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 Armin Laschet, CDU-Bundesvorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen

© Michael Kappeler/dpa

Grüner Wasserstoff als Allheilmittel?: Laschets stumpfe Klimawunderwaffe

Die Union stürzt in Umfragen ab, die Grünen haben Aufwind. CDU-Chef Laschet will daher bei der Klimapolitik punkten.

Der Union laufen derzeit die Wähler in Scharen davon – den Grünen rennen sie in die Arme: Laut Forsa stehen CDU/CSU aktuell nur noch bei 27 Prozent, die Grünen bei 23 Prozent. Das Meinungsforschungsunternehmen Insa sieht die Union bei 26 Prozent, die dezidierte Klima-Partei bei 21 Prozent.

Für CDU-Chef Armin Laschet käme daher eine Klima-Wunderwaffe gerade recht – nicht zuletzt sind auch innerhalb der CDU und CSU Rufe nach programmatischer Entwicklung der Union lauter geworden. Einen zentralen Baustein hat Laschet nun genannt: „Grüner Wasserstoff“ lautet das Zauberwort für den Wahlkampf.

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Zum Start der Bürgerbeteiligungskampagne für das Wahlprogramm der Union sagte Laschet jetzt: „Deutschland kann und soll Wasserstoffland Nummer eins in der Welt werden.“ Die CDU/CSU will zeigen, wie man die Industrie bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral machen kann. Das Ziel: erstmals grünen Stahl produzieren.

Tatsächlich bahnt sich damit aber in der Klimapolitik der Union eine Warnung vor Übertreibungen beim Klimaschutz an. „Ich will, dass unser Land klimaneutral wird, nicht mit Bürokratie, wie unsere Mitbewerber es vortragen, sondern mit Innovation, mit nachhaltigen Technologien und mit marktwirtschaftlichen Instrumenten“, sagte Laschet mit Blick auf die Grünen. Hinter den Kulissen sind die inhaltlichen Vorarbeiten für die Klimapolitik im Wahlkampf bereits seit Monaten angelaufen.

Grüner Wasserstoff kein Allheilmittel

Mit dem Fokus auf Wasserstoff und der gleichzeitigen Betonung von marktwirtschaftlichen Instrumenten beim Klimaschutz zeichnet sich zugleich ein programmatischer Schwenk der Union in Richtung FDP an. Eine CDU-Arbeitsgruppe hatte bereits Ende vergangenen Jahres vorgeschlagen, sehr stark auf Marktinstrumente zu setzen.

Auch die CSU ließ in ihrer Klausurtagung Anfang des Jahres deutlich erkennen, stärker auf CO2-Bepreisung setzen zu wollen. Die Liberalen wiederum setzen bereits seit vielen Jahren in der Klimapolitik sehr stark auf Marktinstrumente. Kernstück ist auch hier die CO2-Bepreisung.

In diesen 80 ml Flüssigkeit (LOHC) sind 48 Liter Wasserstoff gebunden. Ausreichend Energie, um einen Kühlschrank einen Tag lang zu versorgen.
In diesen 80 ml Flüssigkeit (LOHC) sind 48 Liter Wasserstoff gebunden. Ausreichend Energie, um einen Kühlschrank einen Tag lang zu versorgen.

© BMBF/Hans-Joachim Rickel/Bundesministerium für Bildung und Forschung/obs

Grüner Wasserstoff wiederum wird durch Wasserspaltung aus erneuerbaren Energien gewonnen und ist vergleichsweise gut speicherbar. Allerdings: Laut einer neuen Studie des Beratungsunternehmens Enervis wäre sogenannter Bunter Wasserstoff wesentlich besser geeignet, um schnell, kostengünstig und auf längere Sicht auch klimaschonend eine Wasserstoffwirtschaft ins Rollen zu bringen.

Bunter Wasserstoff entsteht wie grüner in Elektrolyseanlagen. Aber der Strom stammt aus allen Quellen auf dem Markt, also auch aus Gas-, Kohle- und Kernkraftwerken. Sogenannter Blauer und Türkiser Wasserstoff gehören nicht zum bunten Wasserstoff. Sie werden aus Erdgas gewonnen.

Laut den Experten von Enervis dürfte Grüner Wasserstoff als Allheilmittel nicht funktionieren: Der Strombedarf in Deutschland dürfte dafür viel zu hoch sein. Es braucht also auch Bunten Wasserstoff. Andernfalls warnen die Berater vor einem Knappheits- und Verteilungskampf in Deutschland zwischen dem Verkehrs-, dem Gebäude- und dem Industriesektor.

Daher wird Deutschland bei seiner Wasserstoffstrategie seinen Bedarf laut Stefan Kaufmann, dem zum Innovationsbeauftragten der Bundesregierung für Grüner Wasserstoff, wohl zu 80 Prozent aus Importen decken müssen. Derzeit arbeitet die Bundesregierung daran, entsprechende Energiepartnerschaften aufzubauen, etwa mit den USA, Kanada, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland sowie die Vereinigten Arabischen Emirate.

Import von Blauem Wasserstoff aus fossilen Quellen

Hier allerdings zeigt sich ein weiteres Problem: Diese Länder sind zugleich noch immer stark abhängig von fossilen Rohstoffen. Gerade im Vergleich zur deutsche Energiewende haben die Erneuerbaren dort keinen so leichten Stand. Im Ergebnis könnte also nicht etwa Grüner, sondern eher Blauer Wasserstoff aus fossilen Quellen importiert werden.

Felix Matthes, der Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik des Öko-Instituts, kritisierte jüngst im Gespräch mit Tagesspiegel Background einen weiteren Schwachpunkt der deutschen Wasserstoffplanungen. Es sei noch ungewiss, wie angesichts der hohen Preise von klimaneutralem Wasserstoff im Vergleich zu fossilen Energieträgern überhaupt die notwendige Nachfrage in Deutschland in Gang kommen solle. Er sagte: „Man lügt sich in die Tasche, wenn man sagt, dass grüner oder blauer Wasserstoff eine billige Veranstaltung werden.“

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