu landesweiten Vollstreiks an den Kliniken und Gehaltserhöhungen von bis zu 20 Prozent.

Nassau: Das Herzogtum war ein Mitgliedsstaat des Deutschen Bundes. Wurde danach von 1868 bis 1944 preußische Provinz. Ist außerdem ein altes Adelsgeschlecht. Dazu zählte der Niederländer Wilhelm III. von Oranien-Nassau. Nach dem wurde die Hauptstadt der Bahamas benannt, die ebenfalls Nassau heißt.

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Omen, das: War in Frankfurt von 1988 an der wichtigste Club Westdeutschlands. Hieß damals noch Diskothek. Zehn Jahre lang verfeinerte Mitgründer und Hesse Sven Väth hinter den Decks seine DJ-Fähigkeiten. Mit dabei war Michael Münzig, der in den 1990er Jahren Welthits für das Eurodance-Projekt Snap produzierte („The Power“ und „Rhythm is a Dancer“).

Polizei: 1951, in seinem Gründungsjahr, saß das Bundeskriminalamt noch in Hamburg. Zwei Jahre später wurde die Behörde nach Wiesbaden verlegt. Der damalige Innenminister wollte das so, wegen der Nähe zum Verfassungsschutz, der in Köln sitzt. Die Hansestadt war sauer, aber wurde beschwichtigt: Hamburg werde nach Aufhebung der Beschränkungen im Schiffsbau seine frühere Bedeutung wiedererlangen. Und zur Weltstadt wurde Wiesbaden wegen des BKAs bekanntlich auch nicht.

Quoll: Ein Tüpfelbeutelmarder aus Australien, den es nur selten in Zoos zu sehen gibt. Der Frankfurter zeigt ein paar Exemplare im Grzimek-Haus, benannt nach dem Zoologen Bernhard Grzimek, der an selbiger Stelle wirkte, vielen Deutschen als Tierversteher aus dem Abendprogramm in Erinnerung geblieben ist und der Welt als Schutzherr der Serengeti.

Rundschau, Frankfurter: 1945 gegründete Zeitung, deren gemütlicher Name für eine linksliberale Haltung steht. Die Redaktion erregte jüngst Aufsehen, als sie publik machte, dass ihr der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier seit 2011 Interviews verweigert. Ein Redakteur unkte damals, Bouffiers Neffen seien bei einer Gerichtsverhandlung bevorzugt behandelt worden.

Skat: Zu den vielen Vorzügen Hessens gehört seine zentrale Lage. Die brachte dem Bundesland unter anderem die Ehre ein, zwei Mal im Jahr Schauplatz der deutschen Skatmeisterschaft zu sein. Damit Hamburger und Tübinger nicht zu weit reisen müssen, trifft man sich stets in der Mitte, dieses Jahr in Rotenburg. Den Heimvorteil nutzten die Hessen nicht. Meister wurde Dresden.

Tebartz-van Elst, Franz-Peter: Füllt mit seinem Namen allein ein halbes ABC, stand außerdem auf Platz zwei in der Liste zum Wort des Jahres 2013. Nicht mit seinem bürgerlichen Namen, sondern als Protz-Bischof. Er hatte im Bistum Limburg für mehrere Millionen Euro seine Residenz renovieren lassen. Das bescherte ihm Spott, brachte ihn später um den Job und die freistehende goldene Badewanne zurück in die Köpfe von Designliebhabern. Ist heute Apostolischer Delegat im Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung mit Zuständigkeit für die Katechese – und füllt damit spielend noch ein ABC.

Ein Glas mit Apfelwein steht auf dem Tisch einer Frankfurter Apfelwein-Kneipe.
Ein Glas mit Apfelwein steht auf dem Tisch einer Frankfurter Apfelwein-Kneipe.

© Roland Holschneider/dpa

Umweltminister: „Und dann war es soweit: Mit neuen Turnschuhen aber ohne Krawatte schritt Joschka Fischer zur Vereidigung als Staatsminister“, kommentierte die „Tagesschau“ am 12. Dezember 1985 hörbar angesäuert den Amtsantritt des hessischen Umweltministers. Um dann prophetisch den Weg vorzuzeichnen, den die Grünen beschreiten sollten: „Heute wird in Wiesbaden gefeiert. Morgen beginnt der Alltag.“

Vorlesung: Auch wer eine intrinsische Abneigung verspürt, das als „Frankfurter Schule“ bekannt gewordene Amalgam aus Marxismus und Psychoanalyse, das am 1923 gegründeten und 1950 aus dem amerikanischem Exil an seinen Geburtsort zurückgekehrten Institut für Sozialforschung unter der Federführung von Theodor Adorno und Max Horkheimer ersonnen wurde, als allumfassende Welterklärungsformel anzuerkennen, wird dessen Wirkungsmacht auf die Geistesgeschichte der Bundesrepublik Deutschland wohl kaum in Abrede stellen können.

Wiener: sind in Wirklichkeit Frankfurter. Zumindest bei der Wurst. Dahinter steckt ein langer Streit. Angeblich war der in Frankfurt ausgebildete Metzger Johann Georg Lahner nach Österreich ausgewandert und hatte sich dort mit seiner 30-Prozent-Rind-Kreation ins Herz der Wiener gewurstet – was ihm in Frankfurt wegen der damals noch strengen Trennung von Rind- und Schweinemetzgern nicht erlaubt gewesen war. Echte Frankfurter Frankfurter bestehen daher komplett aus Schwein und in Wien ist die Wiener eine Schnitt– und keine Brühwurst. Zu kompliziert? Ist ja eigentlich auch w...

X: Das Symbol, das die Hessen heute auf ihre Wahlzettel schreiben. Statistisch gesehen übrigens überdurchschnittlich oft. Die Wahlbeteiligung lag 2013 bei 73,2 Prozent. Okay, das ist gefärbt, denn die Hessenwahl fand gleichzeitig mit der Bundestagswahl statt. Trotzdem gilt wie im Spitzensport: Tabellenführer ist man solange, bis man abgelöst wird.

Ysenburg, Schloss: 1574 auf den Resten der Mauer der Stadener Wasserburg errichtet, ist der ehemalige Adelssitz der Herren von Carben heute ein Hotel mit Restaurant und Café. Seinen klangvollen Namen verdankt es dem Fürstenhaus Ysenburg-Büdingen, dessen heutiger Chef Wolfgang-Ernst Ferdinand Heinrich Franz Karl Georg Wilhelm Prinz zu Ysenburg und Büdingen in Wächtersbach auf Platz 1080 in der britischen Thronfolge rangiert.

Zimmer, Hans: Der gebürtige Frankfurter hatte Recht, als er bei den Buggles am Keyboard stand und die Band „Video killed the Radio Star“ sang. Heute ist er einer der international profiliertesten lebenden Filmkomponisten. Er schrieb unter anderem die Musik für „Blade Runner 2049“, „The Dark Knight Rises“ und „König der Löwen“. Für letztere gewann er einen Oscar. Zimmer wird von deutschen Journalisten noch immer zuerst nach Grüner Soße befragt. Er verdreht dann zurecht die Augen und zündet sich noch eine Zigarette an.

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