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Grünen-Chef Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.

© Kay Nietfeld/dpa

Grünen-Chef Habeck zu Corona-Krisenmanagement: „Merkel hat ein Machtvakuum aufkommen lassen“

Durch das uneinheitliche Vorgehen der Bundesländer in der Corona-Krise sei Vertrauen verspielt worden, kritisiert Grünen-Chef Robert Habeck.

Grünen-Chef Robert Habeck wirft der Bundesregierung schwere Versäumnisse in der Corona-Politik vor und sieht die Autorität der Kanzlerin zerstört. „Auf fast tragische Weise haben einzelne Ministerpräsidenten ihre Autorität zerstört, weil sie vorgeprescht und ohne Abstimmung eigene Wege gegangen sind“, sagte Habeck im Interview mit dem Tagesspiegel. Es sei Angela Merkel „zuletzt nicht mehr gelungen, den Sinn der Entbehrungen und Einschränkungen zu erklären“.

Die Bundesregierung habe ein Machtvakuum aufkommen lassen, viele Bundesländer hätten deshalb ihr Heil in eigenen Entscheidungen gesucht. „Dadurch wurde Vertrauen verspielt“, kritisierte Habeck. Der Grünen-Chef warf der Regierung zudem vor, die Instrumente für eine zielgerichtete Bekämpfung des Virus zu lange nicht auf den Weg gebracht zu haben.

„Auf die Corona-App, die für Ostern versprochen war, warten wir noch immer, noch immer ist nicht klar, wer wirklich für die Pandemiewirtschaft verantwortlich ist.“ Außerdem habe sie den Bürgern keine Perspektive aufgezeigt. „Dann hätte man nach einheitlichen Kriterien der regionalen Lage angepasst gemeinsam vorgehen können.“

Habeck äußerte Zweifel daran, dass die Kanzlerin noch die Kraft für mutige Entscheidungen in der Klimapolitik aufbringen könne. Die Europäische Kommission habe gerade eine sehr gute Biodiversitätsstrategie vorgestellt, die Klima- und Artenschutz in der Landwirtschaft voranbringen würde.

Lufthansa-Rettung „wirklich schlecht verhandelt“

„Die Kanzlerin müsste das zu einem zentralen Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft machen. Wir werben dafür, aber ich bezweifle, dass sie den Mut hat, sich gegen die Widerstände in den eigenen Reihen durchzusetzen“, sagte Habeck. Dabei seien die Deutschen viel weiter, als Angela Merkels Partei denke.

Scharfe Kritik übte Habeck auch am Rettungspaket für die Lufthansa. „Neun Milliarden Euro sollen ausgegeben werden, ohne dass die Lufthansa verbindlich darlegen muss, wie der Ausstoß von Treibhausgasen verringert wird. Die deutschen Steuerzahler retten einen Konzern, der dem Gemeinwohl nichts zurückgibt“, sagte er. Das sei „wirklich schlecht verhandelt“. Frankreich habe es mit Air France besser gemacht.

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Vor dem Koalitionsgipfel zum Konjunkturpaket forderte Habeck massive Investitionen in den Klimaschutz. „Mit dem Geld, das wir jetzt mobilisieren, müssen wir beide Krisen bekämpfen: die Wirtschafts- und die Klimakrise“, sagte Habeck im Interview mit dem „Tagesspiegel am Sonntag“. Er forderte alle Parteien zu weitreichenden Entscheidungen auf. „Die Zeit der kleinen Kompromisse ist vorbei.“

Konkret sprach sich Habeck unter anderem für höhere Abschreibungsmöglichkeiten für Klima-Investitionen aus, sowie für Zuschüsse für Unternehmen, die in eine klimafreundliche Infrastruktur investieren. 

Binnennachfrage „gezielt“ stimulieren

Der Grünen-Chef sagte, Deutschland werde sich nicht aus der Krise herausexportieren können. „Wir sind darauf angewiesen, dass andere Länder auf die Beine kommen, auch deswegen ist europäische Solidarität so wichtig.“ Zudem müsse die Binnennachfrage „gezielt“ stimuliert werden.

Habeck wandte sich gegen eine Abschaffung des Soli für Spitzenverdiener. „Das wird die Konjunktur nicht ankurbeln.“ Stattdessen brauche es „Kauf-Vor-Ort-Gutscheine“, um die Innenstädte wieder zu beleben und eine „starke Senkung der Strompreise“ zur Mobilisierung der Kaufkraft. Um gerade kleineren und mittelständischen Unternehmen zu helfen, sollten Verluste aus dem Jahr 2020 besser mit Gewinnen der Vorjahre verrechnet werden können, forderte er.

Habeck mahnte die Bundesregierung, keine Kaufprämie für Autos mit fossilem Verbrennungsmotor einzuführen. „Ich befürchte, dass die Bundesregierung den Absatz von Diesel und Benzinern mit Steuergeld fördert“, sagte er. Statt Kaufprämien für Verbrenner solle man Strukturveränderungen anstoßen.

Der Grünen-Chef ging auch auf Distanz zu Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der sich für Kaufprämien ausgesprochen hatte. „Wir kommen zu unterschiedlichen Schlüssen“, sagte er. Kretschmann habe „einen regionalen Blick“ als Ministerpräsident eines Landes mit einem Autokonzern, der beim ökologischen Wandel vergleichsweise große Probleme habe. „Wir wollen die deutschen Autobauer für den Weltmarkt fit halten – und der verabschiedet sich gerade vom fossilen Verbrennungsmotor“, sagte Habeck.

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