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Gregor Gysi besucht in Lemberg auf seiner Reise in die Ukraine eine Notunterkunft für Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten

© dpa/Michael Schlick

Gysi nach Ukraine-Reise gegen Waffenlieferungen: „Das wird unserer Geschichte nicht gerecht“

Gregor Gysi ist mit dem Mediziner Gerhard Trabert in die Ukraine gereist. Sie hatten vor allem Krankenhäuser, Notkliniken und Hilfsorganisationen besucht.

Das Interesse in der deutschen Politiklandschaft an Reisen in die Ukraine war zunächst verhalten gewesen. Jetzt fragt man sich, wer eigentlich noch nicht da gewesen ist – bis auf den Bundeskanzler Olaf Scholz. Am Dienstag ist die Außenministerin Annalena Baerbock in Kiew, CDU-Chef Friedrich Merz ist ebenso dort gewesen wie die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, von den Ampel-Abgesandten Anton Hofreiter, Michael Roth und Marie-Agnes Strack-Zimmermann ganz zu schweigen.

Mit Gregor Gysi ist nun der erste Repräsentant der Linken in die Ukraine gereist. Was den Krieg in der Ukraine angeht ist die Partei, wie in vielen anderen Punkten, zerrissen.

Während teils hinter vorgehaltener Hand in der Partei immer noch geraunt wird, dass die Politik des Westens und insbesondere der USA maßgeblich mitverantwortlich für die jetzige Situation sei, positionieren sich andere Linke wie Gregor Gysi oder Dietmar Bartsch klar gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

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Auch in der viel diskutierten Frage um Waffenlieferungen ist man sich uneins: Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte sie unlängst unter Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine befürwortet, die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Amira Mohamed Ali, betonte hingegen am Dienstag erneut, dass Waffenlieferungen in die Ukraine ein schwerer Fehler seien.

„Wir müssen den Krieg beenden, so schnell es geht. Waffenlieferungen aber bergen die Gefahr, dass die Konflikte eskalieren und sich weiter ausweiten“, sagte sie und verwies mehrfach auf die Tatsache, dass Russland eine Atommacht sei. Statt Waffen zu liefern, sei es jetzt angezeigt, auf allen diplomatischen Wegen den Druck zu erhöhen.

„Denken Sie ernsthaft, Russland lässt sich mit militärischen Mitteln an den Verhandlungstisch zwingen?“, antwortete auf die Frage, wie man Gespräche mit jemandem führen solle, der offensichtlich nicht zu Gesprächen bereit sei.

„Der schlimmste Krieg, den es jemals gegeben hat, war der Zweite Weltkrieg“

Auch der Linken-Außenpolitiker Gysi brachte nach der Rückkehr von einer Reise in die Ukraine seine Ablehnung von Waffenlieferungen zum Ausdruck. „Ich bin 1948 geboren, habe die Spuren des Krieges erlebt. Der schlimmste Krieg, den es jemals gegeben hat, war der Zweite Weltkrieg. Unter Berücksichtigung unserer Geschichte will ich, dass Deutschland nie wieder an Waffen verdient.

Gregor Gysi und Gerhard Trabert berichten von ihrer gemeinsamen Ukraine-Reise.
Gregor Gysi und Gerhard Trabert berichten von ihrer gemeinsamen Ukraine-Reise.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Aber ich habe auch Verständnis dafür, wenn junge Menschen das anders sehen.“ Deutschland sei weltweit einer der größten Waffenexporteure. „Das wird unserer Geschichte nicht gerecht.“

Gysi kritisierte, dass in der Politik und in der medialen Öffentlichkeit primär über Waffen gesprochen werde, während die Frage der humanitären Hilfe auf der Strecke bleibe.

Er hatte während seiner Reise eigenen Aussagen zufolge unter anderem die ukrainische Hauptstadt Kiew sowie die westukrainische Stadt Lwiw besucht.

Auch im Kiewer Vorort Butscha, wo vor einigen Wochen die Leichen Hunderter ermordeter Zivilisten gefunden worden waren, sei er gewesen. „Gerade, wenn man in ein Kriegsgebiet fährt, verbietet sich solch eine Stippvisite, ein Husch-husch-Besuch für die Medien“, sagte er, ein Seitenhieb auf verhältnismäßig kurze Besuche anderer internationaler Politiker:innen in der Ukraine in den vergangenen Tagen.

Mit hochrangigen Amtsträger:innen hatte Gysi während seines Besuchs nicht sprechen können. Dies begründete er damit, dass die Anfrage, die er an den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk gestellt hatte, von diesem nicht weitergeleitet worden sei.

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„Sein Verhältnis zu mir ist ähnlich eng wie zu unserem Bundespräsidenten.“ Ihm sei das recht gewesen. „So konnte ich andere Gespräche führen. Was ich gesehen uns gehört habe, das hat mir unheimlich imponiert. So schlimm ein Krieg ist, die Solidarität innerhalb der Bevölkerung nimmt zu.“ Gysi hatte insbesondere soziale Einrichtungen besucht und dort Spenden übergeben.

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Der Rechtsanwalt war gemeinsam mit dem Mediziner Gerhard Trabert in die Ukraine gereist, den die Linke als Kandidaten für die Wahl zum Bundespräsidenten aufgestellt hatte.

Trabert berichtete vor allem von Besuchen in ukrainischen Krankenhäusern und Gesprächen mit Mediziner:innen. Er kritisierte, dass bislang ausschließlich ukrainische Zivilist:innen und noch keine Soldaten in Deutschland behandelt worden seien.

„Wer Hilfe braucht, muss sie bekommen“

Der Stabsarzt des Militärkrankenhauses in Kiew habe ihn eindringlich gebeten, sich dafür einzusetzen. „Es gibt Krankenhäuser in Deutschland, die bereit sind, Soldat:innen aufzunehmen, es scheitert aber bislang am administrativen Wirken“, berichtete der Professor für Sozialmedizin.

Die aktuelle Situation bezeichnete er als fatal. „Wer Hilfe braucht, muss sie bekommen, es kann nicht sein, dass wir über schwere Waffen diskutieren, während wir es logistisch nicht hinkriegen, Soldaten zu versorgen.“

Gerhard Trabert erklärte, selbst nicht gegen Waffenlieferungen aus Deutschland zu sein. Das habe mit den Erfahrungen zu tun, die er im Laufe seines Lebens in zahlreichen Kriegsgebieten gemacht habe. Zivilist:innen könnten oft nur geschützt werden, wenn man dem Aggressor etwas entgegensetze.

„Aber es muss diskutiert werden können. Dieser Tage wird Pazifismus stigmatisiert. Das halte ich für falsch.“

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