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Impfungen in Tel Aviv in einem speziell ausgestatteten Transporter

© dpa/Kyodo

Grüner Pass für Immunisierte: Wie Israel Geimpften die Rückkehr zum Alltag ermöglichen will

Wer sich impfen lässt, darf sich auch vergnügen. Israel plant ein Zertifikat für alle immunisierten Bürger – den Grünen Pass. Wie funktioniert der?

Kein Kino ohne Impfpass: Israelischen Bürgern, die sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen, drohen demnächst etliche Nachteile im Alltag. Im Kampf gegen die Pandemie erhöht die Regierung den Druck auf Impfmuffel: Zwar sollen demnächst Kinos, Theater, Hotels und Fitnessstudios wieder öffnen – Zutritt erhalten sollen jedoch nur jene, die eine Immunisierung gegen das Virus nachweisen können.

Für manche Berufsgruppen könnte die Spritze sogar zur Pflicht werden.

Zwar liegt Israel in Sachen Impfung noch immer weltweit vorn: Fast die Hälfte der Bevölkerung hat nach Angaben des Statistikportals Our World in Data von der Oxford-Universität mindestens eine Dosis des Pfizer-Impfstoffs erhalten, den das Land bisher vorwiegend einsetzt. 31 Prozent haben sogar schon die zweite Spritze hinter sich. Sie gelten damit als nahezu vollständig immunisiert, ein größerer Anteil als in jedem anderen Land.

Allerdings hat Israels vielbestaunte Impfkampagne zuletzt etwas an Fahrt verloren. Zwar ließen sich Anfang der Woche noch um die 150.000 Bürger pro Tag impfen. Doch auf Spitzenwerte um die 200 000 wie zu Beginn der Kampagne im Dezember kommt das Land schon länger nicht mehr. An manchen Impfstationen sollen Mitarbeiter sogar schon Impfstoff in größerem Stil weggeworfen haben, weil nicht genügend Interessierte aufgetaucht waren.

Dabei ist die Pandemie auch im Land der Impfweltmeister noch längst nicht gebannt. Zwar haben mehr als 90 Prozent der Über-60-Jährigen sich entweder impfen lassen oder waren bereits an Covid- 19 erkrankt; die Zahl der coronabedingten Krankenhauseinlieferungen in dieser Altersgruppe sinkt daher deutlich.

Wenn der viermillionste Israeli geimpft wird lässt sich der Premierminister (Benjamin Netanjahu, links) diesen Termin nicht nehmen.
Wenn der viermillionste Israeli geimpft wird lässt sich der Premierminister (Benjamin Netanjahu, links) diesen Termin nicht nehmen.

© Alex Kolomoisky/Reuters

Es gibt mehr schwere Verläufe bei den Jüngeren

Doch eine Mehrheit der jüngeren Israelis ist noch ungeimpft. Unter ihnen steigt die Zahl der schweren Krankheitsverläufe sogar. Manche von ihnen lassen sich offenbar durch

Verschwörungstheorien und verstörende Berichte über den Impfstoff in sozialen Medien verschrecken.

Um Impfgegner und -skeptiker zum Umdenken zu bewegen, setzt die Regierung nun auf Zuckerbrot und Peitsche: Zum einen verspricht sie jenen, die sich impfen lassen, die ersehnte Rückkehr zur Routine. Nächsten Sonntag sollen nicht nur die Geschäfte wieder öffnen, sondern auch Fitnessstudios, Hotels und andere Freizeiteinrichtungen.

Darin vergnügen dürfen sich jedoch nur Menschen, die den sogenannten Grünen Pass vorlegen können, ein Zertifikat, das seinem Träger die Immunisierung gegen Covid-19 bescheinigt – entweder durch Impfung oder die Überwindung der Krankheit. Um an den Ausweis zu gelangen, sollen die Bürger sich demnächst eine App herunterladen oder sich eine Bescheinigung mit Barcode ausdrucken können.

Zugleich soll der Grüne Pass geimpften Israelis die Tür zu anderen Ländern öffnen. Mit Griechenland und Zypern hat die Regierung bereits ein entsprechendes Abkommen beschlossen, weitere Länder sollen folgen.

Jenen jedoch, die sich der Impfung verweigern, obwohl sie dafür zugelassen sind – das sind in Israel alle Bürger ab 16 Jahren ohne relevante gesundheitliche Probleme –, bleibt der Zugang zu diesen Privilegien, die einst als Selbstverständlichkeit galten, verwehrt.

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Ungeimpfte Mitarbeiter dürften nicht ins Büro

Manche von ihnen könnten sich bald sogar vor verschlossenen Bürotüren wiederfinden: Die Regierung bereitet ein Gesetz vor, das es Arbeitgebern erlaubt, ungeimpften Mitarbeitern den Zutritt zum Arbeitsplatz zu verwehren oder sie im Zwei-Tages-Rhythmus zur Vorlage negativer Coronatests zu zwingen. Gesundheitsminister Yuli Edelstein plädiert sogar dafür, Lehrer zur Impfung zu verpflichten. „Niemand hat das Recht, die Kinder Israels zu gefährde“", sagte er vergangene Woche. Zugleich setzt die Regierung auf Anreize, mal mehr, mal weniger subtiler Art. Der staatliche Coronabeauftragte Nachman Ash schlägt finanzielle Belohnungen für Mitarbeiter im Gesundheitssektor vor, die Bürger ab 50 Jahren zur Impfung überreden. In einer viel beachteten Aktion versuchten mehrere Impfstationen im Zentrum des Landes diese Woche, Menschen mit Gratis-Essen zur Spritze zur locken: In Tel Aviv gab es Pizza, in der ultraorthodoxen Stadt Bnei Brak dagegen Tscholent, einen Eintopf, den europäischstämmige Juden gerne zum Schabbat vorbereiten.

Heiraten? Impfen? Hauptsache zusammen...

Das Gesundheitsministerium veröffentlichte zum Valentinstag ein Video, in dem ein junger Mann seiner Freundin zu romantischen Geigenklängen ein Schmuckkästchen überreicht. Statt Verlobungsringen verbirgt sich darin eine Ampulle mit Impfstoff. „Schatz, ich liebe dich“, sagt er. „Lässt du dich mit mir impfen?“ Im Hebräischen liegt dieser Satz nur einen Buchstaben entfernt von der Frage: „Willst du mich heiraten?“ Außer sich vor Freude wirft sich die junge Frau in seine Arme: „Klar will ich mich mit dir impfen lassen!“ Bis die Impfmuffel unter den Israelis mit derartigem Enthusiasmus in die Impfstationen strömen, wird die Regierung indes noch einige Überzeugungsarbeit leisten müssen.

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