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Hamburg nach der Wahl: Schöne Grüße nach Berlin

Die erste Landtagswahl des Jahres gilt als wegweisend für kommende Entwicklungen. Was kann die Bundespolitik aus den Ergebnissen herauslesen?

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Sieger und Verlierer stehen in Hamburg eindeutig fest. Der Erste Bürgermeister Olaf Scholz bringt seine SPD erneut fast bis an die absolute Mehrheit – die CDU wäre schon froh, wenn sie vom Projekt 18 sprechen könnte. Dafür feiert die FDP ein Comeback und die AfD ein Ankommen – die einen überspringen endlich wieder eine Fünf-Prozent-Hürde, die anderen ziehen in ein erstes westdeutsches Landesparlament ein. Die erste Landtagswahl des Jahres erweist sich so als Katalysator für Entwicklungen, die über die Grenzen des zweitkleinsten Bundeslandes hinausreichen könnten.

Wie bewertet die CDU das Ergebnis?

Bei der CDU hat Christian Wulff auf einmal wieder Konjunktur. Nicht der gescheiterte Bundespräsident, sondern der niedersächsische Landespolitiker: Auch Wulff, sagt Angela Merkel, habe drei Anläufe gebraucht bis zum Sieg in Hannover – der Hamburger CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich hat also noch zwei Versuche gut. Die Parallele leuchtete der CDU-Bundesspitze im Adenauer-Haus gerne ein. Die CDU hat in Hamburg, so Merkel, eine „bittere Niederlage“ erlitten, aber schuld daran war der tief ins bürgerliche Lager beliebte Olaf Scholz.

Die Hansestadt als Spiegelbild der Bundespolitik, nur mit vertauschten Parteienrollen – das ist eine tröstliche Deutung für eine plötzlich auf 15,9 Prozent dezimierte Restvolkspartei. In den Spitzengremien herrschte denn auch Konsens, dass man nicht die nächste Kommission nach Konzepten gegen die Großstadtschwäche der CDU suchen lässt. Wersich sei ja sogar als Person ein idealer Kandidat, aber: „Wenn der Amtsinhaber keine Fehler macht, ist die Machtoption sehr klein“, fasste Merkel zusammen. Nur zaghaft warfen einzelne Vorständler die Frage auf, ob es nicht auch Alternativen zum Abwarten auf die dritte Chance gäbe – etwa ein klareres Wirtschaftsprofil.

Wird SPD-Chef Sigmar Gabriel durch den Sieg von Olaf Scholz geschwächt?

Der Sieg des Hamburgers wirft ein Schlaglicht auf die Schwächen des SPD-Chefs und den Zustand der Bundes-SPD. Trotz guter Regierungsleistung krebst die Partei in den Umfragen an der 25-Prozent-Marke herum. Von einem 46-Prozent-Ergebnis, wie es Scholz in Hamburg hinlegte, wagt Gabriel nicht zu träumen. Anders als Scholz in Hamburg hat der Parteichef und Vizekanzler als Person bisher wenig Zugkraft entwickelt. Zwar sind seine Beliebtheitswerte gestiegen, aber die Umfragen zeigen auch: Nur wenige Deutsche würden die SPD wählen, damit Gabriel Dauerkanzlerin Angela Merkel ablöst. Das könnte auch an jener politischen Tugend liegen, die viele Wähler an Merkel und Scholz schätzen, mit Gabriel aber eher nicht verbinden: Verlässlichkeit.

Gilt Scholz nun als Favorit für die SPD-Kanzlerkandidatur im Jahr 2017?

Das ist aus zwei Gründen unwahrscheinlich: Erstens fremdeln große Teile der Partei mit ihrem stellvertretenden Parteichef aus Hamburg, auch wenn der erfolgreicher ist als viele andere SPD-Wahlkämpfer. Vielen Funktionären gilt er als arrogant und überheblich.Der zweite Grund: Scholz will sich keinesfalls in einem nach heutigem Stand aussichtslosen Kampf gegen Angela Merkel verheizen lassen. Da lasse er Gabriel gerne den Vortritt, heißt es in der SPD. Nach 2017 kann sich das aber jederzeit ändern. Denn auch das ist ein offenes Geheimnis in der SPD: Scholz traut sich die Kanzlerschaft allemal zu.

Die AfD und die FDP

Ist der Einzug in die Hamburger Bürgerschaft der Durchbruch für die AfD?

Mit 6,1 Prozent ist es der AfD zum ersten Mal gelungen in ein westdeutsches Parlament einzuziehen. Das ist für die Partei ein Erfolg, denn sie stand bisher unter dem Verdacht, in den ostdeutschen Bundesländern nur durch explizit einwanderungskritische Wahlkämpfe gepunktet zu haben. In Hamburg hatte Spitzenkandidat Jörn Kruse diesen Weg aber komplett abgelehnt. Nun, nach dem Hamburger Erfolg, spricht AfD-Chefin Frauke Petry von einer „kleinen Volkspartei“. Ob der Erfolg allerdings anhält, ist fraglich.

Denn sechs Prozent hat die AfD in Hamburg schon zur Europawahl 2014 eingefahren und am Montag setzte in Berlin die AfD-Spitze den Richtungsstreit fort. Während Parteichef Bernd Lucke von der „Marktwirtschaftspartei“ sprach, betonte Ko-Chef Konrad Adam die „inhaltliche Breite“ der AfD als „konservative“ Partei und Frauke Petry gestand ein, dass sie glaube, dass man in Hamburg hätte „mehr schaffen können“, wenn sich die Wahlkämpfer eher an den ostdeutschen Vorbildern orientiert hätten.

Wie reagiert die FDP auf das gute Ergebnis der AfD?

Bislang hatte die FDP unter Parteichef Christian Lindner auf klares Verschweigen der AfD gesetzt. Nur kein Konkurrenzverhalten herbeireden, war die Devise. Doch in Hamburg hat sich gezeigt, dass die Alternative für Deutschland den Liberalen einige tausend Stimmen abjagen konnte. Für die Liberalen ist das zweifellos gute Hamburger Ergebnis zwar an sich ein Erfolg, der am Montag in Berlin auch gebührend gefeiert wurde. Nun jedoch müssen sich Lindner und Co. mit der AfD auseinandersetzen. „Wir haben einen Erfolg erzielt, indem wir in allen Fragen fundamental anders sind als die AfD“, sagte der FDP-Chef. „Wir sind genau das Gegenteil der AfD.“

Was bedeutet eine mögliche rot-grüne Koalition in Hamburg für die Grünen im Bund?

Die Grünen-Führung sieht sich gestärkt und verweist am Montag stolz auf die mutmaßlich neunte Regierungsbeteiligung in einem Bundesland. Allerdings wird angesichts der schlechten Umfragewerte der SPD im Bund und der eher mäßigen Performance der Grünen ein rot-grünes Regierungsbündnis auf Bundesebene nicht wahrscheinlicher.

Ist Rot-Grün in Hamburg alternativlos?

Die Grünen sind der Wunschkandidat von Olaf Scholz für eine Koalition in Hamburg. Doch sie können auch unbequem sein. Noch während der Wahlparty am Sonntagabend machten führende Hamburger Grüne klar, dass sie bei der SPD nicht am Katzentisch Platz nehmen wollen, sondern es um Gespräche auf Augenhöhe gehe. Beobachter sehen bei der Konstellation Rot-Grün keine unüberbrückbaren Themen, an denen die Grünen ihr Gesicht verlieren könnten, und doch müssen sie natürlich ihre Themen in einem Koalitionsvertrag durchgesetzt sehen. Schwerpunkte für ein grünes Profil sind Verkehr, Klima, Energie und Flüchtlingspolitik.

Bei stockenden Verhandlungen mit den Grünen könnte die SPD die FDP, die ebenfalls ein denkbarer Koalitionspartner wäre, als Druckmittel einsetzen. Die genaue Taktik will die Hamburger SPD- Spitze nun am Dienstag beraten.

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