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Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne)

© Imago/Political-Moments

Habecks Hürden bei der Energiewende: Darum stockt der Ausbau der erneuerbaren Energien

Scheitert die Energiewende, scheitert der Klimaschutz der Ampel. Wie knifflig die Aufgabe für Wirtschaftsminister Habeck wird, zeigt der Ausbau der Windkraft.

Illusionen macht sich Robert Habeck keine. "Wir werden unsere Ziele vermutlich auch für 2022 noch verfehlen, sogar für 2023 wird es schwer genug", sagte der Grünen-Politiker in seinem ersten großen Interview nach der Ernennung als Wirtschaftsminister mit der "Zeit" über die Klimaschutzbemühungen der neuen Regierung.

Eine bemerkenswerte Aussage, ist Habeck neben der Wirtschaft auch qua Amt für den Klimaschutz zuständig. Doch Habeck baut vor. Die Erwartungen an ihn und die Grünen sind enorm, doch für die angestrebte Energiewende benötigt Habeck Zeit. Also lieber etwas die Hoffnung dämpfen. "Wir fangen mit einem drastischen Rückstand an", sagte Habeck.

Wie gewaltig die Aufgabe ist, vor der Noch-Grünen-Chef Habeck steht, wird vor allem im Bereich der Energiewende deutlich. Bis 2030 haben sich die Ampel-Koalitionäre vorgenommen, 80 Prozent des Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien herzustellen. Bislang sind es 42 Prozent, nun also eine Verdoppelung in nur acht Jahren.

Gelingt die Wende, wird das Land ein neues Gesicht bekommen. Tausende neue Windkraftanlagen, riesige Photovoltaik-Anlagen-Parks an Autobahnen, gewaltige Stromtrassen, aus der Luft wird man blaue Dächer mit PV-Anlagen sehen. Habeck könnte Ambitionen, die über die eines Vizekanzlers hinausgehen, anmelden. Gelingt die Energiewende dagegen nicht, wird es auch keine Mobilitätswende und keine Transformation der Industrie zu einer klimaneutralen Wirtschaft geben. Habeck und die Grünen wären gescheitert. Das ist die Fallhöhe für den 52-Jährigen.

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Für den promovierten Philosophen wird es in den kommenden vier Jahren um konkrete Zahlen gehen. Rund 16.000 neue Windräder werden bis 2030 benötigt, um das 80 Prozent-Ziel erreichen zu können, rechnet der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Habeck selbst rechnet mit 1000 bis 1500 Windrädern pro Jahr, auch weil die Anlagen höher und leistungsfähiger werden. So oder so ist die Herausforderung enorm. 2020 gingen gerade einmal 420 neue Anlagen ans Netz, künftig sollen es 38 pro Woche werden.

„Wir scheitern nicht am Willen, wir scheitern an Grenzen“

"Die Herausforderungen sind groß, aber realistisch", sagte Kerstin Andreae, früher selbst Grünen-Politikerin, heute BDEW-Geschäftsführerin und damit Lobbyistin der Energiebranche, auf der Jahresendpressekonferenz des BDEW. Andreae ist sich sicher, dass die Unternehmen bereit seien für die Energiewende, die Politik aber noch nicht. "Wir scheitern nicht am Willen, aber wir scheitern an den Grenzen."

Kerstin Andreae glaubt, dass die Unternehmen bereit sind für die Energiewende.
Kerstin Andreae glaubt, dass die Unternehmen bereit sind für die Energiewende.

© imago

Dazu zählt in erster Linie das zähe Planungs- und Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen in Deutschland. Rund sieben Jahre dauert es momentan, um Flächen auszuweisen, Projekte zu planen, zu genehmigen und schließlich zu bauen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zu wenig Verwaltungspersonal, enorme bürokratische Hürden und Flächenmangel.

Denn irgendwo müssen die Windkraftanlagen stehen, laut Koalitionsvertrag sollen die Länder künftig zwei Prozent ihrer Flächen für erneuerbare Energien freihalten. Bislang sind rund 0,9 Prozent der Bundesflächen für Windanlagen ausgewiesen, ein Drittel davon ist jedoch gar nicht bebaut, weil es andere Schutzgüter gibt. Dazu zählen bedrohte Vogelsorten, aber auch das Militär, die Flugsicherung oder der Wetterdienst sperren Flächen.

Meteorologen hadern wegen Störsignalen mit Windrädern

"Durch den Betrieb der Windkraftanlagen ist stetig mit Störungen der Radardaten zu rechnen", sagt ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) dem Tagesspiegel. Die Bundesbehörde, die im Verkehrsministerium angesiedelt ist, hat 2020 und 2021 gegen den Bau von 49 Anlagen Einspruch eingelegt. Die Rechtsstreits dürften sich noch Jahre hinziehen.

Ein Windpark in Brandenburg
Ein Windpark in Brandenburg

© dpa/Patrick Pleul

Das Problem für die Meteorologen liegt in den Radarstrahlen, die ihre eigenen Wetterradaranlagen aussenden. Ist eine Windkraftanlage zu nah - meistens im Radius von fünf Kilometer - wird der Radarstrahl zurückgeworfen und als Störsignal beim DWD angezeigt. Für die Meteorologen sieht es dann so aus, als würde es an dieser Stelle gerade hageln.

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Dabei ist man in Offenbach, wo der Wetterdienst seinen Sitz hat, überhaupt nicht gegen Energiewende und Klimaschutz. Wird eine Anlage in der Nähe der 17 Radaranlagen des DWD geplant, muss die Behörde laut Gesetzgebung ihr Veto einlegen. Oft ist es ein Kampf um Flächen, denn die windigen, exponierten Stellen sind auch für die Wetter-Experten interessant. Ins Tal können sie ihre Anlagen auch nicht stellen. "Hier kollidieren zwei Staatsziele. Das, der Energiewende und das der Daseinsvorsorge durch akkurate Unwetter- und Wettervorhersagen"", sagt der DWD-Sprecher.

Fachkräfte- und Materialmangel gilt es zu lösen

Habeck hat Gespräche mit den Behördenleitern angekündigt, doch allein die Kraft seiner Argumente wird die Situation nicht verändern können. "Wenn die erneuerbaren Energien nun sicherheitsrelevant werden, müssen die verschiedenen Güter anders abgewogen werden", sagte Habeck der "Zeit".

Aus Ministeriumskreisen ist zu hören, dass bereits im Februar ein erster Gesetzentwurf vorgelegt werden könnte, um Planungs- und Genehmigungen zu beschleunigen. Darin könnte der Artenschutz neu definiert werden, dass nicht mehr das einzelne Tier, sondern der Bestand insgesamt geschützt wird. Zudem soll es leichter werden, veraltete und kleine Anlagen gegen modernere, teils deutlich höhere Anlagen zu tauschen.

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Andere Probleme, die die Energiewende ausbremsen könnten, bleiben damit ungelöst. "Die Energiewende darf nicht daran scheitern, dass es nicht genug Handwerker, Kranfahrer und Arbeiter in der Industrie gibt, die die Windkraftanlagen bauen", sagt Habeck selbst. Doch genau das droht. Allein in der Solarindustrie erwartet man 50.000 neue Jobs. Fachkräfte durch Zuwanderung zu gewinnen, wie es die Ampel plant, dürfte nur ein Teil des Problems lösen.

In der Energiebranche macht man am Horizont noch ein weiteres Problem aus: Materialmangel. Wenn weltweit die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, könnte es zu Engpässen bei Kupfer und Aluminium kommen.

Im Habeck-Lager kennen sie all diese Hürden und bauen wie ihr Chef vor. Oliver Krischer, Parlamentarischer Staatssekretär unter Habeck, dämpft die Erwartungen: "16 Jahre Bremsen, Blockieren und Bürokratisieren des Ausbaus der erneuerbaren Energien durch CDU/CSU Regierungen haben tiefe Spuren hinterlassen", schrieb er auf Twitter. Es ist der Versuch, Zeit zu gewinnen. Doch die läuft dem neuen Wirtschaftsminister bereits davon.

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