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Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder.

© dpa/Kay Nietfeld

Grundrente als Sollbruchstelle der Groko: Ginge es nach der CSU, wäre das Thema längst abgeräumt

In der CDU wächst der Widerstand gegen eine Grundrente ohne weitgehende Bedürftigkeitsprüfung. Die CSU ist von der Debatte genervt.

Von Robert Birnbaum

Markus Söder hat die Nase voll. Seit Monaten verhandelt die große Koalition über die Grundrente, am Montag sollte die unendliche Geschichte abgeschlossen werden – und wieder wird nichts draus. „Deutschland braucht eine stabile Regierung und keine Regierung, in der sich jeder nur mit seinen innerparteilichen Fragen beschäftigt“, rügte der CSU-Chef.

Fachpolitiker hätten „sehr, sehr gute Vorarbeit“ geleistet, eine Einigung sei möglich. „Man muss das Ganze mit kühlem Kopf machen“, riet Söder, bevor er im CSU-Vorstand verschwand.

Der kühle Kopf ist aber das Problem, vor allem in Kombination mit den innerparteilichen Fragen, und zwar denen in der CDU. Die Christdemokraten waren es, die am Sonntag bei den beiden anderen Partnern um Aufschub baten: Es gebe noch Klärungsbedarf.

Statt an diesem Montag soll ein Koalitionsgipfel nächsten Sonntag den gordischen Knoten durchschlagen. Doch die Gefahr ist groß, dass der bis dahin noch fester zusammengezurrt wird. In der CDU wächst im Tagesrhytmus der Widerstand gegen jeden Kompromiss, der Abstriche an der im Koalitionsvertrag vereinbarten Bedürftigkeitsprüfung macht.

Die Widerständler sitzen in der Fraktion. Fraktionschef Ralph Brinkhaus gibt in der Koalitionsarbeitsgruppe den Hauptbedenkenträger – was nicht nur SPD-Vertreter so sehen. Inzwischen tritt er auch öffentlich als Wortführer der Kritiker auf. Eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung – „das wird mit uns nicht klappen“, sagte Brinkhaus der „Welt“. Seine Fraktion sei „nicht bereit, die Prinzipien des Renten- und des Grundsicherungssystems über den Haufen zu werfen“.

Der Widerstand soll besänftigt werden

Fraktionsvize Norbert Röttgen, eigentlich für Außenpolitik zuständig, spricht in der „Bild“-Zeitung von einer „grundsätzlichen“ Frage. Der Chef der Jungen Gruppe, Mark Hauptmann, warnt vor einem „Vergehen an der jungen Generation“, wenn an Menschen Grundrente gezahlt würde, die sie nicht brauchten.

Auch er spricht in „Bild“. Das Boulevardblatt mit der Neigung zum Kampagnenjournalismus spielt in dem Streit längst eine eigenständige Rolle. Aus der SPD wird verbreitet, eine Meldung vom Samstag habe die CDU-Absage ausgelöst. Da verkündete „Bild“ eine Einigung unter der Unterschrift: „Unions-Unterhändler knicken im Streit um Grundrente ein.“

Illustriert war die Meldung mit einem Foto des Gesundheitsministers. Jens Spahn, Mitglied in der Koalitionsarbeitsgruppe, dementierte umgehend per Twitter und nannte Bedingungen, die erfüllt sein müssten: Ein Finanzvolumen unterhalb der von der SPD genannten Milliardensummen, Einführung einer „harten Einkommensprüfung als Bedürftigkeitsprüfung“ und drittens – als Preis für den Verzicht auf vollständige Bedürftigkeitsprüfung – wachstumsfördernde Maßnahmen etwa bei Unternehmensteuern.

Der Dreischritt zielte darauf, die drei Widerstandsgruppen in der Union zu beruhigen: Den Wirtschaftsflügel, die Jüngeren und alle, die das Gefühl haben, dass die Union der SPD sowieso zu viel nachgibt, nur um die internen Konflikte der Sozialdemokraten zu entschärfen oder – jüngstes Motiv – zu verhindern, dass die GroKo-Gegner beim SPD-Parteitag Anfang Dezember die Überhand bekommen und das Bündnis sprengen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil spielte diese Karte am Montag im ZDF offen: „Wenn wir bei der Grundrente nicht zu einer Einigung kommen, wird es schwierig in der Koalition.“ Aber Brinkhaus hatte schon vorher angemerkt: „Wir haben auch einen Parteitag.“ Dort als Einknicker dastehen mag er so wenig wie seine ohnehin bedrängte Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer.

Für die CSU ist die CDU das größere Sorgenkind

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wird denn auch nicht nur die SPD im Auge gehabt haben, als er im CSU-Vorstand feststellte: „Man kann den Eindruck haben, dass manche hier eine Sachfrage mit einer Machtfrage verbinden wollen.“ Dobrindt mahnte danach zwar pflichtschuldig die SPD und ihren Arbeitsminister: „Was wir nicht wollen, ist Geld mit der Hubertus-Heil-Konfettikanone zu verteilen.“

Aber ginge es nach der CSU, wäre das Thema längst abgeräumt. „Eine Grundrente ist kein Thema, an dem man Regierungen scheitern lassen kann“, mahnt Söder nach der Sitzung. „Wenn man eine Lösung will, dann findet man eine.“ Wer allerdings keine Lösung wolle, der baue neue Hürden auf.

Das galt nicht den Sozialdemokraten. Ohnehin ist die CDU aus Münchner Sicht derzeit fast das größere Sorgenkind. Er hoffe sehr, sagt Söder, dass vom CDU-Parteitag am 22. und 23. November in Leipzig nicht ein „Signal des Bruchs“ ausgehe. Die Volksparteien könnten es sich nicht leisten, in Flügel zu zerfallen: „Ich rate zum großen Teamgeist.“

Wo er den vermisst hat, daraus macht er ebenfalls kein Hehl. Man könne ja wie Friedrich Merz über Strategiefragen reden. „Allerdings muss man eine Strategie haben, wenn man das diskutiert.“ Personaldebatten seien ohnehin immer schädlich: „Wir brauchen keine Rückspiele und auch keine persönlichen Debatten der Vergangenheit.“

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