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Mit Schutzweste und Helm an der Frontlinie: Grünen-Parteichef Robert Habeck in der Ostukraine.

© Klaus Remme/dpa

Grüne: Wo Joschka Fischers Erben vage bleiben

Der Streit um Rüstungsexporte an die Ukraine zeigt: Bei den Grünen wirken widersprüchliche Traditionen. Entscheiden sie sich vor der Wahl? Ein Kommentar. 

Ein Kommentar von Hans Monath

Robert Habeck rudert zurück, seine Ko-Vorsitzende Annalena Baerbock begrüßt seine Klarstellung, und schon scheint bei den Grünen im Streit um mögliche Rüstungslieferungen an die Ukraine wieder Frieden einzukehren. Nachtsicht- oder Aufklärungsgeräte, Kampfmittelbeseitigung, Medevacs (Flugzeuge mit Pflegebetten) sind also in Ordnung, „Defensivwaffen“ nicht. Von denen hatte Habeck aber gesprochen.

Überzeugend ist das nicht, aber trotzdem kann man als tieferen Grund für die Debatte eine erfreuliche Entwicklung ausmachen: Eine Generation steht an der Spitze der Grünen, die sich stärker als ihre Vorgänger Europa, westlichen Werten und internationalen Regeln verschrieben hat.  Man kann gut darüber streiten, ob Habeck einen guten Vorschlag machte, als er Waffenlieferungen ins Gespräch brache. Aber weil er keinem geschönten Russlandbild anhängt und das Völkerrecht achtet, nennt er die Ukraine das Opfer einer Aggression und auch einen Verteidiger der Sicherheit Europas.

Die Grünen-Vorsitzenden stellen sich damit auch in die Tradition von Joschka Fischer, für den die enge Bindung von Europas stärkster Macht an seine westlichen Partner die wichtigste Lehre aus der deutschen Geschichte war. Konflikte - Stichwort Irakkrieg - schloss das nicht aus, Sonderwege ins weltpolitische Abseits schon.

Führte als Anhänger der Westbindung heftige Kontroversen mit seiner Partei: Auf dem Grünen-Parteitag zum Kosovo-Krieg (hier mit Danny Cohn-Bendit) setzte er sich 1999 aber durch.
Führte als Anhänger der Westbindung heftige Kontroversen mit seiner Partei: Auf dem Grünen-Parteitag zum Kosovo-Krieg (hier mit Danny Cohn-Bendit) setzte er sich 1999 aber durch.

© picture-alliance / dpa

Nur steht diese Haltung im Widerspruch zu anderen Traditionen der Partei, deren Entwicklung stark von Militärgegnern geprägt wurde. Daher rührt die radikale Kritik von Rüstungsexporten, die auch das aktuelle Wahlprogramm prägt. Mit dem Bekenntnis zu Europa und zum Westen sind nationalpazifistische Tendenzen aber kaum vereinbar. Die anderen EU-Partner sind überzeugt: Es kann nur ein wehrhaftes Europa geben, oder es wird kein starkes Europa in der Welt geben.

Baerbock überdeckt die Spannungen in der Partei durch wolkige Aussagen. Wenn ihr die Westbindung am Herzen liegt, müsste sie eine Koalition mit der Linkspartei ausschließen. Wenn sie die Nato für die Verteidigung auch Osteuropas schätzt: Warum erklärt sie dann das Zwei-Prozent-Ziel für Rüstung für absurd? Was gemeinsam beschlossen wurde, sollte man nur gemeinsam ändern.

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In der Ukrainedebatte sind die Risse der Grünen nun sichtbar geworden. Ihre Kanzlerkandidatin sollte sie nicht wieder durch Formelkompromisse verdecken. Joschka Fischer kämpfte auch vor Wahlen offen für seine Überzeugungen. Es gibt viele Indizien, dass Baerbock, erst einmal an der Macht angelangt, keine nationalen Alleingänge unternehmen würde. Aber mit allen Optionen in die Regierung zu streben, um sich erst dort zu entscheiden, das wäre zumindest nicht ehrlich.

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