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Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister, und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Halbzeitbilanz der Groko: Knapp vor dem Bruch aus Ermüdung

Der großen Koalition fehlt es an Begeisterung. Sie kümmert sich um Machtfragen statt um Zukunftsfragen – und keiner hat das Sagen. Ein Kommentar.

Wenn es nur das wäre – die große Koalition könnte anhand ihrer getanen Arbeit groß genannt werden. Hat es je ein Bündnis gegeben, das zur Halbzeit schon nahezu zwei Drittel seiner Vorhaben in die Tat umgesetzt hätte? Und doch liest sich die vorgelegte Bilanz zwischen den Zeilen auch wie ein Scheidungspapier.

Die finanzielle Entlastung von Familien, der Digitalpakt Schule, der Ausbau der Kinderbetreuung, die Anhebung des Mindestlohns, die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung, eine Quote der Sozialabgaben unter 40 Prozent, ein Bürokratie-Entlastungsgesetz für die Wirtschaft, ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Familiennachzugsgesetz bei Flüchtlingen, das Geordnete-Rückkehr-Gesetz – alles das gibt das Papier her. Aber Jubel übers Erreichte sieht anders aus.

Was etwas sagt über den Zustand der Koalitionäre. Es ist ein Lehrstück vom Nachlassen der Schlagkraft. Das Bündnis hat schon jetzt viel Substanz auf beiden Seiten gekostet; zumal keiner dieses Bündnis wollte. Es wurde herbeigezwungen, von oben, von rechts, von links, von den Umständen, aus staatspolitischen Gründen. So lange, bis die Basis bei Christ- wie Sozialdemokraten aufgab und zustimmte. Die Basis, die heute damit wieder hadert.

Die Lage ist ernst. Eine strikte Einhaltung des Vereinbarten wird nicht als Erfolg gewertet, sondern als Korsett empfunden. Die Verlockung, so weiterzumachen, ist dementsprechend: gering. Kein Wunder, dass jetzt manche mehr und Neues wollen. Die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung zum Beispiel wäre in dem Sinn neu. Sie durchzusetzen kostet neue Kraft. Und erfordert Führung.

Partei fürs Volk

Die Kanzlerin versucht es stattdessen mit einem Appell an ihre eigene Fraktion, bei der Grundrente doch Volkspartei bleiben zu wollen, genauer: Partei fürs Volk, und sich umzuschauen, wie es beim Bäcker ist oder bei der Reinigungskraft. Denn das sind die Geringverdiener von heute und die Bezieher der Grundrente von morgen. Und Wähler. Was illustriert, wie mühsam es geworden ist, von Notwendigkeiten zu überzeugen.

So gehört auch das zur (Halbzeit-)Bilanz: keine Spur der Begeisterung für ein Projekt. Kein faszinierender, übergeordneter großer Grund. Kein Politikentwurf, für den zu kämpfen und zu leiden sich lohnt. Stattdessen leiden die Parteien aneinander, weil sie immer größer in Kleinlichkeiten werden. Andauernd ist Krach, und dann haben auch noch zwei von drei Partnern – SPD und CDU – eine veritable Führungskrise. Aus der sie beide auch nach den anstehenden Parteitagen wohl nicht herausfinden werden.

Machtfragen statt Zukunftsfragen, und keiner hat das Sagen: So was kann fatal enden. Schon gar angesichts der Probleme um dieses Land herum. Klima, USA, Kriegsgefahr aus dem Nahen Osten – das sind die Chiffren für große Herausforderungen. Für eine Koalition mit Größe. Mit Ideen.

Mit Perspektiven. „Unser Anspruch ist es, für die großen Fragen unserer Zeit, die politisches Handeln erfordern, zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln“, betonen CDU, CSU und SPD als Sinn der Zusammenarbeit. Was heißt: Sie wissen es. Sie wissen es sogar besser. Und schaffen es dennoch nicht, endlich danach zu handeln?

Manche beflügelt der Erfolg. Diese Koalition nicht. Viel fehlt nicht mehr zum Bruch aus Ermüdung.

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