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Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister von Tübingen

© dpa/Christoph Schmidt

Grüne Kompromissbereitschaft: Frieden machen mit Boris Palmer

Der Tübinger OB kann wieder Grüner sein – von 2024 an. Das ist gut für das innerparteiliche Meinungsspektrum. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

War das ein Kampf – und welch ein Ausgang: Im einjährigen Ausschlussverfahren gegen Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat das Landesschiedsgericht der Grünen einen Vergleich vorgeschlagen. Wegen verschiedener Verstöße gegen „die Grundsätze und Ordnung der Partei“ soll Palmers Mitgliedschaft bis zum 31. Dezember 2023 ruhen – er dann aber wieder das sein, was er immer sein wollte. Und nichts anderes im Übrigen, trotz Lockrufen zum Beispiel aus den Reihen der Liberalen.

Ein Vergleich, der tatsächlich einer ist. Palmers Anwalt, Grünen-Urgestein Rezzo Schlauch, immer noch eine gewichtige Stimme im Südwesten, hatte sich für den auch mächtig ins Zeug gelegt. Nicht nur, weil er schon Palmers Vater, den „Rebell vom Remstal“, immer unterstützt und vertreten hat; sondern weil es ihn ärgerte, dass ausgerechnet im Ländle mit seinen verschiedenen Farben Grün die Partei keinen wie Palmer aushalten können sollte.

Für diese Auffassung hatte Schlauch in der Partei links wie rechts Zustimmung gefunden, alte Oberbürgermeister aktiviert, aber auch ehemalige Bundesparteivorsitzende. Die Unterstützerliste reichte dementsprechend von Ludger Volmer bis Antje Vollmer.

Schiedlich, friedliche Einigung

Palmer hat dem Vergleich schon in der Verhandlung zugestimmt, der Landesvorstand will nun bis zum 16. Mai entscheiden. Im Mai 2021 hatte der Landesparteitag mit klarer Mehrheit das Ausschlussverfahren gegen Palmer eingeleitet – weil der „schweren Schaden für die Partei“ verursache. 24 umstrittene Äußerungen hatte der Vorstand aufgelistet, darunter Provokationen zu Flüchtlingen oder Ausländern.

Ein Schaden, den Schlauch, ehedem Fraktionschef im Bundestag, vehement bestritt. Zumal sich die Wahlergebnisse der Grünen in Tübingen stets verbessert hätten, Palmers Beliebtheitswerte hoch seien. Schlauch und seine Mitstreiter fanden, dass sich das grüne Meinungsspektrum nicht verengen dürfe und die Binnenliberalität erhalten werden müsse. Nicht zuletzt für die Strahlkraft der Grünen im Bund, wo sie Volkspartei werden könnten.

Das Landesschiedsgericht geht mit dem Spruch auf beide Seiten zu. Palmer hat danach gegen Parteigrundsätze verstoßen – aber nicht so, dass er dauerhaft ausgeschlossen werden könnte oder sollte. Beide Seiten werden auch dazu verpflichtet, im kommenden Jahr zu beraten, wie Palmer „künftig kontroverse innerparteiliche Meinungen äußern könnte“, ohne gegen grüne Grundsätze zu verstoßen. Schlauch über das Schiedsgericht: „Man kann es sich eigentlich nicht besser, nicht professioneller, nicht seriöser wünschen.“

Das auch deshalb, weil der in letzter Minute gegen Palmer geltend gemachte Einwand, er trete gegen die offizielle Grünen-Kandidatin zur OB-Wahl in Tübingen im Herbst an, damit vom Tisch ist. Palmer regiert dort seit 2007, wiedergewählt 2014 mit 61,7 Prozent im ersten Wahlgang. Er kandidiert jetzt als Unabhängiger, wieder mit guten Chancen.

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