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Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Udo Bullmann (SPD).

© Thierry Monasse/dpa

Handelsstreit: „Kein Sieg für Juncker oder Trump, sondern eine Atempause“

Der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann lobt, dass EU und USA über Handelsbeziehungen sprechen. Er sagt aber auch: „Wir leben nicht in einer Kommandowirtschaft.“ Ein Interview.

Herr Bullmann, wer hat sich bei den Handelsgesprächen im Weißen Haus durchgesetzt – EU-Kommissionschef Juncker oder US-Präsident Trump?

Ich würde nicht von einem Sieg für Juncker oder Trump sprechen, sondern von einer Atempause. In der Substanz hat sich ja gar nicht so viel geändert: Die US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium sind weiter in Kraft. Umgekehrt bleiben die Gegenzölle der Europäer bestehen. Diese Zölle tun Trump sehr weh, weil sie unmittelbar seine Wähler im Mittleren Westen treffen. Trump ist durch seine Handelspolitik erheblich unter Druck geraten. Bei seinen Wählern hat er den falschen  Eindruck vermittelt, dass Handelskriege einfach zu gewinnen sind. Zudem steht er wegen seiner Russland-Politik erheblich in der Kritik. Deshalb setzt er jetzt seinen Zick-Zack-Kurs fort und stellt sich bei seinen Wählern als „Dealmaker“ dar. Dabei glaubt er offenbar, bei den Zwischenwahlen im November punkten zu können.

Und was hat Juncker erreicht?

Er kann sich auf die Fahnen schreiben, dass es keine zusätzlichen US-Strafzölle auf Autoimporte geben soll, so lange über eine Handelsvereinbarung verhandelt wird. Er selbst ist mit vagen Andeutungen davongekommen. Wirkliche Versprechen hat er nicht gemacht.

Die Europäer sollen mehr Sojabohnen aus den USA importieren. Wird das funktionieren?

Das machen die Europäer ja jetzt schon. Der Import von Soja in die EU geschieht ohnehin zollfrei. Die Zwischenhändler und Händler in Europa können natürlich frei entscheiden, ob sie die Sojabohnen aus dem Mittleren Westen kaufen oder aus Brasilien. Sie werden  Marktentscheidungen treffen und nicht darauf hören, was Herr Juncker sagt. Wir leben ja nicht in einer Kommandowirtschaft.

Zudem haben Trump und Juncker verabredet, dass die Europäer mehr amerikanisches Flüssiggas importieren sollen. Was bedeutet das für das Projekt Nord Stream 2, mit dem Gas aus Russland nach Deutschland eingeführt wird?

Auch hier handelt es sich letztlich um Marktentscheidungen. Ob Gasversorger in Europa auf diese oder jene Quelle zurückgreifen, ist häufig eine Preis-, Wettbewerbs- und Sicherheitsfrage. Warum sollten europäische Versorgungsunternehmen amerikanisches Flüssiggas kaufen, so lange die Lieferung  von Gazprom wettbewerbsfähiger ist und von den Versorgern  als sicher eingeschätzt wird? Auch das kann  Herr Juncker nicht erzwingen. Er kann die Voraussetzungen für den Import bei der Infrastruktur schaffen, was durch den Bau von Flüssiggas-Terminals bereits geschieht.

Nun soll über einen umfassenden Zollabbau für Industriegüter und eine Reform der Welthandelsorganisation WTO verhandelt werden. Wie lange würden solche Gespräche  voraussichtlich dauern?

Das scheint mir nicht klar definiert. Dass Europäer und Amerikaner darüber sprechen, wie sie ihre Handelsbeziehungen weiter entwickeln, ist gut. Aber wir sehen für den Moment kein Mandat dazu. Solche ernsthaften Gespräche können nicht eben mal bei einem Treffen im Weißen Haus vereinbart werden. Eines ist nur klar: Wenn es ernsthaftere Gespräche gäbe, käme das Europaparlament ins Spiel. Am Ende sind Handelsvereinbarungen ohne unsere Zustimmung nicht möglich. Das Europaparlament wird über die Erteilung eines Mandats für mögliche Handelsgespräche mitzubestimmen haben. Ansonsten hat jedwede EU-Kommission mit Zitronen gehandelt. Darüber hinaus begrüßen wir es sehr, dass Trump über eine Reform der WTO verhandeln will - wenn er es denn ernst meint. Denn das würde bedeuten, dass er ein multilaterales System befürworten würde, das er in den letzten Monaten immer wieder abgelehnt hat.

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